#WirVsVirus Hackathon

Wie uns das Internet of Things (IoT) in der Krise unterstützen kann.

Ein Erfahrungsbericht von Jens Neureither.

„Gemeinsam im Kampf gegen die Covid-19 Krise Ideen sammeln und umsetzen“. Das war das Motto unter dem der #WirVsVirus-Hackathon am Wochenende (20.-22. März 2020) stand, der unter anderem von der Bundesregierung initiiert und unterstützt wurde. Man wolle gemeinsam mit der Bundesregierung den digitalen Beteiligungsprozess in der Corona-Krise schaffen und einen digitalen Raum bieten, in dem man gemeinsam Lösungen für neu auftretende Herausforderungen entwickeln, testen und verbessern kann. Ob ein solches Vorhaben in Deutschland zur Zeit einer der schwersten Krisen seit langem möglich ist? Haben die Menschen noch Motivation und Energie für das Entwickeln von neuen Ideen und Lösungen?

Unfassbar große Teilnahme am Hackathon

Spätestens seit Freitagabend ist klar: die Antwort lautet Ja! Nachdem das Portal für Ideen-Einreichungen und die Anmeldung zur Teilnahme geschlossen waren, warteten die Teilnehmer auf eine Veröffentlichung der eingereichten Ideen, zunächst vergeblich. Der Grund war schnell gefunden: Die unglaubliche Anzahl von knapp 42.000 Anmeldungen stellte die Organisatoren vor eine gewaltige Herausforderung. Letztendlich wurde über Twitter sogar der Gründer der Kollaborationsplattform Slack selbst, Stewart Butterfield, um Unterstützung gebeten, um die große Menge an Registrierungen ressourcentechnisch abwickeln zu können.

Einkaufssituationen entspannen - dank IoT

Dann gelang es aber doch, sich in Teams um eine gewählte Herausforderung zusammenzufinden. Ich hatte bereits am Vorabend ein Ideenkonzept eingereicht, mit welchem es möglich sein könnte, die Einkaufssituation in der Corona-Krise durch eine bessere Organisation der Supermarkteinkäufe zu entspannen. Zusammen mit zwei Paten ähnlicher Ideen fanden wir uns zu einem Team von etwa 12 Personen zusammen und starteten voller Ideen in Gespräche, wie unser finales Produkt aussehen sollte.

Nach gerade einmal 48 Stunden ist es uns gelungen, einen Prototyp fertigzustellen; samt Web-App, Software-Backend und Hardware-Sensorik. Doch was kann damit nun erreicht werden? Sortiertes Einkaufen nennt sich die Idee, die es ermöglichen soll, bereits im Vorfeld eines Einkaufes überprüfen zu können, welche Produkte in nahegelegenen Supermärkten aktuell verfügbar sind und wie hoch das Besucheraufkommen in diesen Märkten ist. Dafür erlaubt der Benutzer den Standortzugriff der Web-App die übrigens ganz ohne Registrierung genutzt werden kann, und wählt die Produkte aus, die er gerne einkaufen möchte. Daraufhin wird ihm eine Liste an Supermärkten in seiner Nähe angezeigt, die die Produkte voraussichtlich vorrätig haben, zusammen mit der Information des aktuellen Besucherandrangs.
Um diese Daten zur Verfügung stellen zu können, werden zwei verschiedene Wege genutzt: Zum einen haben Benutzer die Möglichkeit, unmittelbar nach ihrem Einkauf Feedback zu geben, ob ihre Produkte tatsächlich verfügbar waren und wie voll der Markt gerade war. Zum anderen nutzt "Sortiertes Einkaufen" ein IoT-Gerät, welches mit minimalem Aufwand in einem Supermarkt angebracht werden kann und ermittelt, wie viele Menschen sich gerade ungefähr im Umkreis befinden. Doch wie kann so etwas technisch umgesetzt werden?

Sogenannte System on a Chip Microcontroller werden häufig im IoT-Umfeld eingesetzt, da sie sich in der Regel durch einen geringen Stromverbrauch und geringe Stückkosten auszeichnen. Das von uns gewählte Gerät Espressif ESP32 besitzt außerdem bereits Bluetooth- und WLAN- Konnektivität. Um die Anzahl der Personen im Umkreis des Gerätes zu ermitteln, kann man es sich zu Nutze machen, dass Smartphones, selbst wenn sie gerade nicht aktiv benutzt werden, in regelmäßigen Abständen immer wieder über die WLAN- und Bluetooth-Schnittstelle Nachrichten versenden, beispielsweise um herauszufinden, ob bekannte Geräte wie der Router des Heimnetz oder die Bluetooth-Kopfhörer sich gerade in der Nähe befinden. Diese Nachrichten können mit dem IoT-Gerät empfangen und analysiert werden. Die empfangenen Daten werden lediglich verwendet, um die Anzahl der Geräte zu zählen. Personenbezogene Daten werden natürlich zu keinem Zeitpunkt gespeichert!
Das nächste Problem was es zu lösen galt, ist typisch im Umfeld von IoT-Geräten. Häufig werden diese an Orten aufgestellt, die nur sehr schlecht oder überhaupt nicht mit dem Internet verbunden sind. Das gilt auch für das Supermarkt-Szenario. Zwar kann man davon ausgehen, dass Supermärkte in Deutschland einen Internetzugang und wahrscheinlich auch einen WLAN-Zugangspunkt besitzen, jedoch würde das bedeuten, dass die Geräte für die großflächige Nutzung tausendfach mit bestehenden Netzwerken verbunden werden müssten. Das wäre für die meisten Supermarktbetreiber höchstwahrscheinlich ein Ausscheidungskriterium dieser Lösung.
Glücklicherweise gibt es Protokolle und Funkstandards, die explizit für derartige Anwendungen im IoT-Bereich vorgesehen sind. LoRa ist eine Netzwerktechnologie, die es ermöglicht, geringe Datenmengen über Entfernungen von über 10 Kilometern zu übertragen. LoRaWan setzt auf LoRa auf und definiert das Kommunikationsprotokoll. Da die Größe der zu übertragenden Nutzdaten pro Paket mit 243 Bytes sehr klein ist, bietet sich das Protokoll nicht für die Übertragung von großen Datenmengen an. Es eignet sich aber optimal dafür, Sensordaten von einige Kilometer entfernten IoT-Geräten abzufragen oder kurze Steuerbefehle zu senden. Damit auf die Daten über das Internet zugegriffen werden kann, werden diese über Gateways empfangen und weitergeleitet. Diese Gateways werden größtenteils von Privatpersonen betrieben und über Plattformen wie TheThingsNetwork nutzbar gemacht.  Sortiertes Einkaufen macht von diesem Übertragungsweg Gebrauch, um aus den Märkten die aktuelle Anzahl detektierter Geräte zu übermitteln. Daher müssen zusätzlich zum ESP-32 Gerät noch ein entsprechender LoRa-Chip samt Antenne, ein Gehäuse und USB-Netzteil ergänzt werden. Die Kosten der Hardware belaufen sich insgesamt auf etwa 10-20 € pro Stück. Als Paket zusammengebaut und vorinitialisiert können die Geräte in Supermärkten in Betrieb genommen werden indem sie lediglich mit dem Strom verbunden werden!

Während sich soziale Kontakte während der Corona-Krise gezwungenermaßen größtenteils vermeiden lassen, muss der Einkauf von Lebensmitteln aber auf jeden Fall weiter stattfinden. Wir sind überzeugt, dass sich durch die Nutzung von "Sortiertes Einkaufen" Begegnungen von Menschen weiter reduzieren lassen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Es können nicht nur Einkäufe in überfüllten Supermärkten vermieden werden, sondern auch unnötige Fahrten zu Märkten mit leeren Regalen. All diese Funktionen sind möglich, ohne die Erstellung eines Accounts oder das Tracking von Nutzern.
Abschließend bleibt nur zu sagen, dass die Teilnahme am #WirVsVirus-Hackathon ein außergewöhnliches Erlebnis war. Dass man mit einer riesigen Gruppe von über 40.000 Mitstreitern in kürzester Zeit an Ideen für digitalen Wandel arbeitet, ist wirklich nichts Alltägliches. Wir bedanken uns sowohl bei den Organisatoren für eine unglaubliche Leistung in der Koordination als auch bei den Teilnehmern für viele kreative und erkenntnisreiche Stunden!

Weitere Informationen zum Projekt:
https://sortierteseinkaufen.de
https://devpost.com/software/sortierteseinkaufen
Youtube-Pitch: https://www.youtube.com/watch?v=tRgiawo_esA
Link zur Veranstaltungsseite: https://wirvsvirushackathon.org/

Ein Erfahrungsbericht von
Jens Neureither, Cassini Consulting, Cassini Consulting AG
Jens Neureither
Consultant
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