Vorhaben, Projekte und Maßnahmen zur Digitalisierung laufen seit Jahren auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung, mit mehr oder weniger Nachdruck. In einer Behörde war intern die Rede von der "Elektrifizierung" der Abläufe. Jeder versteht die Anspielung, gemeint ist das Bestreben, die Abläufe zu digitalisieren. Der Begriff legt nahe, dass Elektrifizierung so etwas ähnliches ist wie Digitalisierung. Das ist intuitiv naheliegend und leuchtet ein – aber leider ist dies auch ein Missverständnis.
"Elektrifizierung" meint, einen bisher z. B. mit Muskel- oder Pferdekraft, meist über die Zwischenstufe der fossilen Brennstoffe, betriebenen Vorgang nun elektrisch anzutreiben. Es wird also nur die Antriebstechnik ausgetauscht: die Funktionsweise der angetriebenen Maschinerie bleibt erhalten und weitgehend unverändert.
Das Beispiel Bahn: Bei der Ablösung von Diesellokomotiven durch Elektro-Lokomotiven wird im Wesentlichen nur die Lok ausgetauscht (und die Infrastruktur stellenweise ergänzt, um den Strom zu erzeugen und zur Lokomotive zu bringen). Es entsteht durch die Elektrifizierung aber kein Zwang, die eigentlichen Betriebsabläufe im Kern zu ändern: die Waggons bleiben die gleichen, die Abläufe im Bahnhof und der Fahrkartenverkauf bleiben auch unberührt. Auch bestehen die elektrifizierte und nicht-elektrifizierte Welt in der Regel nebeneinander, so dass die gesamte Infrastruktur und Logistik für den Betrieb von Diesellokomotiven weiterhin aufrecht erhalten werden muss. Darin ist auch der Gedanke einer Rückfallmöglichkeit enthalten. Fällt der Strom aus, greife ich auf die Diesellok zurück.
Die Elektrifizierung bringt natürlich viele positive Effekte mit sich: es werden höhere Leistungen möglich, die Lokomotiven werden leiser und sauberer, die Arbeit in den Lokomotiven wird erleichtert. Aber die Betriebsprozesse bleiben dem Wesen nach erhalten. Für den Fahrgast steigen Komfort und Reisegeschwindigkeit, aber auch hier: die Prozesse werden nicht optimiert.
Es bleibt die Erkenntnis: Elektrifizierung führt zu einer „Modernisierung“, insgesamt zu einer Beschleunigung der Abläufe. Es fehlt aber das Neu-Denken der Prozesse. Â
Nun ist „elektrisch“ gut, „elektronisch“ noch besser. „Elektronisch“ verspricht noch mehr Modernisierungspotential, noch mehr Zukunftsorientierung. Digitaltechnik basiert in weiten Teilen auf elektronischen Komponenten: ein „E“ davor, und schon wird aus der (analogen) Akte die (moderne, digitale) „E-Akte“. Das greift leider viel zu kurz, denn auch hier werden die Prozesse nicht neu gedacht.
Egal ob ein Zug mit einer Diesel- oder Elektro-Lokomotive gezogen wird, beides entspricht dem analogen Transport: ich verfrachte einen Passagier oder eine Fracht physisch von A nach B, auf derselben Infrastruktur, mit sehr ähnlichen Prozessen in Betrieb und für den Endkunden.