Jens, wie schätzt du momentan die Situation für Marketingabteilungen ein?
Es sind bewegte Zeiten. Die erleben nicht nur die Unternehmen, die erlebt nicht nur jeder einzelne von uns, sondern natürlich auch die einzelnen Fachabteilungen mit ihren eigenen Herausforderungen. Und ich glaube, dass diese vor allem für Marketing besonders sind.
Nicht zuletzt, weil sich jetzt deutlich zeigt, inwieweit die Kunden und nutzerzentrierte Kommunikation wirklich funktioniert. Letztlich fallen sehr viele Kanäle der aktuellen Situation zum Opfer. Wir haben es mit einer deutlichen Fokussierung auf das Thema Corona zu tun. Die Kunden sind zum Großteil in einen Katastrophenmodus geswitcht. Das heißt, relevante Aufnahmekapazitäten für Markenbotschaften sind sicherlich in der jetzigen Situation nicht mehr so verfügbar, wie sie es waren. Hinzu kommt die generelle Ungewissheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Bevölkerung hat mitunter finanzielle Einbußen in den nächsten Wochen und Monaten zu erwarten. Das wird die Kaufkraft entsprechend drücken. Das alles sind keine guten Voraussetzungen, um erfolgreich Produkte vermarkten zu können.
Umso entscheidender ist die Fragestellung: Wie kann ich mit meiner Markenbotschaft herausstechen, welche Möglichkeiten und Kanäle stehen mir aktuell zur Verfügung, um meine Kunden sinnvoll zu erreichen? Und natürlich spielen in diesem Fall digitale Kommunikationskanäle ihre absoluten Stärken aus.
Menschen sind nun umso mehr eher über digitale Medien zu erreichen, als über beispielsweise Großflächen oder ähnliches.
Letztlich sehen wir vielfältige Herausforderungen für Marketing. Und diese sehe ich nicht nur auf Seiten der Kundenkommunikation, sondern natürlich auch hinsichtlich organisationaler Fragestellungen. Wenn wir an eine klassische, non-digitale Marketingabteilung denken, sofern es sie noch geben mag, die werden es nicht leicht haben. Da fließt momentan wahrscheinlich auch viel Energie in die Justierung der Rahmenbedingungen. Das ist auch gut so. Und das wird nachhaltig helfen, davon bin ich überzeugt.
Corona wird wahrscheinlich schwere wirtschaftliche Schäden mit sich bringen. Meist ist eine der ersten Maßnahmen in Unternehmen, das Marketingbudget zu kürzen oder zu streichen. Wie können Marketingabteilungen mit dieser Situation umgehen?
Aktuell besteht sicherlich ein gesteigertes Interesse an liquiditätssichernden Maßnahmen, dazu gehört es meist auch, externe und variable Kosten bestmöglich zu reduzieren - keine Frage. Wir sollten allerdings nicht aus dem Blick verlieren, dass eine zielgerichtete Nutzerkommunikation entscheidend für den Geschäftserfolg ist.
Wenn jetzt alle Budgets gestrichen werden, hat das natürlich auch sehr negativen Impact auf die bisher aufgebaute Kundenbeziehung. Gar nichts mehr im Marketing zu tun, kann natürlich nicht das Mittel sein. Das wird auch nicht die Antwort sein. Hingegen ist es jetzt viel entscheidender, sich Gedanken zu machen und endlich eine Klarheit darüber zu bekommen: Wer sind unsere Kunden? Was brauchen unsere Personas? Was ist unser Versprechen? Und gemäß Personas und einer Customer Journey-Map auch klar zu identifizieren, was sind denn Bedürfnisse und wie kann ich diese digital bespielen? Und wer hier besser aufgestellt ist, hat es momentan leichter, mit der Situation umzugehen.
Die Frage ist aber auch: Wofür wurden bisherige Budgets eingesetzt? Grundsätzlich bin ich kein Freund von Budgets. Budgets lassen tendenziell das Geld nicht sinnvoll investieren. Es geht um einen bedarfsgerechten Einsatz. Wir sehen gerade in der aktuellen Zeit, dass eine Planbarkeit, falsche Sicherheiten bietet.
Corona kann also auch eine Chance sein, eine Fokussierung vorzunehmen, zu bewerten, was funktioniert gut und was nicht. Und das zur Verfügung stehende Budget sinnvoll und sehr zielgerichtet einzusetzen. Dies sollte grundsätzlich der Fall sein, aber jetzt wird die Fachabteilung Marketing dazu gezwungen und das wird ein wichtiges Learning für die Zukunft sein.