Portalkonsolidierung Bund
Öffentliche Verwaltung

Braucht Deutschland eine „Portal- und Servicekonten-Konsolidierung Bund“?

Das OZG verpflichtet Bund und Länder zur Verknüpfung aller Portale zu einem Portalverbund. Interoperable Nutzerkonten sollen dort Anmeldung und Authentifizierung erleichtern und die ständige Erstellung neuer Servicekonten vermeiden. Doch für ein schlankes IT-Management muss die Anzahl an technischen und organisatorischen Schnittstellen reduziert werden – erforderlich ist eine Konsolidierung von Basisdiensten (Portale und Nutzerkonten) nach Vorbild der IT-Konsolidierung Bund.

Vor fünf Jahren wurde das viel diskutierte „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“ – besser bekannt unter „Onlinezugangsgesetz“ oder OZG – verabschiedet. Das Vorhaben der Digitalisierung von ca. 600 Verwaltungsleistungen in Bund, Ländern und Kommunen wird zum Zieldatum des 31.12.2022 nicht beendet und ein Großteil der Verwaltungsleistungen noch nicht digital sein. Zudem werden viele Online-Dienste den avisierten OZG-Reifegrad 4 (vollständig digitale Abwicklung, Nachweise erfolgen nach Once-Only-Prinzip, Übernahme von Daten aus beliebigem Servicekonto) nicht erreichen. Die Diskussionen um die Erfüllung des OZG drehen sich primär um die zu digitalisierenden Formulare – dabei gibt es auch Verbesserungspotenziale im Kontext der Basisdienste wie Portale und Nutzerkonten.

Die Ausgangslage – eine Vielzahl von Portalen und dazugehörigen Nutzerkonten

Bereits im ersten Paragraphen des OZG schreibt der Gesetzgeber vor: „Bund und Länder sind verpflichtet, ihre Verwaltungsportale miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen.“ Bürgerinnen und Bürger können seit Ende 2020 unter verwaltung.bund.de ihre Anliegen über die Stichwortsuche suchen und finden. Den Betrieb dafür hat der ITZBund übernommen. Parallel dazu betreibt die Föderale IT-Kooperation (FITKO) die Plattform servicesuche.bund.de. Hier können zusätzlich zum Anliegen direkt Ort oder Postleitzahl eingegeben werden. Beide Portale bilden eine umfangreiche Informationsgrundlage für Behördengänge, ob online oder in Person, ab.

Neben den beiden genannten Bundesportalen existieren zahlreiche Landes- und Kommunalportale sowie Fachportale, zu denen die Online-Angebote der berufsständischen Selbstverwaltungen, Krankenkassen und vielen weiteren öffentlichen Organisationen zählen – teilweise regional oder thematisch unterteilt. Es ist davon auszugehen, dass vor allem Selbstständige und Unternehmen eine Vielzahl von Portalen ansteuern müssen, um ihre Verwaltungsangelegenheiten bei Staat und Kammern abzuwickeln. Abhilfe bei Login und Formulareingaben sollen interoperable Nutzerkonten schaffen.

Erleichterung bei Online-Verfahren und Behörden-Kommunikation durch interoperable Nutzerkonten

Das lässt sich am Beispiel der Anmeldung an einem neuen Wohnort veranschaulichen: Eine Bürgerin zieht zwischen zwei Bundesländern um. Die Gemeinde des neuen Wohnorts bietet die Anmeldung des Wohnsitzes online an und die Bürgerin hat die Möglichkeit, sich mit einem bereits erstellten Servicekonto anzumelden. Die dort hinterlegten Daten werden im Hintergrund abgeglichen und müssen nicht erneut eingegeben werden (Once-Only-Prinzip). Nach erfolgreicher Authentifizierung der Bürgerin kann die Ummeldung erfolgen – alle bereits vorhandenen Informationen werden im Online-Formular eingesetzt, sodass nur noch bei Bedarf ergänzende Informationen eingetragen werden müssen. Der Bescheid wird digital im Postfach des bereits existierenden Servicekontos hinterlegt. Zusätzlich dazu erhält die Nutzerin einen Link zum Postfach des Servicekontos im neuen Bundesland. Anschließend kann der Bescheid heruntergeladen und weiterverwertet werden.

Vier ausgewählte Szenarien für eine konsolidierte Portal- und Nutzerkonten-Landschaft

Die Verknüpfung aller Bund- und Landesportale zu einem Portalverbund sowie die beschriebenen interoperablen Nutzerkonten bilden die derzeit stark dezentralisierte, föderale Landschaft ab. Doch welche Szenarien sind für die Weiterentwicklung und vor allem Optimierung dieser denkbar? Beim Polaritätenprofil dezentralisiert vs. zentralisiert ergeben sich mindestens vier Szenarien:

  • Dezentralisiert: zahlreiche Portale je Bundesland und auf Bundesebene und dazugehörige, teilweise noch nicht interoperable Nutzerkonten (Status Quo)
  • Föderal-dezentralisiert: wenige Portale und wenige interoperable Nutzerkonten je Bundesland und auf Bundesebene
  • Föderal-zentralisiert („16+1“): ein Portal und ein Nutzerkonto je Bundesland sowie auf Bundesebene
  • Zentralisiert und konsolidiert: ein Portal und ein Nutzerkonto für alle Verwaltungsleistungen

Szenario 1: Dezentralisiert

Bereits vor der OZG-Umsetzung wurden den Bürgerinnen und Bürgern Portale als digitale Einfallstore in das behördliche Antragswesen bereitgestellt. Im Zuge der OZG-Umsetzung wurde diesen eine besondere Rolle zuteil: viele digitalisierte Verwaltungsleistungen werden in bestehende Portale integriert.

Dabei sind viele Portale fachlich ausgerichtet und bieten den Nutzenden einen fokussierten, jedoch limitierten Umfang an. Der wird meist von der sachbearbeitenden Stelle vorgegeben: so gibt es Polizei-Portale für Anliegen, die sonst auf einer Wache erledigt werden oder Agrar-Portale für Anliegen aus der Landwirtschaft. Der Anzahl an Portalen ist bei der schieren Menge an Anträgen und Formularen kaum eine Grenze gesetzt.

Damit einher geht die Anzahl an möglichen Nutzerkonten für jedes dieser Portale. Bei mangelnder Herstellung der im Beispiel erläuterten Interoperabilität sind Nutzende dazu gezwungen, stets neue Login-Daten zu generieren. Insbesondere für Personen oder Unternehmen, die häufig in Kontakt mit digitalen Leistungen kommen, kann das Verwalten von Benutzernamen, Passwörtern und PINs zur Herausforderung werden.

Szenario 2: Föderal-dezentralisiert

Abhilfe kann die Festlegung auf einige bestimmte Portale als primärer Zugangspunkt für verschiedene, grob gefasste Arten von digitalen Verwaltungsleistungen schaffen. So bündelt beispielsweise Hessen mit dem „Verwaltungsportal Hessen“ (ehemals Hessen-Finder) ein Online-Angebot bestehend aus Leistungen von Bundes- und Landes- sowie kommunalen Behörden. Auch NRW hat mit dem Wirtschafts-Portal-Gesetz die rechtliche Grundlage für ein zentrales Portal für Unternehmensleistungen geschaffen. Die saarländische und rheinland-pfälzische Onlinewache ermöglicht die digitale Abwicklung verschiedener Strafanzeige-Erstattungen.

Eine solche thematische Bündelung und Fokussierung auf ein zentrales Portal geht einher mit der Reduktion von Authentifizierungsmöglichkeiten. Mittlerweile bieten alle Bundesländer mindestens ein sogenanntes Servicekonto an, über das sich natürliche Personen identifizieren können. Zusätzlich wird oft auch die Möglichkeit eingeräumt, ein Konto für Organisationen wie Vereine zu erstellen. Unternehmen wird vor allem mit dem ELSTER-Unternehmenskonto ein immer umfangreicheres Angebot zur Abwicklung steuerlicher sowie unternehmerischer Angelegenheiten gemacht.

Szenario 3: Föderal-zentralisiert

Ein „16+1“-Szenario würde den föderalen Strukturen der Bundesrepublik in besonderem Maße Rechnung tragen. Dazu müssten die thematischen Portale (Wirtschaft, Polizei, Landwirtschaft usw.) wiederum unter ein gemeinsames Dach gebracht werden. Dies kann in einer ersten Ausbaustufe durch einfache Verlinkung vom Hauptportal des Landes auf die jeweiligen Portale selbst erfolgen. Mit Blick auf die digitalrechtlichen Vorgaben insbesondere in der EU wäre die letzte Ausbaustufe aber ein Portal, in dem jegliche Angelegenheiten unabhängig vom Anliegen abgewickelt werden können.

Durch die vielen Zuständigkeiten und unterschiedlichen Aufbaustrukturen der Länder, z.B. Stadtstaaten vs. Flächenländer, und dem Prinzip kommunaler Selbstverwaltung ist neben dem Betrieb eines Landesportals die Integration vieler einzelner Online-Dienste notwendig. Die bereits bestehenden Authentifizierungsmöglichkeiten wie BayernID, Amt24-Servicekonto und die übrigen Nutzerkonten gewährleisten eine einfache Anmeldung und Kommunikation zwischen Antragstellenden und Behörde.

Die anhand des Beispiels Wohnortwechsel beschriebene Interoperabilität der Nutzerkonten ermöglicht den Nutzenden auch bei Umzug zwischen den jeweiligen Bundesländern eine reibungslose Wahrnehmung von Online-Angeboten. Jedoch ist fraglich, ob in diesem Fall auch lange nach dem Umzug in ein neues Bundesland noch mit dem „alten“ Nutzerkonto Behörden-Angelegenheiten wahrgenommen werden oder sich die Nutzenden vielmehr mit ihrem neuen Wohnort identifizieren und ein weiteres Nutzerkonto anlegen würden.

Szenario 4: Zentralisiert und konsolidiert

Das eingangs erwähnte Bundesportal (verwaltung.bund.de) hat den primären Zweck, online nutzbare Leistungen von Bundesbehörden bereitzustellen. Es ist denkbar, dass das gleiche Portal als einziger Zugangspunkt für Verwaltungsleistungen zur Verfügung steht und sämtliche Leistungen von Landes- und Kommunalbehörden in einer übersichtlich eingerichteten Substruktur nicht nur auffindbar, sondern auch bearbeitbar sind. Verbunden mit einer ausgereiften Postleitzahl- und Schlagwortsuche kann die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Abwicklung aller Anliegen und jeglicher Kommunikation mit Behörden an einem zentralen Ort erfolgt.

Die dafür notwendige Authentifizierungs- und Kommunikationsmöglichkeit wurde bereits mit dem Nutzerkonto Bund (bundID) geschaffen. Bei der Kontoerrichtung kann unter verschiedenen Sicherheitsniveaus gewählt werden – von der Benutzername-Passwort-Kombination über ELSTER-Zertifikat bis hin zur Online-Ausweisfunktion des Personalausweises. Jüngst kündigten drei Bundesländer (Hessen, Saarland und Sachsen-Anhalt) an, ihre eigenen Nutzerkonten sukzessive aufzugeben und ausschließlich auf die bundID zurückzugreifen.

Eine Vereinfachung der Anmeldemöglichkeit, beispielsweise durch Rückgriff auf die bereits bei Geburt vergebene Steueridentifikationsnummer, wird oft unter Verweis auf den Datenschutz kritisch gesehen. Digitalisierungsprojekte anderer EU-Mitgliedsstaaten wie beispielsweise Estland zeigen aber: Eine Kombination aus rechtlichen Verpflichtungen (beispielsweise zum Besitz eines elektronischen Personalausweises), ausgeprägter Cyber-Sicherheit sowie Vertrauen der Bevölkerung in die digitale Souveränität des Staates machen eine zentralisierte Verwaltung möglich.

Konsolidierung für die Nutzerfreundlichkeit und das IT-Management unerlässlich

Das Verfolgen eines bestimmten Zielbildes ist stark von der IT-strategischen Herangehensweise des Gesetzgebers sowie anders initiierter Konsolidierungs-Aktivitäten der Portal- und Nutzerkonten-Betreiber abhängig. Eine vollumfängliche Bewertung der Für- und Wider-Argumente unter rechtlichen, organisatorischen, technischen und finanziellen Gesichtspunkten braucht Zeit und Diskussionsraum.

Als Impuls sollten sich die mit der Umsetzung des OZG befassten Verantwortlichen auch mit möglichen Konsolidierungsszenarien im Bereich der Basisdienste auseinandersetzen. Aus unserer Sicht stellen viele identische Basisdienste wie Portale, Schlagwortsuchen und Nutzerkonten einen Komplexitäts- und Kostentreiber dar, die für viele Beteiligte wie Nutzende und IT-Dienstleistende neben der Usability auch das IT-Management erschweren. So sollten unter anderem die Vorgaben der IT-Konsolidierung des Bundes zum Vorbild genommen werden, in denen festgeschrieben steht, dass maximal zwei Ausprägungen eines Basisdienstes existieren.

Ungeachtet rechtlicher und föderaler Interessen würde mit einer konsequenten Konsolidierung der genannten Basisdienste ein Betrag für ein schlankeres IT-Management geschaffen, welches derzeit nicht im Fokus der OZG-Umsetzung liegt. Zentrale Fragen, wie z.B. die der Überführung der zahlreichen Verantwortungsübergänge und Zuständigkeiten zwischen den beteiligten IT-Dienstleistenden und Behörden in ein tragfähiges Incident und Problem Management, bleiben unbeantwortet. Des Weiteren ist zu klären, welche Ansprechpersonen oder Institutionen im Rahmen einer Service-Wertschöpfungskette Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern stellvertretend als zentrale Anlaufstelle gegenüberstehen. Die Beantwortung dieser und weiterer Fragen müssen die mit der Verwaltungsmodernisierung vertrauten Bundesressorts auch nach Ablauf der OZG-Frist zum Jahresende konsequent verfolgen.

Artikel von:
Simon Bradatsch, Consultant, Cassini Consulting AG
Simon Bradatsch
Senior Consultant
Markus Schauch, Management Consultant, Cassini Consulting AG
Markus Schauch
Management Consultant
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