5-Schritte-Prozessmodell
5-Schritte-Prozessmodell

Klimaneutralität in Organisationen

Seit einiger Zeit wird durch eine globale Anstrengung versucht, den Klimawandel zu stoppen. Dies äußert sich in internationalen Abkommen der Vereinten Nationen, in nationalen Gesetzen und Richtlinien sowie im Wirken und Auftreten von Unternehmen und sonstigen Organisationen. Da dieses Vorhaben für einen einzelnen Akteur (Staat, Unternehmen etc.) unmöglich zu erfüllen ist, müssen sämtliche Akteure gleichzeitig nach Klimaneutralität streben und die eigenen Emissionen so weit wie möglich senken und kompensieren. Doch wie kann eine Organisation ihren Weg zur Klimaneutralität gestalten?

Dieser Artikel zeigt einen generalistischen Ansatz für einen Prozess auf, durch dessen Etablierung eine Organisation nachhaltig klimaneutral agieren, ihre Fortschritte in der Emissionsvermeidung beständig nachweisen und den Anforderungen an eine klimaneutrale Gesellschaft gerecht werden kann. Da dieses Ziel nicht durch eine einmalige Anstrengung erreicht wird, muss die Emissionsfreiheit durch zyklische Wiederholungen dauerhaft gesichert und der Prozess in allen Bereichen verankert werden. Am Ende einer jeden Wiederholung steht die Rest-Kompensation der tatsächlich erzeugten Emissionen und deren zukünftige Minderung. 

Beispiel
Die fiktive Behörde für Unwetterschutzmaßnahmen (BfUS) hat im gesamten Bundesgebiet Standorte und Sensorik für die dauerhafte Beobachtung des Wetters und Wetterschäden. Die anfallenden Daten werden an einem zentralen Standort in einem selbst betriebenen Rechenzentrum ausgewertet.
Durch eine neue politische Vorgabe muss diese Behörde in den nächsten vier Jahren klimaneutral agieren und Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität nachweisen.

Der Zyklus

Die notwendigen Aktivitäten zur Erreichung der Klimaneutralität werden in einem Prozesszyklus gebündelt und entsprechend des Fortschritts bearbeitet. In der einleitenden Phase Vorbereitung wird die Organisation für die Durchführung der kommenden Aktivitäten befähigt. Der Abschluss dieser Phase markiert gleichzeitig den Beginn des eigentlichen Zyklus, sodass ein regelmäßiges Durchlaufen etabliert werden kann. Ein Durchlauf dauert dabei ebenso lange wie der Betrachtungszeitraum. Der Zyklus selbst beginnt mit der Phase Berechnung, in der die realen Emissionen des vergangenen Betrachtungszeitraumes ermittelt werden. Diese werden im ersten Durchlauf unmittelbar in der hier vorgezogenen Phase Kompensation ausgeglichen, sodass schon hier Klimaneutralität für das/ die zurückliegende(n) Jahr(e) erreicht werden kann. Ab dem zweiten Durchlauf beginnt die Erhebung des Einsparpotentials mit der Phase Klassifikation nach der Phase Berechnung. In dieser werden alle Emissionsquellen nach ihrem Einsparpotential geordnet. Potenziell vermeidbare Quellen werden während der Phase Vermeidung nachhaltig abgeschafft. In der Phase Verminderung werden unvermeidbare Emissionen zumindest gemindert. Die Phase Kompensation bildet ab dem zweiten Durchlauf den Abschluss des Zyklus.
Auch um die Effizienz des Zyklus ständig zu steigern, werden in allen Phasen sämtliche Hindernisse und Fortschritte dokumentiert. Im Folgenden betrachten wir die einzelnen Phasen genauer, gehen auf die individuellen Aspekte ein und zeigen die Zusammenhänge zwischen den Zyklen auf.

Kreislaufmodell Handlungsempfehlungen
Kreislaufmodell Handlungsempfehlungen

Vorbereitung der Organisation und Verankerung des Zyklus

Das vorrangige Ziel der Phase Vorbereitung ist die Verankerung des Willens innerhalb der Organisation, diese dauerhaft klimaneutral zu gestalten und den dazu notwendigen Prozess anzustoßen. Zuvor sollte definiert sein, was der Begriff „Klimaneutralität“ für die Organisation bedeutet. Hier kommt vor allem die Auswahl schädlicher Emissionen in Betracht, welche neben CO2 noch weitere Treibhausgase oder organisationsspezifische klimaschädliche Stoffe enthalten kann. 

Um spätere Maßnahmen klar abgrenzen und die Berechnung der Emissionen auf die definierte Organisation beschränken zu können, ist eine saubere Definition der Organisation und ihrer Grenzen eine der wichtigsten vorbereitenden Maßnahmen. Zudem müssen relevante Stakeholder (Führungskräfte, Aufsichtsgremien, beteiligte Mitarbeitende) informiert, geschult und involviert werden, sodass der Prozess möglichst reibungslos durchlaufen werden kann und die regelmäßige Wiederholung durch die Stakeholder angenommen wird. 

Eine weitere Maßnahme ist die Festlegung der Länge des jeweiligen Betrachtungszeitraumes, für den die zukünftigen Zyklen durchgeführt werden sollen. Ein Zyklus behandelt immer einen solchen Betrachtungszeitraum, der sich nahtlos an den vorangegangenen Betrachtungszeitraum anfügt. Es empfiehlt sich, den Betrachtungszeitraum auf eine natürliche, durch die fortlaufende Organisationsplanung bereits gegebene Periode zu legen. Beispielsweise kann dies ein Geschäfts- oder Planungsjahr sein, wodurch übliche periodische Aktivitäten nur erweitert werden müssen.

Beispiel
Das Ziel der Klimaneutralität wird durch die politische Vorgabe als Kompensation der erzeugten Menge CO2-Emissionen vorgegeben. Dabei ist lediglich die Arbeit der Behörde selbst relevant, der mit der Wartung der Sensorik beauftragte externe Dienstleister wird nicht betrachtet.
Sämtliche Mitarbeitende der Behörde werden über diese Vorgaben informiert und bekommen vermittelt, dass dies keine unmittelbaren Auswirkungen auf ihre tagtägliche Arbeit haben wird, sondern es punktuell zu Dokumentationsmaßnahmen kommen kann. Die Abteilungs- und Referatsleitung erhält tiefergehende Informationen zu kommenden Aufgabenverteilungen. 
Es wird zudem eine Stabsstelle eingerichtet, die unmittelbar an die Behördenleitung berichtet und für die weitere Bearbeitung, insbesondere auch für die Dokumentation, verantwortlich ist. 
Der Betrachtungszeitraum und damit die Dauer einer Zyklusschleife wird auf ein Kalender- und Haushaltsjahr festgelegt.

Dokumentation der Arbeitsergebnisse und Beschreibung des Fortschritts

Wichtig für die Bewertung des Fortschritts und zum nachhaltigen Erreichen der Ziele ist eine saubere und stetige Dokumentation während des gesamten Zyklus. Die festgehaltenen Ergebnisse dienen nach dem Durchlauf eines Zyklus dem Nachweis der Zielerreichung, einem Reporting nach außen oder innen sowie als Basis für weitere Iterationen des Zyklus. 

Während der Durchführung des Zyklus werden folgende Dokumente erstellt: 

  • Inventar: Das Emissionsinventar enthält alle Emissionsquellen der Organisation. Es dient als Grundlage für die Kalkulation des Emissionsausstoßes der Organisation.
  • Kalkulation: Die Kalkulation verbindet die Posten des Inventars mit ihren Emissionen. Daraus ergibt sich die Gesamtemission der Organisation. 
  • Fortschrittsbericht: Der Fortschrittsbericht dokumentiert den Fortschritt innerhalb eines Zyklus und wird während des Durchlaufs fortgeschrieben.
  • Abschlussbericht: Der Abschlussbericht schließt einen Zyklus ab und zeigt die Ergebnisse auf. Er dient als Grundlage für den kommenden Zyklus. 

Die zu erstellenden Dokumente müssen Qualitätsansprüchen genügen, damit sie im Zyklus verwertbar sind und als Entscheidungsgrundlage dienen können. Diese Qualitätsansprüche werden durch die folgende Liste definiert:

  1. Relevanz: Alle Dokumente müssen der Entscheidungsebene die notwendigen Informationen bereitstellen. Dies umfasst auch explizit Abgrenzungen zu Themen, die nicht in den Dokumenten erfasst werden. Beispielsweise muss im Inventar beschrieben sein, welche Positionen nicht erfasst werden und wieso dies nicht erforderlich war. 
  2. Vollständigkeit: Alle relevanten Emissionsquellen der Organisation müssen beachtet werden. 
  3. Konsistenz: Die über die Zeit entstandenen Berichte müssen in ihrer Form und ihrem Inhalt konsistent sein. Änderungen in der Form, der Abgrenzung, der Kalkulation oder anderen Punkten müssen klar und transparent kenntlich gemacht und dokumentiert werden.
  4. Transparenz: Die Dokumente müssen Informationen über Methoden, Prozesse, Annahmen und Abgrenzungen enthalten. Diese Informationen sind neutral und verständlich zu kommunizieren. 
  5. Akkuratesse: Die Daten müssen hinreichend präzise sein, so dass auf ihrer Basis Entscheidungen getroffen werden können. Alle Quantifikationen müssen möglichst genau und fehlerfrei sein. 

Beispiel
Die neu geschaffene Stabsstelle der BfUS richtet eine Dokumentation ein und schafft entsprechende Vorlagen. Sie schafft zudem ein Qualitätsmanagement, welches die Dokumente auf Einhaltung der Qualitätsansprüche prüft.

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Berechnung der Emissionen

Der eigentliche Zyklus beginnt mit der Erstellung des Emissionsinventars und der darauf basierenden Berechnung der Organisationsemissionen. Die Posten des Inventars werden durch alle Komponenten der Organisation gebildet, die Emissionen verursachen. Nach der Feststellung dieser Posten ist es möglich, sie im Hinblick auf ihre Emissionen im festgesetzten Betrachtungszeitraum zu bewerten und zu quantifizieren. Dadurch ergibt sich eine Kalkulation der Gesamtemissionen der Organisation. Das Inventar und die darauf aufbauende Kalkulation werden im initialen Fortschrittsbericht des Zyklus zusammengefasst.

Die Kalkulation beginnt mit der Identifikation von Emissionsquellen. Die Grundlage dazu bildet das Greenhouse Gas Protokoll (GHG-Protokoll). Das GHG-Protokoll bildet drei unterschiedliche Gruppen (Scopes) von Emissionsquellen: Die direkten Emissionen (Scope 1), die indirekten Emissionen (Scope 2) und die Emissionen entlang der Wertschöpfungskette (Scope 3). In der Gruppe der direkten Emissionen befinden sich die fossilen Energieträger, die in den eigenen Einrichtungen und der eigenen Fahrzeugflotte verbrannt werden. Zudem müssen hier die physikalischen und chemischen Prozesse ebenso wie der Transport von Material und Personal berücksichtigt werden. Die zweite Gruppe der indirekten Emissionen umfasst die in den Einrichtungen gebrauchte, eingekaufte Elektrizität sowie die beim Endkunden verbrauchte Elektrizität durch Nutzung der Produkte. Die dritte und größte Gruppe der Emissionen entlang der Wertschöpfungskette enthält die erworbenen Güter und Services, Kapitalgüter, vorgelagerte Emissionen von Treibstoff und Energie, Transport- und Verteilwege, erzeugte Abfallprodukte, Dienstreisen und Pendlertätigkeiten der Angestellten. Zudem sind Emissionen zusätzlich angemieteter Güter, der weiteren Verwertung und Gebrauch verkaufter Güter, der End-of-Life-Behandlung verkaufter Produkte sowie Franchises und Investments enthalten.

Die drei Gruppen (Scopes) von Emissionsquellen
Die drei Gruppen (Scopes) von Emissionsquellen

Je nach Art der Organisation müssen die Gruppen der Emissionsquellen angepasst werden. Beispielsweise brauchen bei dienstleistungsorientierten Organisationen viele der hier aufgezählten Quellen nicht beachtet werden. Dies können bei einem Unternehmen, das ausschließlich Dienstleistungen und keine physischen Waren verkauft, die weitere Verwertung und der Gebrauch verkaufter Güter sowie deren End-of-Life-Behandlung unberücksichtigt bleiben.  

Nach der Identifikation selbst folgt die Quantifizierung der Quellen hinsichtlich ihrer Emissionen. Dabei wird in der Regel auf Durchschnittswerte zurückgegriffen, die anschließend mit dem tatsächlichen Verbrauch multipliziert werden. Hilfe dazu bietet beispielsweise die Website des Greenhouse Gas Protocol. Wichtig ist die saubere und vollständige Protokollierung der getroffenen Annahmen und der Quellen dieser Kalkulation für die spätere Nachvollziehbarkeit und für eventuell notwendige Korrekturen.

Beispiel
Die Stabsstelle nimmt ihre Arbeit auf mit der Erstellung eines behördeneigenen Emissionsinventars. Hier werden insbesondere die Arbeiten in der zentralen Dienststelle, die Arbeiten in den dezentralen Standorten sowie das eigene Rechenzentrum analysiert. 
Die Berechnung des CO2-Verbrauchs des Vorjahres folgt nach der Feststellung der Emissionsquellen. Für die Mitarbeitenden werden, getrennt nach ihren Einsätzen (zentral, dezentral, Rechenzentren), realistische Pauschalwerte ermittelt. Zudem werden die Dienstreisen insbesondere zu den Aufstellorten der Sensorik betrachtet. Bei der Sensorik und der Hardware im Rechenzentrum geben Herstellerangaben und eigene Messungen Aufschluss über Energieverbrauch in der Anwendung, Herstellung und End-of-Life-Behandlung. Der Energieverbrauch wird je nach Art der Energiequelle in Emissionsverbrauch umgerechnet.

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Klassifikation des Emissionsinventars

Das Ziel dieses Schrittes im Zyklus ist die Vorbereitung der dauerhaften Absenkung der gesamten Organisationsemissionen. Die Grundlage dazu bildet insbesondere das erstellte Inventar. Dieses soll nun in die Kategorien „Vermeidbar“, „Potenziell zu vermindern“ und „Zwingend notwendig“ unterteilt werden, sodass ein fortgeschriebenes, klassifiziertes Inventar am Ende des Schrittes entstanden ist. 

Die Kategorie „Vermeidbar“ soll sämtliche Posten des Inventars enthalten, die ersatzlos gestrichen werden können. Sofern auf einen Posten zwar nicht verzichtet, er jedoch durch ein funktional ähnliches, aber klimaneutraleres Substitut ersetzt werden kann, wird es in die Kategorie „Potenziell zu vermindern“ eingeordnet. Unter „Zwingend notwendig“ fallen all jene Posten, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht verändert werden können, wie beispielsweise Emissionen durch Fahrten für notwendige Vor-Ort-Arbeiten.

Die Klassifikation bedarf einer genauen Untersuchung der einzelnen Posten. Für jeden Posten muss festgestellt werden, wieso er in der jetzigen Form existiert. Anschließend muss bewertet werden, ob er in genau der existierenden Form gebraucht wird, ob lediglich dessen Zweckerfüllung gebraucht wird oder ob diese sogar vollständig aufgegeben werden kann. 

Der Bericht wird mit den Informationen über die Untersuchung der Posten und die Entscheidungen ebenso fortgeschrieben und angereicht wie das Inventar mit der Klassifizierung seiner Posten.

Beispiel
Das von der BfUS ermittelte Emissionsinventar wird durch Rücksprache der jeweils verantwortlichen Organisationseinheiten klassifiziert. 
Der Kategorie „Zwingend notwendig“ werden die Arbeitsplatzausstattung des Personals und die Dienstreisen zur Sensorik für die Vor-Ort-Arbeiten zugeordnet. Der Einsatz der Hardware im Rechenzentrum wird der Kategorie „potenziell zu vermindern“ zugeschrieben. Anhand einer Analyse weiterer Dienstreisen von der zentralen Dienststelle zu den dezentralen Standorten wurde festgestellt, dass die dabei anfallenden Arbeiten auch durch Mitarbeitende vor Ort übernommen werden können. Diese Dienstreisen werden als „Vermeidbar“ eingestuft. 

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Vermeidung unnötiger Emissionen

Diese Phase im Zyklus soll die nicht notwendigen Posten im Inventar abschaffen und die Emissionen drastisch senken. Die Vermeidung ist bei der Einsparung von Emissionen das effektivste Mittel und führt im späteren Verlauf des Prozesses bei der Kompensation zu den deutlichsten Einsparungen. Dieses Vorgehen ist in den Leitprinzipien der Nachhaltigkeit unter dem Namen Suffizienzprinzip bekannt (siehe Kasten im Fazit).

Die Grundlage für diesen Prozessschritt bildet das klassifizierte Inventar, das in Schritt 2 erstellt wurde. Dort sind sämtliche Posten im Inventar aufgeführt, die nicht notwendig sind und ersatzlos gestrichen werden können. Die Abschaffung des Postens organisatorischer Art lässt sich in der Praxis in einigen Fällen nicht ohne aufwendigen Change-Prozess durchführen. Ein Posten materieller Art kann hingegen recht mühelos abgeschafft werden. Stellt sich heraus, dass der Posten entgegen den Erwartungen nicht abgeschafft, sondern nur ersetzt werden kann, wird dieser nachträglich der Kategorie „Potenziell zu vermindern“ zugeordnet. 

In diesem Prozessschritt wird das Inventar entsprechend den vorgenommenen Änderungen angepasst. Auch wird der Bericht fortgeschrieben, und die durchgeführten Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Kalkulation werden dokumentiert. 

Beispiel
Die identifizierten vermeidbaren Dienstreisen wurden bislang von Mitarbeitenden ausgeführt, die ausschließlich am zentralen Standort angesiedelt waren und Arbeiten in den dezentralen Standorten durchführen mussten. Durch Schulungen des Personals in den dezentralen Standorten und den Einsatz von geringfügiger Videotelefonie können diese Dienstreisen jedoch vollständig abgebaut werden. Der Einsatz dieser Videokonferenzen kann durch die bereits angesetzte Pauschale pro Mitarbeitenden abgebildet werden und muss somit nicht im Inventar eigenständig geführt werden.

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Verminderung unvermeidbarer Emissionen

Der letzte Schritt im Zyklus hat das Ziel einer Minderung der Emissionen von möglichst vielen bestehenden Posten im Inventar. Hier steht jedoch nicht die Abschaffung der Inventarposten, sondern der Ersatz durch ein funktional gleiches oder ähnliches, aber klimafreundlicheres Substitut im Vordergrund. Die Grundlage dafür bildet ebenso wie im vorangegangenen Schritt das klassifizierte Inventar. Dieser Schritt kann dem Leitprinzip der Effizienz und/oder der Konsistenz entsprechen (siehe Kasten im Fazit). 

Für jeden Posten wurde bereits im zweiten Schritt eine Beschreibung im Bericht eingefügt. In diesem Schritt muss jedem Posten eine genaue Beschreibung der Funktionalität hinzugefügt werden, sodass im Anschluss entweder eine Strategie zur Minderung des Verbrauchs erarbeitet oder die Suche nach einem passenden Substitut erfolgen kann. Im Hinblick auf ihre Klimafreundlichkeit werden dafür alle in Frage kommenden Substitute bewertet; wobei dafür dieselben Berechnungen zugrunde gelegt werden wie für den jeweiligen Posten in Schritt 1 (Berechnung). Anhand dieser Bewertung kann festgestellt werden, ob sich ein Austausch des Postens positiv auf die Klimabilanz auswirken würde oder nicht. Das beste Substitut sollte dann übernommen werden, wobei beachtet werden muss, dass in nahezu allen Organisationen auch noch die wirtschaftliche Betrachtung dieser Änderung eine Rolle spielen wird. Dennoch müssen die gefundenen Substitute, deren Bewertungen und die Entscheidung für oder gegen einen Austausch im Bericht festgehalten werden. Ebenso ist es erforderlich, dass das Inventar und dessen Emissions-Quantifizierung den Änderungen entsprechend angepasst wird.

Beispiel
Die im Rechenzentrum verwendete Hardware wurde der Kategorie „Potenziell zu vermindern“ zugeordnet. Im Rahmen der End-of-Life-Behandlung und dem damit einhergehenden Austausch der Hardware wird zukünftig neben Preis und Leistung auch der CO2-Verbrauch bei der Auswahl berücksichtigt. Noch in diesem Jahr kann die BfUS einige Router austauschen, welche bei gleicher Leistung im Mittel weniger CO2-Ausstoß verursacht. Zudem wird der Energielieferant gewechselt, sodass pauschal für sämtliche Geräte weniger Emissionen produziert werden. 

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Kompensation der in der Vergangenheit produzierten Emissionen

Nach der Feststellung der Gesamtemissionen des betrachteten Zeitraums sowie (ab dem zweiten Durchlauf) der Vermeidung bzw. Verminderung von Emissionen folgt deren Kompensation. Das Überspringen der drei Phasen Klassifikation, Vermeidung und Verminderung sorgt im ersten Durchlauf des Zyklus für einen geordneten Start und eine Kompensation der tatsächlich erzeugten Emissionen. Ab dem zweiten Durchlauf sorgen die nun zu durchlaufenden Phasen für ein beständiges Überdenken der Handlungen der Organisation und der konsequenten Ausrichtung an klimagerechtem Handeln.

Die Grundlage für diesen Schritt bildet das Inventar und die Kalkulation. Die gesamten Emissionen der Organisation des vergangenen Betrachtungszeitraumes sind bekannt und sollen nun durch Kompensation ausgeglichen werden. 

Zur Kompensation bieten sich eine Reihe von Verfahren an, wie beispielsweise Klimaschutzprojekte oder Senkenprojekte. Erstere vermeiden Emissionen an anderer Stelle, letztere entziehen der Erdatmosphäre dauerhaft die Emissionen und binden sie wieder. Wichtig ist dabei, dass das gewählte Verfahren unabhängig zertifiziert wurde. Die Kompensation selbst kann eine Organisation dann in der Regel durch Zertifikathandel erreichen: Der Verkäufer des Zertifikats, zum Beispiel ein Klimaschutzprojekt, weist mit dem Zertifikat nach, dass er eine definierte Menge an Emissionen verhindert oder gebunden hat. Der Käufer übernimmt mit dem Kauf diese positive Bilanz und kann somit seine eigenen Emissionen ausgleichen. 

Der Nachweis der Kompensation muss in den Fortschrittsbericht aufgenommen werden. Für den betrachteten Zeitraum ist die Organisation nun klimaneutral. Die Kompensation unterliegt jedoch natürlichen Begrenzungen, sodass ein rein rückwärtsgewandtes Kompensieren nicht dauerhaft nachhaltig sein kann. Stattdessen müssen Maßnahmen eingeleitet werden, welche die Gesamtemissionen der Organisation senken und die Organisation dauerhaft nachhaltig gestalten. Diese Maßnahmen werden in den nächsten Schritten erläutert. 

Beispiel
Zur Kompensation der ermittelten Emissionen wird ein zertifiziertes (Senken-)Projekt zur dauerhaften Aufforstung von Waldfläche unterstützt. Dabei wird langfristig etwas mehr CO2 gebunden als die Behörde im letzten Jahr verbraucht hat. 

Fazit und weitere Hinweise

Der hier gezeigte Ansatz ermächtigt eine Organisation zum nachhaltigen, klimaneutralen Handeln und Wirken. Durch die Etablierung des hier gezeigten Zyklus kann die Organisation ihre originären Ziele verfolgen, sorgt aber kontinuierlich für eine Verbesserung ihres ökologischen Fußabdrucks. Zudem können die Fortschritte regelmäßig berichtet werden und damit evtl. vorhandenen Vorgaben zum Berichtswesen nachgekommen werden, ohne weitere Arbeiten darauf verwenden zu müssen. 

Eine optimale Organisation würde nur genau die Emissionen verursachen, die unabdingbar für die Erfüllung ihrer Aufgaben ist und diese Emissionen unmittelbar im Anschluss mithilfe geeigneter Maßnahmen kompensieren. Dieses Prozessmodell sorgt für eine iterative Annäherung an ein solches Optimum: Durch die zyklische Wiederholung und der damit einhergehenden und beständigen Anpassung an die Organisation, auch bei Änderungen an der Organisation selbst, werden mit der Zeit nicht notwendige Emissionen auf ein Minimum begrenzt. Zudem sorgt die frühzeitige Kompensation der im ersten Schritt des Zyklus festgestellten Emissionen für eine zeitnahe Aufhebung der negativen Emissionsbilanz. Die anschließenden Schritte im Zyklus senken die Emissionslast und damit auch die Kompensationskosten in den folgenden Wiederholungen.

Die Umsetzung dieses Ansatzes wird einiger Anstrengungen bedürfen, sich durch die zyklische Wiederholung jedoch mit der Zeit im normalen Tagesgeschäft integrieren. Somit schafft die Zyklusstruktur eine Nachhaltigkeit in der Klimaneutralität der Organisationen, die diesen Ansatz verfolgen.

Beispiel
Die BfUS konnte ihren ersten Zyklus abschließen und hatte durch die beständige Dokumentation zum Ende ihres ersten Zyklus bereits einen vollständigen Fortschrittsbericht, den sie vorlegen konnte. Der Aufwand für die bisherigen Mitarbeitenden hält sich in Grenzen. Einige dedizierte Rollen wurden jedoch geschaffen, die mit der Zeit ihre Aufgabenerfüllung professionalisieren können. Langfristiges Ziel der BfUS ist nach dem ersten Durchlauf des Zyklus die Verlagerung des Rechenzentrums in die Cloud, sodass durch die Bündelung der Aufgaben weniger CO2 in dem eigenen Rechenzentrum aufkommt. 

Zusätzlich gilt es bei der Umsetzung dieses Prozessmodells zu beachten, dass Umstrukturierungen, Wachstum oder sonstige Veränderungen unmittelbaren Einfluss haben auf die Erstellung des Emissionsinventars, die Berechnung der Emissionen, den Umfang der betrachteten Organisation oder die Durchführung des Modells im Allgemeinen. So sind beispielsweise erstmalig aufgestellte Kenngrößen wie die absolute Anzahl der Dienstreisen wertvolle Angaben bei den Bemühungen um die Reduktion der dabei produzierten Emissionen. Sie verlieren jedoch ihre Aussagekraft, sofern die Anzahl der Außendienstmitarbeiter insgesamt wächst und somit auch die Notwendigkeit der absoluten Anzahl an Dienstreisen. Damit steigt notwendigerweise auch der absolute Ressourcenverbrauch, trotz der Bemühungen, diese zu senken. Es ist also wichtig, dass Zielgrößen und die gemachten Fortschritte immer in Bezug zur Struktur der Organisation formuliert und kontrolliert werden. In diesem Fall böte sich die Anzahl der Dienstreisen pro Mitarbeiter oder pro Kunde an. Ein verfälschtes Bild einer wachsenden Anzahl absoluter Dienstreisen wird durch die Kontrolle der relativen Anzahl Dienstreisen somit vermieden. Die strukturierte Erhebung der Datenquellen, die Erstellung von geeigneten Datenmodellen und die Formulierung maßgeschneiderter Kennzahlensystemen ist unabdingbar für erfolgreiche Etablierung eines solchen Prozesses. 

Infokasten: Die drei Leitprinzipien der Nachhaltigkeit

Konsistenz: Fokus auf Naturverträglichkeit der eigenen Aktionen und Technologien. Die Ausübung der notwendigen Aktionen sollen die Ökosysteme nicht zerstören.
Suffizienz: Fokus auf Minderung des Ressourcenverbrauchs. Nicht notwendige Ressourcen sollen nicht verbraucht werden, um somit die Umwelt zu schonen.
Effizienz: Fokus auf Produktivität der genutzten Ressourcen. Alle eingesetzten Mittel sollen möglichst ergiebig verwendet werden. 

Artikel von:
Ihno_Malzkuhn
Ihno Malzkuhn
Senior Consultant
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