Führungsverantwortung. Herausforderung und Chance des verteilten Arbeitens.
Leadership in Zeiten von Corona

Arbeiten in verteilten Teams. Herausforderung und Chance für jede Führungskraft.

Ein Erfahrungsbericht von Eva Zepke:

Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten seit einer Weile im Homeoffice. Hier stellen sich nicht nur Fragen zur vorhandenen Infrastruktur, geeigneten Tools oder zum Arbeitsschutz, sondern auch zu den aktuell immensen Herausforderungen für Teamleiter und Führungskräfte. Wie organisiere ich die virtuelle Zusammenarbeit in meinem Team? Wie verhalte ich mich als Führungskraft? Je nach Führungsstil und Persönlichkeit, kann es vor dem Hintergrund der veränderten Arbeitsbedingungen zu schwierigen Situationen kommen. Besonders für diejenigen, die gerne die Kontrolle behalten.

Der kooperative und demokratische Führungsstil fördert Vertrauen und bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit in virtuellen Teams!

Während meiner Beschäftigungszeit bei einem Automobilzulieferer arbeitete ich mit mehreren interkulturellen und interdisziplinären Teams in Europa zusammen. Hierfür war es wichtig, dass man neben dem Arbeiten an verschiedenen Standorten auch hin und wieder persönlich zusammenkam. Bei über 100 Mitarbeitern, die im Rahmen dieses einzelnen Projektes zusammengearbeitet haben, war es natürlich völlig illusorisch, immer ganze Teams für Meetings vor Ort einzuladen. Ich behalf mir, indem ich die einzelnen Teams in regelmäßigen Abständen an ihren jeweiligen Standorten besuchte. Darüber hinaus traf ich mich regelmäßig in größeren Zeitintervallen mit zentralen Verantwortlichen wie z. B. Test Managern, Architekten oder Scrum Mastern auch persönlich. Während dieser Treffen veranstalteten wir Workshops, um die Zusammenarbeit der Teams auf verschiedenen Ebenen in Bezug auf Themen wie Architektur, DevOps, Testmanagement und andere zu verbessern.
Ein wesentliches Instrument, um das Team stärker zusammenwachsen zu lassen, waren aber auch regelmäßige Events, wie ein gemütliches Essengehen oder auch mal der Besuch eines Escape Rooms. So wuchs das Team nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf persönlicher Ebene stärker zusammen. Zwischen den persönlichen Treffen wurde remote auf Basis einer Gremienstruktur gearbeitet. Das heißt, die Gremien tagten regelmäßig remote, um so den Fortschritt in den Teams zu evaluieren, gemeinsam nächste Schritte zu planen, existierende Hindernisse zu thematisieren und einer Lösung zuzuführen.

Transparenz und kontinuierlicher Verbesserungsprozesse erhöhen durch klare Strukturen die Effektivität

Um sicher zu stellen, dass alle wesentlichen Informationen aus der Gremienarbeit auch für alle einsehbar waren, entschieden wir uns, 100 % transparent zu arbeiten. In dem hier gewählten Beispiel hieß das, dass zu besagtem Projekt im Intranet ein eigener Projekt-Space angelegt wurde, in dem wir zentrale Informationen sowie alle Protokolle der Gremienarbeit ablegten. Alle im Rahmen der Meetings identifizierten Tasks wurden im Projektmanagement-Tool gepflegt und immer einem einzigen Verantwortlichen inkl. Fertigstellungsdatum zugewiesen. Dabei war dieses Tool mit seinen einzelnen Queues direkt im Intranet eingebunden, sodass via Ticketnummer aus den Protokollen alle Tasks aufrufbar waren und Heuristiken zur Fortschrittskontrolle automatisiert als Graphik abgebildet werden konnten. Auf diese Weise war 100-prozentige Transparenz für alle hergestellt.
All dies folgte klar definierten und für alle einsehbaren Regeln der Zusammenarbeit, die aus Learnings des Arbeitsalltages hergeleitet wurden. Diese wurden durch die Teammitglieder dokumentiert und anschließend wurden pragmatische Lösungen unter Einbindung aller Teammitglieder erarbeitet. Gestartet sind wir mit einem ersten, klar definierten Set-Up, das im Laufe der Zusammenarbeit auf Grund des iterativen Prozesses an Reife gewinnen sollte. Ein Ansatzpunkt sind z. B. die gemeinsam mit dem Team erarbeiteten „Norms of Conduct“. Hierbei wird die Frage beantwortet, was allen Beteiligten an der Zusammenarbeit wichtig ist, z. B. Respekt, Transparenz oder Spaß. Im Anschluss verpflichtet sich das gesamte Team, nach diesen Standards zu arbeiten.

Vertrauen und Disziplin sind zwei Seiten der gleichen Medaille “erfolgreiche Zusammenarbeit”

Man muss sich im Klaren darüber sein, dass die Arbeit in verteilten Teams und im Homeoffice allen Beteiligten ein hohes Maß an Disziplin abverlangt. Sie kann aber nicht immer von Anfang an vorausgesetzt werden. Ich bin mir im Klaren darüber, dass dies auch ein Grund ist, warum viele Führungskräfte Respekt vor verteiltem Arbeiten und Homeoffice-Lösungen haben. Es braucht Vertrauen auf Seiten der Verführungskraft und Disziplin auf Seiten der Mitarbeiter. Aber wir können auch selbst Vorgehensweisen einführen, die ein festes Fundament bilden, auf dem verteiltes Arbeiten für alle gelingt. So kann man virtuelle, tägliche Stand-Ups einführen, in denen über Ergebnisse des vorangegangenen Tages und Themen des anstehenden Tages gesprochen wird. Auf Basis dessen ist ein regelmäßiger Austausch der Teammitglieder gewährleistet und die Führungskraft kann ein Gefühl dafür entwickeln, wie die Arbeit voranschreitet. Darüber hinaus hilft ein regelmäßiger Austausch mit Teilprojektleitern/Scrum Mastern, um zu erfahren, wo Verbesserungsmaßnahmen notwendig sind, um einen optimalen Rahmen für das Arbeiten im verteilten Team zu schaffen. Dies schafft erneut Transparenz für die Führungskraft, weil sie ein Gefühl dafür entwickeln kann, woran die Leistungserbringung hängt.

Initialzündung Stand-Up und klar definierte Kommunikationsregeln minimieren fachliche und persönliche Reibungsverluste

Für viele ist die Erfahrung, für einen längeren Zeitraum im Homeoffice zu arbeiten, neu. Geben Sie Ihren Team-Mitgliedern also Zeit, sich einzufinden und sich an die Situation zu gewöhnen. Hier ist ein regelmäßiger Austausch besonders am Anfang hilfreich. Es helfen die bereits angesprochenen virtuellen Stand-Ups, da sie zu einem festen Zeitpunkt am Morgen starten und somit als eine Art Initialzündung für den Tag dienen können.

Darüber hinaus sollte bei allen Team-Mitgliedern ein Bewusstsein geschaffen werden, wie man gemeinschaftlich die zur Verfügung stehenden Kommunikationswege nutzen sollte. Welchen Kommunikationskanal nutzt man wofür? Denn schließlich bieten sich heute unendlich viele Möglichkeiten: Messenger, Emails, Ticketing Systeme, Intranet, Telefonie und andere.
Der Vorteil - die einmal festgelegte Vorgehensweise erhöht auch die Arbeitseffizienz, wenn alle wieder im Büro sind. Im Homeoffice ist sie jedoch unumgänglich. Haben wir eine solche Regelung nicht, so kann dies beispielsweise sehr leicht zu unklaren Verantwortlichkeiten führen. Vor allem kann es leicht zu Missverständnissen kommen, wenn man sich nicht Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Denken wir z. B. an die Messenger (ob nun Teams, Skype oder WhatsApp for Business): Hier haben wir als einziges kommunikatives Medium das geschriebene Wort. Da Stimme und Gestik fehlen, besteht viel eher die Gefahr, das Geschriebene falsch zu interpretieren. Dies führt zu Unklarheiten – im schlimmsten Fall zu Auseinandersetzungen. Ist festgelegt, wann welches Medium zur Kommunikation genutzt wird, kann dies verhindert werden.

Commitment auf ein gemeinsames Ziel ermöglicht die Realisierung hoher Effizienz im Team

Der für mich wesentlichste Punkt ist ein gemeinsames Ziel, das gewährleistet, dass alle in die gleiche Richtung streben. Es bildet eine Leitlinie, an der alle aufzusetzenden Strukturen ausgerichtet sind und schafft eine Interessengemeinschaft, die viele Hebel in Bewegung setzt, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Dabei ist es sehr wichtig, dass alle dieses Ziel kennen und man sich zu Beginn des Projekts Zeit nimmt, dies zu diskutieren.

Fazit: Transparente Kommunikation, Offenheit und Vertrauen geben Ihrem Team Raum, ihr Bestes zu geben. Auch im Homeoffice.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Vertrauen auf Seiten der Führungskraft und Commitment aller Kollegen ein wesentliches Fundament bilden, das durch eine klar definierte, Arbeits- und Gremienstruktur sowie selbstgegebene Kommunikationsregeln gestützt werden muss. Da erfahrungsgemäß die zu Anfang aufgesetzte Struktur unvollständig und fehleranfällig ist, bedarf es eines iterativen Prozesses, um dieses Framework der Zusammenarbeit stetig zu verbessern, voneinander zu lernen und entsprechend anzupassen. Dabei gibt das gemeinsame Ziel, auf das man sich zu Anfang committet hat, die Richtung allen Handelns vor.

Übrigens: Auch in Zeiten nach Corona können die eben genannten Aspekte nicht schaden, sondern fördern ein motiviertes und zufriedenes Team.

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