"In Deutschland genießen wir den Luxus der Freiheit, wir haben wenig Ängste und verdienen meist gut. Jeder kann selbst entscheiden, wofür er sein Geld ausgibt – und das ist auch gut so. So können Menschen ihre Interessen individuell nach Charakter und Persönlichkeitsstruktur ausleben und in Dinge investieren, die sie für sich selbst als essenziell erachten. Ich persönlich verzeichne die meisten monatlichen Ausgaben, nach Befriedigung meiner primären Bedürfnisse wie Wohnen und Nahrung, im Bereich Kleidung und Einrichtungsgegenstände. Dass diese Situation einen absoluten Luxus darstellt, ist mir wohl bewusst. So genieße ich es durchaus, mein Geld für Dinge auszugeben, um mich zu belohnen. Gerade in Zeiten einer globalen Pandemie, in der das alltägliche Leben und die Ereignisse doch überschaubar sind, sind Konsum und die daraus resultierende Belohnung für mich noch wichtiger geworden, auch wenn ich mir das zunächst nicht eingestehen wollte. Als die Geschäfte Anfang November ihre Türen verriegelten, dachte ich zunächst, ich könnte einfach meinen Konsum herunterfahren und abwarten, wie sich die Situation entwickeln würde. Auch in meinem persönlichen Umfeld war das zunächst der vorherrschende Tonus.
Nach einigen Wochen in der deutschen Version des „Lockdowns“ vermisste ich es jedoch, mich mit kleineren oder größeren Dingen zu belohnen. Meine Freizeitbeschäftigungen waren stark eingeschränkt und der Alltag konzentrierte sich sehr auf das, was vom Tage noch überblieb: Arbeiten und das Leben in den eigenen vier Wänden. Da die Tage und Wochen ineinander verschwammen und eventuelle Hochgefühle im Alltag weitestgehend ausblieben, sanken meine Motivation und Stimmung in den Keller.
Kurz gesagt: Ich hatte große Lust darauf, wieder zu konsumieren und mich selbst zu belohnen, indem ich mir Dinge kaufte. Um also Laune und Motivation wieder nach oben zu treiben und in Anbetracht der Tatsache, dass der Winter schon anklopfte, beschloss ich, mich intensiver mit Online-Shopping auseinander zu setzen. Noch vor der Pandemie waren Online-Shops selten mein Kanal der Wahl gewesen, denn ich bevorzugte das haptische Erleben eines Produktes und eine stimmige Präsentation im Ladengeschäft. Dank fortschreitender Digitalisierung, Kundenzentrierung und hervorragenden logistischen Dienstleistungen ist Online-Shopping heute jedoch ein sehr bequemes und teilweise beeindruckendes Unterfangen. Breite Verfügbarkeit, 24h-Lieferungen und die Möglichkeit kostenloser Retouren steigerten zudem meine Lust, den Konsum nun vollständig ins Internet zu verlagern.
Nachdem ich also diverse Online-Shops durchgestöbert, Wunsch-Artikel in den Warenkorb gelegt und einige Bestellungen aufgegeben hatte, freute ich mich zugegebenermaßen auf die anstehende Lieferung und die damit verbundene Befriedigung meines Bedürfnisses nach Konsum. Als die Ware angekommen und aus- und anprobiert war, musste ich allerdings feststellen, dass mein Bedürfnis nach „Shopping“ keineswegs befriedigt war. Obwohl ich faktisch Geld für neue Kleidung ausgegeben und eigentlich allen Grund zur Freude hatte, spürte ich die gleiche Lust auf Shopping wie zuvor. Das Kaufen von Produkten im Internet hatte also keine Auswirkung auf meine innere Bedürfnisbefriedigung. Um herauszufinden, warum das Online-Shopping mich in diesem Fall nicht glücklicher gemacht hatte, stürzte ich mich Hals über Kopf in die Thematik des Erlebnisfaktors im Handel.“