Digitalisierung in der Landesverwaltung
Kennzahlensysteme und Erfolgsmessung

Digitalisierung in der Landesverwaltung

Die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung schreitet voran und sollte als Enabler für mehr Effizienz und Kostenersparnis sowie Bürgerorientierung dienen. Diese Entwicklung erlaubt es der öffentlichen Verwaltung, den wesentlichen und zukünftig relevanten Erfolgsfaktoren, nämlich der Flexibilität in Bezug auf die Bürgerwünsche, der Qualität der erbrachten Leistungen, der Anpassungsfähigkeit an die sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen und der Schnelligkeit bei der Leistungserbringung, gerecht zu werden. Um diese Ziele zu erreichen, muss der Erfolg der Digitalisierungsvorhaben kontinuierlich anhand messbarer Kriterien überprüft werden. Hier besteht allerdings noch Nachholbedarf, wie eine von Cassini in Zusammenarbeit mit AIOS, BearingPoint, CGI, GBTec und PwC, durchgeführte Studie aufzeigt.

Status Quo der Erfassung von Kennzahlen sowie Erfolgsmessung

„Digitalisierungsprogramme, -initiativen und -projekte brauchen konkrete, messbare Zielsetzungen – auch jenseits der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages. Digitalisierungserfolge sollten über Kennzahlen messbar gemacht werden.“ – Dies ist ein Fazit bezüglich der Kennzahlensystemen aus der Studie „Digitalisierung der Landesverwaltung in Deutschland: Erfahrungen und Herausforderungen“.
Die Studie untersucht Themenfelder wie Ziele, Erfolgsfaktoren und Hindernisse sowie Steuerung der Digitalisierung auf Länderebene. Befragt wurden insgesamt 37 Interviewpartner aus 11 Bundesländern, die sich alle in einer leitenden Position mit der digitalen Transformation der Landesverwaltung befassen. Die Bundesländer stellen dabei sowohl als Anbieter wesentlicher staatlicher Leistungen als auch in ihrer Stellung zwischen Bund und Kommunen eine Schlüsselrolle dar.

Ein Ergebnis der Studie ist, dass Kennzahlen für die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben kaum eingesetzt werden. Zwar werden im Rahmen der Digitalisierung immer mehr Aufgaben in Projekten anstatt in Linientätigkeit absolviert, doch trotz umfangreicher Konzepte, wie Controlling in IT-Projekten auf Bundes- und Landesebene, findet eine Messung von Projekterfolgen in der öffentlichen Verwaltung nur selten statt. Demnach erfolgt die Steuerung von Projektvorhaben durch Kennzahlensysteme in der Regel zu unsystematisch. Häufig wird eine Vielzahl an Kennzahlen erhoben, selten werden diese jedoch so aufbereitet, dass sie interpretiert und in Entscheidungsprozessen wahrgenommen werden können.

Mithilfe von Kennzahlen lassen sich behördenspezifische steuerungsrelevante Informationen ermitteln. Wie relevant einzelne Kennzahlen für die Steuerung sind, hängt beispielsweise von wirtschaftlichen Notwendigkeiten und der jeweiligen Bedeutung für die Spitze der Verwaltung oder der Politik ab. Kennzahlen sollen vor allem zu einer Transparenz interner Abläufe und externer Zusammenhänge führen.

Kennzahlen richtig einführen

Entscheidend für die Einführung eines Controlling- und Kennzahlensystems zur Messung der Zielerreichung und Steuerung von Digitalisierungsvorhaben ist es, Kennzahlen systematisch zu erheben. Hierzu empfehlen wir ein dreistufiges Vorgehen:

  1. Identifizierung von Zieldimensionen
    Zu Beginn muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, warum die Landesverwaltungen in Deutschland Digitalisierungsvorhaben umsetzen müssen und welche Ziele damit verfolgt werden. Auch wenn solche Zieldimensionen nicht auf jede Landesverwaltung pauschal zutreffen und hier durchaus diverse Ziele mit unterschiedlichen Schwerpunkten verfolgt werden, hat Cassini durch die Länderstudie zwei wesentliche allgemeine Zieldimensionen identifiziert.
    Eine identifizierte Zieldimension ist die grundsätzliche Verbesserung der Prozesseffizienz (37 % der Befragten), mit welcher monetäre und personelle Ressourcen eingespart und Prozesszeiten verkürzt werden. Trigger hierfür ist einerseits das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, nach welchem die Landesverwaltungen angehalten sind zu handeln sowie andererseits der zunehmende Engpass an personellen Ressourcen (vor allem im IT-Bereich, welcher auf den demografischen Wandel und die zunehmende Attraktivität anderer Arbeitgeber aus der Privatwirtschaft zurückzuführen ist). Digitale Prozesse führen zu einem höheren Automatisierungsgrad sowie zu weniger Medienbrüchen und somit zu kürzeren Prozesszeiten, wodurch weniger monetäre und personelle Ressourcen notwendig sind.

    Die zweite Zieldimension ist die Verbesserung des Services für Bürger und Wirtschaft (24 % der Befragten). Die Bürger wünschen sich zunehmend digitale Verwaltungsleistungen. Vor allem der Gang in das Bürgerbüro und eine Erhöhung der Transparenz von Antragsstellung bis Beendigung eines Fachverfahrens ist den Bürgern hierbei ein wichtiges Anliegen. Neben dem politischen Druck, wie beispielsweise durch das OZG (Onlinezugangsgesetz), ist auch eine intrinsische Motivation der Landesverwaltung vorhanden, stärker auf die digitalen Bedürfnisse von Bürgern und Wirtschaft einzugehen. Werden die Anliegen der Bürger erfüllt, sorgt dies für mehr Zufriedenheit und erleichtert somit politisches Handeln.

  2. Ableitung von bedarfsgerechten Kennzahlen
    Auf Basis der Zieldimensionen werden bedarfsgerechte anwendungsorientierte Kennzahlen abgeleitet. Für die „Zieldimension Prozesseffizienz“ können beispielsweise die klassischen Prozesskennzahlen wie die Prozesszeitenanalyse oder die Prozesskostenrechnung verwendet werden. Da sich hierbei ein Benchmarking zwischen den Landesverwaltungen als schwierig darstellt, kann zumindest eine Analyse vor und nach Digitalisierungsvorhaben angewendet werden, die somit als Basis und „lessons learned“ für zukünftige Vorhaben dienen. Initial sollten Prozesse mit hohen Prozesszeiten, zahlreichen Medienbrüchen und großem Personalaufwand betrachtet werden. In der Privatwirtschaft haben Controlling sowie Kennzahlensysteme eine lange Tradition und gehören zum Standard, sodass die öffentliche Verwaltung von den Erfahrungen profitieren kann.

    Für die Zieldimension „Serviceverbesserung“ kann der Ist-Stand durch bereits bestehende oder initial durchgeführte Bürgerbefragungen erhoben werden. Hier gilt es insbesondere, das Befinden der Nutzer in den Fokus zu stellen und das Berichtswesen um qualitative Aussagen zu erweitern. In der Privatwirtschaft haben sich bereits immer mehr Unternehmen dem Ziel verpflichtet, ihren Kunden ein herausragendes Erlebnis zu bieten. Es zeigt sich: Zufriedenheit schafft Vertrauen. Um dies zu erreichen, müssen sich auch Behörden stärker an den Bedürfnissen von Bürgern ausrichten und die Produkte/Services kundenzentriert weiterentwickeln. Neben kunden-/bürgerseitigen Kennzahlen, wie die Zufriedenheit oder die Weiterempfehlung von Services, sollten auch interne Kennzahlen zur Messung der Bürgerzufriedenheit implementiert werden.
    Von einem herausragenden Bürgererlebnis profitieren am Ende alle – Staat und Behörden, Bürger und Mitarbeiter.

  3. Monitoring und Steuerung
    Die Kernherausforderung besteht darin, diese Kennzahlen auch tatsächlich zur Steuerung zu verwenden. Für ein Controlling der Zielvorgaben bedarf es eines Monitorings der Kennzahlen, nachdem diese implementiert wurden. Operativ kann dies durch die Einführung eines Kennzahle-Cockpits umgesetzt werden. Essenziell für das Monitoring ist, dass die Messung der Zielerreichung auch mit konsequentem Handeln verknüpft ist. Dies bedeutet, dass bei der Zielverfehlung zwingend Maßnahmen umgesetzt werden sollten, die die Zielerreichung wieder in den Fokus nehmen. Dafür muss ein Verständnis kulturell verankert werden, dass konsequentes Handeln bei einer Zielverfehlung nicht als „Shaming“ angesehen wird. Konsequentes Handeln kann beispielsweise auch die Erhöhung der Ressourcen (personell oder monetär) sein, wodurch positive Effekte generiert werden und die Zielerreichung verbessert wird.

Erfolgsfaktoren für den Umgang mit Kennzahlen

Neben der systematischen Einführung von Controlling- und Kennzahlensystemen ist die Klärung von Verantwortlichkeiten und die Akzeptanz von Kennzahlen grundlegend. Hier empfehlen wir das Vorgehen nach einem Top-Down-Prinzip. Die oberste Leitungsebene muss die Messung der Zielerreichung mit Kennzahlen mehr als nur befürworten. Nur wenn der Umgang mit Kennzahlensystemen von ganz oben vorgelebt wird, werden diese auch auf der mittleren Führungs- sowie der operativen Ebene akzeptiert. Vor allem die mittlere Führungsebene, welche maßgeblich für die auf Kennzahlen basierte Steuerung verantwortlich ist, ist ein entscheidender Faktor. Wird das Reporting über die Erreichung von Zielen lediglich als Pflichtaufgabe wahrgenommen, besteht die Gefahr, dass die Kennzahlen nicht in allen Bereichen vollumfänglich gemessen werden und somit ein erheblicher Mehrwert der Controlling- und Kennzahlensysteme verloren geht. Bei der operativen Ebene ist Überzeugungsarbeit wichtig. Es muss stetig kommuniziert werden, dass die Anwendung von Kennzahlen langfristig eine Arbeitserleichterung und keinen Mehraufwand mit sich bringt. 

Neben der Klärung von Verantwortlichkeiten und der Akzeptanz der Maßnahmen, ist die kulturell verankerte Erwartungshaltung an Controlling- und Kennzahlensysteme ein entscheidender Erfolgsfaktor. Es ist wichtig, dass vor allem den Leitungsebenen bewusst ist, dass Kennzahlen lediglich als Unterstützung und Tool in der Entscheidungsvorbereitung und -findung dienen und oftmals Raum für Interpretationen bieten. Durch dieses Bewusstsein wird die Bedeutung der Kennzahlen richtig eingeordnet, da diese eine fundierte Entscheidungsfindung nicht ersetzen.

Trotz der vielen Vorteile ist die systematische Messung und Steuerung von Digitalisierungsvorhaben in Landesverwaltungen kaum vorhanden. Durch die voranschreitende Digitalisierung werden jedoch immer mehr solcher Vorhaben umgesetzt, weshalb die Einführung von Controlling- und Kennzahlensystemen für eine erfolgreiche Umsetzung ebendieser unabdingbar geworden ist.

Artikel von:
Christopher Busche
Christopher Busche
Management Consultant
Christopher Nobbe, Senior Consultant, Cassini Consulting
Christopher Nobbe
Senior Consultant
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