Die großen Themen der Verwaltungsdigitalisierung

IT-Konsolidierung Bund  - Wie das zentrale Projekt der Verwaltungsmodernisierung nach sechs Jahren eine neue Dynamik gewinnt.

Beschleunigung des digitalen Wandels in der öffentlichen Verwaltung
Inmitten der COVID-19-Pandemie wird deutlich, wie wichtig gut funktionierende und skalierbare IT-Systeme in der öffentlichen Verwaltung sind. Maßnahmen zur Reduktion von Infektionsrisiken beschleunigen den digitalen Wandel in der Arbeitswelt und steigern die Anforderungen an die eigene IT. So wird inmitten kürzester Zeit das Homeoffice für Verwaltungsbeschäftigte nicht nur akzeptiert, sondern aktiv eingefordert. Aus der Cassini New Work Studie im Juni 2020 geht hervor, dass die Arbeit der Verwaltung durch die Corona-Pandemie digitaler und flexibler wird. Die größte Veränderung zeigt sich in der Ermöglichung des Home Office im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Somit geben in der Next:Public Studie etwa 67 Prozent der Verwaltungsbeschäftigten auf Bundesebene an, im ersten Lockdown hauptsächlich im Homeoffice gearbeitet zu haben.

Artikelreihe zu den Trendthemen der Öffentlichen Verwaltung

Dieser Artikel ist der zweite einer vierteiligen Serie zu den wesentlichen Themen der Verwaltungsdigitalisierung. Heute beleuchten wir die IT-Konsolidierung Bund.

IT-Konsolidierung Bund

Robuste IT-Netze, konsolidierte Rechenzentren und Bündelung der IT-Beschaffung

Die fortschreitende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und die Befähigung der Verwaltungsbeschäftigten zu digitaler Zusammenarbeit kann jedoch nur durch eine stärkere Standardisierung der IT-Systeme und damit eine weitere Konsolidierung der IT auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung erreicht werden. Dies hat die Bundesregierung früh erkannt und initiierte im Jahr 2015 die IT-Konsolidierung Bund, an deren Erfolg allen involvierten Stakeholdern gelegen sein sollte.
Als zentrales Projekt der Verwaltungsmodernisierung schafft die IT-Konsolidierung Bund die wesentlichen Voraussetzungen für Digitalisierungsvorhaben in der öffentlichen Verwaltung. In dem Projekt sollen mithilfe von Standardisierung und Konsolidierung die Weichenstellungen für eine zukunftsfähige öffentliche IT-Infrastruktur gelegt werden. Es erfolgt eine Abkehr von individualisierten Leistungsangeboten. Vielmehr werden künftig homogene und medienbruchfreie Lösungen die behördenübergreifende Kollaboration vereinfachen und beschleunigen. Dies geschieht mittels moderner Technologien, die von zentralen IT-Dienstleistern in einer einheitlich aufgestellten Architektur bereitgestellt und betrieben werden.

Mit erfolgreicher Umsetzung der Handlungsstränge des Großprojekts soll die Bundes-IT leistungsfähiger, wirtschaftlicher, und stabiler werden und auf innovative technologische Trends flexibel eingehen können.

Gemischte Bilanz und zukunftsgerichtete Neuausrichtung

Die IT-Konsolidierung Bund vermeldet bereits wichtige Erfolge. In der Betriebs- und Dienstekonsolidierung sowie Beschaffungsbündelung wurden viele Aktivitäten erfolgreich durchgeführt oder zumindest angestoßen. Nennenswert sind beispielsweise die Zusammenführung der drei Dienstleistungszentren des BMVI, BMI und BMF in das ITZBund Anfang 2016, die Besetzung von 65,7 Prozent der Planstellen in der Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB), die Billigung der belastbaren Neuplanung der Betriebskonsolidierung Ende 2020 sowie die Konsolidierung von 18 der 46 Dienste in der Dienstekonsolidierung bis heute.

Dennoch dauern die Veränderungen in vielen Fällen länger als geplant und erfordern mehr finanzielle Mittel als vorgesehen. Dabei können die Verzögerungen bei der Erreichung von Meilensteinen maßgeblich auf die schwierige Konsolidierung historisch gewachsener, heterogener Strukturen zurückgeführt werden. Ebenso zeigen sich Herausforderungen bei der Rekrutierung von IT-Fachkräften und der Umsetzung von IT- und Datensicherheitsstandards. Es wird immer transparenter, dass die IT-Systeme der öffentlichen Verwaltung noch unter dem Investitionsstau vergangener Jahre leiden. Wahrscheinlich wurde die Komplexität der IT-Konsolidierung in der öffentlichen Verwaltung  zunächst unterschätzt. Gleichzeitig ist den Entscheidungsträgern aber bewusst, dass die IT-Konsolidierung als Grundlage der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor weiter zu priorisieren ist.

Um auf die genannten Herausforderungen einzugehen und der IT-Konsolidierung Bund eine neue Dynamik zu verleihen, wurde das Großprojekt im Jahr 2020 neu ausgerichtet. Es wurde ein einheitliches und übergreifendes Controlling im Bundeskanzleramt eingerichtet, welches die Erfolgs- und Kostenkontrolle vereinfacht. Das BMI ist seit 2020 für die Umsetzung der IT-Maßnahmen unter der Dienstekonsolidierung zuständig, das BMF analog für die Betriebskonsolidierung. Die neue Rollenverteilung sorgt für ein höheres Zuständigkeitsbewusstsein und eine bessere Übersicht der verantwortlichen Akteure.  Das ITZBund ist alleiniger Generalunternehmer für die IT-Konsolidierung der unmittelbaren Bundesverwaltung und wurde in eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) Anfang 2021 überführt. Dies ermöglicht den involvierten Ressorts Steuerungsmöglichkeiten in einem gemeinsamen Aufsichtsorgan. Bis 2028 sollen die vier Handlungsstränge abgeschlossen werden.

Handlungsfelder und Potenziale der nächsten Jahre

Was bedeutet die IT-Konsolidierung Bund für die Digitalisierungsvorhaben der öffentlichen Verwaltung, sobald das Projekt seine versprochene Wirkung entfaltet? Folgende Handlungsfelder sind bereits absehbar:

  1. Innovationsfähigkeit in der IT-Beschaffung bewahren
    Ein großes Handlungsfeld zeigt sich in der Förderung der Innovationsfähigkeit bei gleichzeitiger Verengung des Marktes durch die gesetzlich angeordnete Beschaffungsbündelung. In einem verengten Markt mit weniger IT-Anbietern wirken Vergabeentscheidungen meist über die Vertragslaufzeit hinaus. Der positive Effekt von sinkenden Transaktionskosten bei weniger Vergabeverfahren wird durch die Gefahren von fehlendem Preis- und Innovationswettbewerb getrübt. Als Konsequenz sollte IT-Beschaffung strategisch gedacht und höher priorisiert werden. Eine Initiative für die Wahrung von Innovationsfähigkeit ist die innovative Ausgestaltung von Vergabeinstrumenten, wie zum Beispiel das Eingehen von Innovationspartnerschaften.
  2. Digitale Souveränität und IT-Konsolidierung gemeinsam denken
    Konsolidierung und Digitale Souveränität müssen sich nicht unbedingt ausschließen. Ganz im Gegenteil bergen Maßnahmen zur IT-Konsolidierung die Möglichkeit, Digitale Souveränität auch zu befördern. Beispielsweise ist die Abkehr von der Beschaffung mehrerer Standard-Softwares hin zu einer Eigenentwicklung oder Weiterentwicklung basierend auf Open-Source-Software vereinbar mit den Zielen der Digitalen Souveränität.
  3. Schnelle und bedarfsgerechte Ergebnisse erzielen
    Mit Blick auf die immer wichtiger werdende Skalier- und Funktionsfähigkeit von IT-Systemen in der Pandemie-Lage ergibt sich ein Handlungsfeld für verstärkte Ergebnisorientierung und mehr Schnelligkeit in der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben. Statt zu versuchen, historisch gewachsene Strukturen und IT-Systeme zu optimieren, sollte man diese ganz neu denken. Während man Weiterentwicklungen und Anpassungen zunächst zurückstellt, könnte der Fokus auf der Bereitstellung standardfunktionsfähiger Produkte liegen.
  4. Behördenübergreifendes Projektdenken initiieren
    Letztlich ist ein großes, oft vernachlässigtes Handlungsfeld die zielorientierte, projektbasierte Zusammenarbeit. Oft scheitert es in der Zusammenarbeit an fehlender Kommunikation und Zusammenlegung von Interessen in sehr heterogenen Stakeholder-Landschaften. Damit in der IT-Konsolidierung Bund schneller Erfolge erzielt werden können ist es unabdingbar, dass sich die involvierten Stakeholder hinter der gemeinsamen Vision versammeln, ihre Linien- und Behördenstrukturen hinter sich lassen, und in einem zielgerichteten Projektmodus zusammenarbeiten.

Die IT-Konsolidierung Bund muss in den nächsten Jahren an Fahrt aufnehmen, um die notwendigen Ergebnisse zeitnah und bedarfsgerecht liefern zu können. Dabei ist die behördenübergreifende Zusammenarbeit und die gemeinsame Verfolgung von konkreten Zielsetzungen ein essentieller Erfolgsfaktor.

Im nächsten Artikel legen wir den Fokus auf den Status quo von E-Government in Deutschland.

Artikel von:
Chira Hartwig, Senior Consultant, Cassini Consulting AG
Chira Hartwig
Senior Consultant
David Wichmann, Cassini Consulting
David Wichmann
Partner
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