Florian, wie kam es zu der Idee ein Sabbatical zu machen?
Naja, die Arbeit als Berater ist schön, aber auch anstrengend. Ich hatte einfach das Bedürfnis, mal viel Zeit zu haben, um den Kopf freizubekommen, etwas zu erleben, was in den normalen Urlaubsroutinen nicht so geht. Und: mal wieder meinen „anderen Seiten“, die im Berateralltag nicht so zum Tragen kommen, wieder mehr Platz einzuräumen.Â
Wie lange vorher hast du das Sabbatical bei Cassini angekündigt und wie hat man dort reagiert?
Ich habe im Oktober 2018 angekündigt, dass ich ab April 2019 ein dreimonatiges Sabbatical nehmen will. Die Reaktion von Cassini war „Viel Spaß!“ Das fand ich klasse.
Erzähl uns doch ein bisschen mehr zu deiner Auszeit. Wo genau warst du und was hast du so erlebt?
Ich hatte lange hin und her überlegt, wie ich mein Sabbatical verbringen will: Eine große Reise? Oder doch einen Freiwilligeneinsatz? Oder etwas Neues lernen? Irgendwo hospitieren? Die Fülle der Möglichkeiten hat mich ehrlich gesagt etwas unter Druck gesetzt. Dann bin ich eines Morgens mit der Idee aufgewacht, mich auf mein Fahrrad zu schwingen und Richtung Osten loszufahren, ohne festen Plan und ohne klare Route, von Tag zu Tag, mit dem groben Ziel, vielleicht irgendwann in die Ukraine zu gelangen.
Und das habe ich dann auch gemacht – alleine, immer von Tag zu Tag sehen, wo es hingehen soll, bleiben wo es mir gefällt. Ich bin dann mit dem Fahrrad von Berlin über Wroclaw, Krakau, die Bieszczady bis an die polnisch-ukrainische Grenze geradelt. Da hatte ich dann ehrlich gesagt nach einer Woche mit klammen Klamotten im Dauerregen die Nase voll. Deprimiert in einem heruntergekommenen Hotelzimmer in Przemyśl war ich kurz davor abzubrechen. Dann hab ich mir gesagt: „Fuck it, jetzt bist du schon so weit gekommen!“, und bin dann mit dem Zug weiter nach Lemberg – eine phantastische Stadt und schließlich noch bis nach Odessa ans Schwarze Meer.
Die ganze Reise war eine irre intensive Zeit mit vielen Begegnungen mit tollen Menschen, die ich so nie kennengelernt hätte – Studenten in einem Cafe in Wroclaw, die versuchten, mich mit den Feinheiten der polnischen Sprache und den Komplexitäten der polnischen Politik vertraut zu machen; die Zechergruppe an einer Tanke in Bosz, die einfach nicht verstehen konnte, wie jemand in meinem Alter so bescheuert sein kann, seine Familie zurückzulassen, um im Regen durch Südpolen zu radeln („Du weißt schon, dass man hierher auch mit dem Zug fahren kann?“); Die Webdesignerinnen auf dem Marktplatz in Lemberg, die sich überlegten, ob sie nach New York oder Barcelona auswandern oder doch in Lemberg bleiben; der wilde junge Mann in Odessa, der von seiner Freundin überredet werden musste, mir die Kamera zurückzugeben, nachdem er ein Foto von mir gemacht hatte.
Das Ganze in einer unglaublich spannenden Region, die einerseits mit ungeheurer Dynamik auf dem Weg  in die Zukunft ist, in der andererseits die blutige Geschichte des 20. Jahrhunderts überall noch total präsent ist.Â