Agile Verwaltung
Agilität als neues Paradigma des Verwaltungshandelns

Agile Verwaltung - Spielräume in den vorhandenen Strukturen nutzen und loslegen

Ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene: Agilität wird als neues Paradigma des Verwaltungshandelns intensiv diskutiert. Angesichts einer immer komplexeren und turbulenteren gesellschaftlichen Wirklichkeit, so heißt es, müsse das alte bürokratische Modell der Verwaltung durch neue, flexiblere Handlungsmöglichkeiten erweitert oder gar ersetzt werden, Silos aufgebrochen, und mehr Möglichkeiten zum Experimentieren geschaffen werden. Warum tut sich die Verwaltung so schwer mit Agilität? In diesem Artikel wollen wir einen genaueren Blick auf die Organisationskultur als Rahmenbedingung für ein agiles Verwaltungshandeln werfen.

Organisationskultur in der bestehenden Struktur ist veränderbar

Auch die Organisationskultur der öffentlichen Verwaltung orientiert sich eher an Stabilität. So besteht zwischen den Organisationseinheiten der öffentlichen Verwaltung eine klare Arbeitsteilung. Jede Aufgabe wird mittels Geschäftsverteilungsplan einem verantwortlichen Mitarbeiter in der federführenden Organisationseinheit zugeordnet. Dies bringt die Gefahr von „Silodenken“ mit sich: Indem der Fokus des Mitarbeiters auf dem eigenen Zuständigkeitsbereich liegt, wird nicht das Ganze in den Blick genommen. Wenn jedoch ein Blick für das Ganze fehlt, werden negative Auswirkungen des eigenen Handelns auf andere Organisationsbereiche ignoriert, mit negativen Konsequenzen insbesondere bei komplexen Themenfeldern wie der Digitalisierung, die durch Interdependenzen geprägt sind. Hier stößt das Prinzip der Federführung und der Hierarchie an seine Grenzen.

Bürger und Unternehmen sind „Kunden“ von Verwaltungsleistungen. Kundenorientierung bedeutet, das jeweilige Angebot kontinuierlich an den Bedarfen der Bürger und Unternehmen auszurichten und weiter zu entwickeln. Nutzerorientierung ist zentraler Bestandteil agilen Handelns, Ergebnisse werden nach den Mehrwerten für die Zielgruppe bewertet. Von Bürgern und Wirtschaft wird in Umfragen oft die mangelnde Nutzerfreundlichkeit oder das Fehlen digitaler Angebote für zentrale Anliegen kritisiert.

Nutzerorientierung, Mut, Vertrauen und eine gute Fehlerkultur

Ein Ansatz, um Nutzerorientierung der Angebote zu gewährleisten, besteht darin, in regelmäßigen Abständen gemeinsam mit Vertretern der Zielgruppe digitale Anwendungen in Hinsicht auf die Erfüllung ihrer Bedarfe zu evaluieren und diese entsprechend anzupassen. So können Angebote intuitiv für Nutzer konzipiert und sichergestellt werden, dass diese einen Nutzen für die Zielgruppe hat. Das erfordert aber ein agiles Vorgehen - eine teamorientierte übergreifende Zusammenarbeit und den Mut, Erfahrungen mit neuen Arbeitsweisen zu machen.

Experimentieren mit neuen Lösungsmöglichkeiten ist nur möglich, wenn dies die Fehlerkultur der öffentlichen Verwaltung zulässt. Bisher herrscht bei Mitarbeitern ein eher fehlervermeidendes Verhalten vor, durch das sie sich absichern und negativen Beurteilungen als Konsequenz von Fehlern vorzubeugen. Zudem arbeiten Mitarbeiter jahre- oder gar jahrzehntelang in der gleichen Position, Prozesse sind eingespielt und eine „Das haben wir schon immer so gemacht“-Mentalität ist nicht selten.
Eine Zusammenarbeit in agilen Strukturen basiert hingegen auf Vertrauen statt auf festgefahrenen Routinen. Nur in einer vertrauensvollen Atmosphäre sind Mitarbeiter bereit, ihr abteilungs- und organisationsübergreifendes Wissen zu teilen. Fehler werden in agilen Strukturen als Möglichkeit gesehen, daraus zu lernen. Nur mit einer positiven Fehlerkultur probieren Mitarbeiter auch neue Ansätze aus.

Weiterhin braucht es für die Einführung von agilen Organisationsstrukturen einen Anstoß und kontinuierliche Unterstützung des Vorhabens durch die Organisationsleitung. Nur wenn die politische Leitung das Projekt aktiv unterstützt und vorantreibt, können skeptische Mitarbeiter überzeugt werden. Ansonsten besteht ein hohes Risiko, dass agile Initiativen im Sand verlaufen.

Neue Organisationskultur

Angst der Mitarbeiter vor Veränderung ist ein weiteres Hindernis für agile Initiativen in der öffentlichen Verwaltung. Die Arbeit in selbstorganisierten Teams erfordert spezifische Kompetenzen von Verwaltungsmitarbeitern. Zunächst müssen die Mitarbeiter über die Fähigkeiten verfügen, sich selbstständig zu organisieren und eigeninitiativ zu handeln. Darüber hinaus braucht es gute Kommunikationsfähigkeiten für die Arbeit in selbstorganisierten Teams und Kompetenzen im agilen Projekt- und Selbstmanagement. Passen die Kompetenzen der Mitarbeiter mit den an sie gestellten Anforderungen überein, kann der Angst entgegengewirkt werden. Zudem können Mitarbeiter in der Teamarbeit Erfahrungen und Sicherheit in der agilen Arbeitsweise gewinnen.

Insgesamt kann eine Änderung der Organisationskultur nicht durch Regulierung erreicht werden, vielmehr bedarf es einer offenen Kommunikation und Mitarbeiter aktiv einzubinden und zu befähigen. So leistet etwa die Zusammenarbeit in organisationsübergreifenden Teams einen Beitrag, die Organisationskultur vertrauensvoll und auf Transparenz ausgerichtet zu gestalten.

Neues Wagen im Einklang mit den bestehenden Gesetzen und Strukturen

Um die Spielräume des Rechts wirksam werden zu lassen, bedarf es bei seiner Anwendung einer Haltung in den Behörden, die weniger starr an formellen Regeln festhält und Risikovermeidung in den Vordergrund stellt, sondern die Spielräume selbstbewusst zugunsten angepasster Lösungen zu nutzen weiß. Dies verweist auf den entscheidenden Anteil, den die Verwaltungskultur als wesentliche Bedingung für die Umsetzung einer agileren Verwaltung hat.

Es braucht Führungskräfte, die den Wandel unterstützen und Experimentierräume schaffen. Der erste Schritt kann mit kleinen Projekten gewagt werden, in denen klassische Vorgehensweisen an ihre Grenzen stoßen. Mitarbeiter können Erfahrungen sammeln und Sicherheit gewinnen. Begleiten kann das Experiment ein Dialog mit Verwaltungsmitarbeitern aus anderen Organisationen, die sich mit Agilität schon vertraut gemacht haben.  Insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie bieten sich neue Fenster zum Ausprobieren.

Spielräume für Agilität nutzen

Carmen Dencker und Florian Theißing haben zudem einen Artikel zum Thema Agilität in der Verwaltung für Springer Professional geschrieben.
Zum Artikel auf springerprofessional.de

Ein Artikel von
Carmen Dencker, Senior Consultant, Cassini Consulting
Carmen Dencker
Senior Consultant
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