
Mit dem Community Lab Zukunft gestalten
Die Deutsche Rentenversicherung Bund steht vor großen Herausforderungen, die nicht nur das heutige Arbeitsumfeld prägen, sondern auch die Zukunftsfähigkeit der Organisation entscheidend beeinflussen. Mit einem innovativen Ansatz möchte die DRV Bund proaktiv Lösungen entwickeln, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. Cassini unterstützte die Konzeption und Erprobung des so genannten Community Labs über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Erfahrungen und Lehren aus diesem iterativen Prozess möchten wir im Rahmen dieses Beitrags teilen.
Die Herausforderungen sind vielfältig
Die DRV Bund sieht sich mit einem doppelten demografischen Wandel konfrontiert: Auf der einen Seite scheiden gut qualifizierte Fachkräfte aus dem Arbeitsleben aus und Stellen können nur schwer nachbesetzt werden. Auf der anderen Seite steigt das Aufgabenvolumen, da immer mehr Beschäftigte in den Ruhestand gehen.
Zusätzlich verändern sich die Wünsche der Kund*innen: Sie sind aus anderen Bereichen des Alltags an digitale und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Angebote gewohnt und erwarten dies nun auch bei der Kommunikation mit der DRV Bund. Diese und weitere sich ständig verändernde Rahmenbedingungen verlangen eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität von der Organisation und den Mitarbeitenden.
Die DRV Bund hat deshalb verschiedene Maßnahmen initiiert, um den wachsenden Anforderungen zu begegnen. Eine dieser Maßnahmen ist der Aufbau des Community Labs.
Die Idee: Ein Innovationslabor, in dem Optimierungen von und für die Sachbearbeitung umgesetzt werden
Die Grundidee hinter dem Community Lab ist, dass Mitarbeitende aus der Organisation am besten wissen, wo der Schuh drückt. Mit dem Community Lab soll ein Raum geschaffen werden, in dem von und für die Mitarbeitenden konkrete Lösungen entwickelt, validiert und in den Rollout gebracht werden, die den Arbeitsalltag unmittelbar verbessern. Im Fokus stehen Optimierungen in den Bereichen Arbeitsorganisation, Prozesse und IT.
Im Community Lab arbeitet ein festes Team mit Methodenexpertise, welche die einzelnen Lösungsentwicklungsprozesse begleitet. Für die einzelnen Lösungsentwicklungsprozesse werden temporäre cross-funktionale Teams gebildet. Bestehend aus einzelnen Lab-Teammitgliedern sowie Expert*innen aus der Sachbearbeitung und den Fachabteilungen (IT, Recht etc.). Größe und Zusammensetzung des Teams richten sich nach der jeweils erforderlichen Expertise. Der Lösungsentwicklungsprozess fußt auf klar definierten Phasen und Rollen. Das Lab-Personal führt durch den Prozess und unterstützt diesen durch passende Methoden für die Problemlösungen und Ideenfindung.
Lehren für den Aufbau von Innovationslabs in der öffentlichen Verwaltung
Die DRV Bund ist mit ihrer Idee nicht alleine. Auch andere Organisationen machen sich auf den Weg und entwickeln Innovationseinheiten und -labore, um ihren häufig sehr ähnlichen Herausforderungen zu begegnen. Daher lassen sich unsere zentralen Lehren auch auf andere Organisationen übertragen. Unsere Tipps und Hinweise möchten wir im Folgenden mit Ihnen teilen.
1. Externe und interne Erfahrungen nutzen
Zu Beginn der Konzeptionsphase wurden sowohl Gespräche mit Innovationslaboren anderer Organisationen als auch mit relevanten Vertreter*innen der eigenen Organisation geführt. Auf diesem Wege wurden zahlreiche inhaltliche Impulse für die Konzeption generiert.
Jede Organisation tickt anders und in jeder Organisation gibt es Menschen, die bereits ähnliche Erfahrungen gesammelt und ihren eigenen Weg gefunden haben, Herausforderungen zu meistern. Führen Sie Gespräche im Haus, um aus dem Erfahrungsschatz der Kolleg*innen zu lernen und nutzen Sie diese Gespräche auch, um Schnittstellen und potenzielle Synergien zu identifizieren und die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu legen.
2. Zentrale Leitplanken formulieren
Die oben formulierte Lab-Idee bildete den Ausgangspunkt für die Projektphase. Im Projektverlauf zeigte sich aber schnell, dass dieser Idee viele unterschiedliche Bilder in den Köpfen der beteiligten Stakeholder gegenüberstanden. Diese reichten von einem flexibel abrufbaren Team mit Methodenexpertise bis zum Rund-um-Lösungsentwickler für alle Herausforderungen der Organisation. Um zu verhindern, dass sich individuelle Erwartungen und daraus entstehende Narrative in der Organisation verfestigen, ist entscheidend, dass Sie frühzeitig Leitplanken definieren und mit zentralen Stakeholdern abzustimmen, was das Lab leisten soll und was nicht.
3. Erproben, erproben, erproben
Ein Lab lässt sich nur begrenzt am grünen Tisch konzipieren. Rollen und Prozesse können entwickelt und durch externe und interne Impulse sowie Feedback geschärft werden. Einen klaren Blick darauf, was funktioniert und was nicht, bekommt man allerdings erst, wenn Ergebnisse in der Praxis erprobt werden. Führen Sie daher frühzeitig Lösungsentwicklungsprozesse durch und überprüfen Sie so die gemachten Annahmen.
Hierbei hat es sich bewährt, in der Organisation auf bereits existierende Ideen zurückzugreifen. Zum einen minimieren Sie hiermit den Weg von der Ideenfindung bis zum Lösungsentwicklungsprozess, zum anderen lösen Sie bekannte Schmerzpunkte in der Organisation und können hierdurch gut kommunizierbare Erfolge generieren.
4. Lessons Learned systematisch evaluieren und nutzen
Während der Projektlaufzeit wurden insgesamt fünf Ideenentwicklungsprozesse zu unterschiedlichen Fragestellungen und mit unterschiedlichem Umfang begleitet. Diese iterativen Tests waren entscheidend, um Prozesse und Rollenmodelle weiterzuentwickeln.
Für jede Erprobung sollten Sie mindestens einmal während und jeweils zum Abschluss des Prozesses systematisch Lessons Learned erheben und hieraus Erkenntnisse und gezielte Anpassungen der Konzepte ableiten. Hilfreich ist es, wenn Sie mit Hypothesen arbeiten, die Sie im Laufe der Erprobung überprüfen.
5. Führungskräfte einbinden
Maßgeblich für den Erfolg ist, dass Mitarbeitende sich über einen festen Zeitraum an einem Prozess beteiligen und ihre Expertise in die Entwicklung einer Lösung einbringen. Für diese Beteiligung sollte ausreichend Zeit neben der Linientätigkeit zur Verfügung stehen.
Deshalb ist es wichtig, dass auch die Führungskräfte der Mitarbeitenden von der Relevanz überzeugt sind, ihre Mitarbeitenden zur Beteiligung ermutigen und ihnen die notwendige Rückendeckung geben. Nicht zuletzt sind Führungskräfte auch für die spätere Überführung der entwickelten Lösung in die Linie und somit für die Begleitung des damit einhergehenden Veränderungsprozesses von Bedeutung.
Binden Sie Führungskräfte frühzeitig ein und vermitteln Sie ihnen den Nutzen des Labs und des individuellen Prozesses. Gestalten Sie die Einbindung bedarfsgerecht gemeinschaftlich oder über bilaterale Gespräche.
6. Sponsorship für das Lab gewinnen
Das Lab-Team braucht Rückhalt und Unterstützung durch einen Sponsor oder eine Sponsorin aus dem Management. Aufgabe ist es, die notwendige Zeit zu verschaffen, um Strukturen zu durchdenken und aufzubauen. Hierbei muss stetig Überzeugungsarbeit auf Entscheidungsebene für die Beteiligung an Erprobungen geleistet werden und dafür, neue Arbeitsweisen und Wege der Zusammenarbeit auszuprobieren und zu erlernen.
Die Rolle sollte über Stellung und Mandat verfügen, die im Lab entwickelte Lösungen schnell in den Rollout zu bringen und so dabei zu unterstützen, dass konkrete Ergebnisse für die Mitarbeitenden in der Organisation sichtbar und erlebbar werden.
7. Etablierte Arbeitsweisen und Methoden nutzen
Die Arbeitsweisen und Rollen im Community Lab orientieren sich an etablierten Vorbildern aus der agilen Welt, insbesondere dem SCRUM-Framework und den Methoden und Grundideen des Design Thinkings. Die Orientierung hieran bietet viele Vorteile: Sie passen gut zum agilen Arbeitskontext im Community Lab und setzen auf hohe Eigenverantwortung der Teammitglieder und wenige aber dafür klar definierte Rollen. Gleichzeitig kann das Lab-Personal auf Erfahrungen aufbauen, das es mit den Rollen bereits in anderen Kontexten gesammelt hat.
8. Arbeitsweisen und Rollen müssen geübt werden
Die effektive Nutzung der agilen Arbeitsweisen und Rollen ist ein zentraler Hebel für die erfolgreiche Umsetzung einer Erprobung – in der erhofften Zeit und mit dem erhofften Ergebnis.
Planen Sie deshalb im Prozess hinreichend Zeiten für das Erläutern, Erlernen und Festigen von Arbeitsweisen und Rollen ein. Hierfür sollten Sie nicht nur zu Beginn, sondern während des gesamten Prozesses, gezielte Impulse setzen, beispielsweise durch kleine Learning-Nuggets zu Beginn jedes Termins.
9. Viel und frühzeitig kommunizieren
Eine zentrale Erkenntnis aus der Projektphase war: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Wenn man nicht aus dem Projekt heraus kommuniziert, entwickelt sich schnell ein eigenes Narrativ im Haus, denn Mitarbeitende haben Interesse, mehr über die Ausgestaltung des neuen Bereichs zu erfahren.
Beim Aufbau eines Labs sollten Sie deshalb frühzeitig und regelmäßig zum Prozess und den erarbeiteten Inhalten kommunizieren. Wichtig ist es dabei auch, dass Sie Erfolge sichtbar machen, um Skepsis abzubauen, weitere Fürsprecher zu gewinnen und Mitarbeitende zur Teilnahme an den Formaten zu gewinnen.
Hierbei hilft ein Kommunikationskonzept, in dem zentrale Botschaften für Zielgruppen in der Organisation und mögliche Formate formuliert werden. Für die einzelnen Erprobungen sollten Sie ein einfaches Schema aufsetzen, in dem festgehalten wird, wann und zu welchen Aspekten standardmäßig kommuniziert werden soll.
Die Reise geht weiter
Mit dem Community Lab hat die DRV Bund einen mutigen und innovativen Ansatz gewählt, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Indem die Mitarbeitenden aktiv in den Optimierungsprozess eingebunden werden, entsteht nicht nur praxisnahe Innovation, sondern auch eine stärkere Identifikation mit den Lösungen. Jetzt geht es darum, erfolgreich den Schritt vom Projektstatus in die Linie zu schaffen und die ersten Erfolge zu verstetigen und zu skalieren.