Datenpolitik und Datenschutz
Zukunftskongress 2020

Zukunftsdebatte Datenpolitik und Datenschutz

Daten - der Rohstoff des 21. Jahrhunderts; der Datenökonomie gehöre - so hört man es oft - die Zukunft. Entsprechend wichtig ist es, eine deutsche und europäische Datenpolitik zu entwickeln, die die Nutzung von Daten befördert und gleichzeitig deren Risiken minimiert.

Es geht dabei um Fragen wie: sind bestehende Datenstrategien Enabler für eine europäische Datenwirtschaft? Gelingt es, individuelle Perspektiven auf unsere Privatheit und auf unsere persönlichen Daten in Einklang mit dem gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu bringen? Dieses Dilemma veranschaulicht dieser Tage die zurückliegende Diskussion um die Corona-Tracing App auf nahezu idealtypische Weise.
Am 16.06.2020 haben wir im Rahmen des Zukunftskongresses Gelegenheit gehabt, unter der Moderation unseres Partners Jan-Lars Bey ein hochkarätiges Panel zu diesem Thema zu gestalten – vollkommen digital. Auf dem Panel saßen Saskia Esken (SPD), Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen), Ann Cathrin Riedel (LOAD e.V.) und Benjamin Brake (IBM).

Weg vom Bild der Datenschutzhysteriker

„Wissen ist Macht“, sagt Francis Bacon. „Wenn wir als Staat wüssten, was wir wissen…“, sagt Beate Lohmann. Kreative Kompetenz liegt zwar immer noch zwischen den Ohren, doch Kompetenz durch Wissen liegt heutzutage nicht mehr zwischen Buchdeckeln, sondern in Daten, sagt unsere Panelistin Saskia Esken (SPD). Nach zwei Jahren DSGVO schätzt sie die Verantwortung des Staates, das immense Potenzial von Daten zu nutzen, als wichtiger denn je ein. Wir sind mittlerweile von datengetriebenen Märkten beherrscht und täten gut daran, den Staat als größten Daten-Monopolist in einer Vorbildfunktion zu positionieren, indem Daten transparent und zugänglich gemacht werden. Wir wollen Daten ja nutzen, sagt die SPD-Parteivorsitzende – Datenschutz verfolgt nicht die Einschränkung der Nutzung von Daten und Datenschützer haben es auch nicht zum Ziel, die Handlungsfreiheit von Unternehmen hinsichtlich der Mehrwertschöpfung aus Daten einzuschränken. Vielmehr muss es beim Datenschutz darum gehen, die Gefahr einzuschränken, dass wir von Daten regiert werden.

Von Menschenbildern und ethischer Digitalisierung

Die Frage danach, welches Menschenbild wir dieser Diskussion dabei zugrunde legen, bewegte das Panel. Datensouveränität bedeutet für die Panelisten in diesem Zusammenhang nicht nur die Unabhängigkeit von amerikanischen Cloud Plattformen, sondern eben auch die Aufklärung von Bürger*innen: Was sind ihre Daten wert und wie sieht ihr rechtlich geschützter Anspruch auf Privatsphäre aus?

Ein Menschenbild des mündigen und aufgeklärten Bürgers also. Dafür braucht es einen europäischen Weg, der die Brücke zwischen dem amerikanischen erstmal-ist-alles-erlaubt-Modell und dem chinesischen für-immer-ist-alles-kontrolliert-Modell schlägt. Unser Panel ist sich einig: die ethische Digitalisierung muss für Deutschland und Europa das Modell der Wahl sein. Deutschland und Europa können sich in diesem Zusammenhang als innovations-begünstigende Regulierer und Schützer positionieren. Unsere Datenschutzgrundverordnung mit dem Grundsatz Privacy by Design ist schon jetzt ein echter Exportschlager.

Die Wege der KI sind ergründlich

Wenn es darum geht, Datennutzung nicht nur aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern auch aus ethischen Gründen zu hinterfragen, sind auch die Softwarehersteller in der Pflicht. Dabei wird echte Innovation nur dann geliefert, wenn es gelingt, neue digitale Produkte im Einklang mit unseren Werten der Bürgerrechte und der Freiheitsrechte zu entwickeln. Alles andere wäre nicht innovativ, sondern einfach nur neu, bringt es unsere Panelistin Ann Cathrin Riedel (LOAD e.V.) auf den Punkt.

An dieser Stelle ist aus ihrer Sicht die Entwicklung der Corona-Tracing App das Positivbeispiel schlechthin: demokratischer Dialog mit der Zivilgesellschaft und eine fundierte Auseinandersetzung damit, wie eine solche App unter Berücksichtigung der Datenschutz- und Bürgerrechte gestaltet werden kann. Eine echte Blaupause dafür, wie digitale Produkte durch die Verwaltung in Zukunft an den Markt gebracht werden sollen – echte Innovation eben. Und eine erfrischend andere Perspektive.

Immer wieder oszilliert die Diskussion um das Thema „Werte“. Über den Rechtsrahmen hinaus geht es unserem Panelisten Benjamin Brake (IBM) dabei auch darum, dass sich Softwarehersteller nicht nur über Werte unterhalten, sondern sich selbst auch entsprechende Prinzipien geben. Daten, die IBM bekommt, gehören deshalb grundsätzlich den Kunden; genauso wie die Erkenntnisse, die aus ihrer Verarbeitung gewonnen werden. Dabei spielt auch die Nachvollziehbarkeit und Transparenz von KI-basierten Entscheidungen eine kritische Rolle, denn viele Risiken der Datennutzung stammen nicht aus den Daten selbst, sondern aus den Algorithmen, die Daten verarbeiten. Hier müssen Institutionen finanziell und personell befähigt werden, als Ratgeber, Regulierer und Sanktionierer aufzutreten – nicht, um Freiheit einzuschränken, sondern um genau diese vor Überwachungs- und Datenmissbrauchsängsten zu schützen.

Nicht Daten für alle, sondern alle für Daten

Im europäischen Ausland werden derzeit Gesetze erlassen und eigenständige Behörden ins Leben gerufen, die einen direkten Zugriff auf gesamtgesellschaftlich relevante Daten der Bürger*innen und Unternehmen absichern sollen. In diesem Zusammenhang wird auf dem Panel auch die Frage diskutiert, ob Daten nicht auch als Währung zu verstehen sind, die auf einem geregelten Austausch beruhen und es dementsprechend legitim für Staaten und Unternehmen ist, Daten auch ohne Mehrwerte für Bürger*innen und Kunden zu verarbeiten. Davon distanzieren sich unsere Panlisten eindeutig, denn Daten sind ihrer Meinung nach keine Währung und sollten auch nicht als solche verstanden werden.

Was hier bevorzugt und empfohlen wird, sind freiwillige Zusammenschlüsse zur Selbstverpflichtung. Es muss sich bei Wertschöpfung durch Datenverarbeitung die Erkenntnis einstellen, dass Wettbewerbsvorteile durch vorliegende Daten generiert werden. Diese Mehrwerte müssen an Kunden und Bürger*innen (die immerhin die Quelle der verwendeten Daten sind) zurückfließen. Der Mensch muss bei der Diskussion um die Verwendung von Daten stets im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen also kein Gesetz nach dem französischen Modell, das einen Rechtsanspruch auf „Daten für alle“ erhebt, sondern eine zivilgesellschaftliche Allianz nach dem Motto „alle für Daten“ – und zwar im Sinne der Bürgerrechte, appelliert Benjamin Brake.

Fazit

Am Ende kommt es also auf uns alle an – Digitale Entwicklung passiert nicht von allein, sondern wird von uns allen gestaltet. Wir sind dafür verantwortlich, dass sie dem Menschen zugutekommt, dass sie der intellektuellen Emanzipation dient und dass sie der Wahrung von Bürger- und Freiheitsrechten dient.

Artikel von:
Rebecca Blum, Consultant, Cassini Consulting
Rebecca Blum
Senior Consultant
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