Die Barrierefreiheit ist noch immer ein medial präsentes Thema, was zeigt, dass sie noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Doch auch im 21. Jahrhundert ist eine vollumfängliche Inklusion von Menschen mit Behinderungen noch nicht gelungen, obwohl die technischen Möglichkeiten deutlich besser geworden sind.
Streamingdienste bieten Untertitel und zum Teil Audiodeskription für Filme und Serien an, nahezu jedes Buch wird auch als Hörbuch angeboten und die ARD als öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm bietet laut eigenen Angaben 54 % des Hauptabendprogramms mit Audiodeskription an. Die offensichtliche Frage, die sich hierbei stellt, lautet: „Warum nicht 100 %?“ Warum werden uns 54 % als Erfolg verkauft?
Die technischen Möglichkeiten sind vorhanden, aber es scheint an Motivation zu mangeln, diese vollumfänglich umzusetzen.
Neben dem Fortschritt in der Umsetzung der Barrierefreiheit gibt es allerdings auch komplett gegensätzliche Entwicklungen, die auf nicht betroffene Personen gar normal und vielleicht sogar innovativ wirken. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die App Clubhouse. Diese wurde als neues soziales Medium zelebriert, konnte schnell viele Menschen akquirieren und wurde ohne zu hinterfragen von der Masse als Innovationsprodukt genutzt. Die App war aber in höchstem Maße exklusiv, da sie ein iPhone voraussetzt, eine Einladung zur Plattform benötigt und nicht barrierefrei ist. Somit werden gehörlosen Menschen Informationen vorenthalten. Eine grundsätzlich konträre Bewegung zur digitalen Teilhabe.
Es ist die Unbetroffenheit, die uns vergessen lässt, dass einigen Menschen die digitale Teilhabe so aktiv verwehrt bleibt. Gegen mangelndes Bewusstsein hilft am besten eine Sensibilisierung. Diese muss nicht unbedingt Form einer öffentlichen Zwangsmaßnahme haben. Auch kleinere Selbstexperimente können lehrreich und zugleich spannend sein. Waren Sie schon mal in einem Dunkelrestaurant? Oder versuchen Sie mal einen Tag lang Ihren Laptop nur mit der Tastatur, ganz ohne Touchpad, Maus und Touchscreen zu bedienen. Ja es geht, auch wenn es anfangs etwas mühsam ist. Aber am Ende des Tages werden Sie garantiert viele neue Tastaturkürzel gelernt haben! Schon weil man dadurch eigene Perspektive auf die Welt hinterfragen und besser verstehen kann, ist die (zumindest zeitlich begrenzte) Erfahrung einer Behinderung tatsächlich auch eine Bereicherung.