Primus inter Pares: Führung im Dienstleisterverbund
6 Herausforderungen – 6 Lösungen für erfolgreiche Projektsteuerung im Dienstleistermanagement als Dienstleister

Primus inter Pares: Führung im Dienstleisterverbund

Welchen Problemen begegnet man, wenn man als Dienstleister in einem Kundenprojekt andere Dienstleister steuern muss? Und wie kann man diese lösen? Dieser Artikel gibt Denkanstöße basierend auf eigener Projekterfahrung.

Projekte sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor werden oft an mehrere Dienstleister zugleich vergeben, die dann zusammenarbeiten sollen. Das ist einerseits dem Bestreben geschuldet, sich möglichst nicht von einem einzelnen Dienstleister abhängig zu machen. Andererseits ist es häufig aber auch auf historische Gründe zurückzuführen. Nicht selten benötigt man beispielsweise in den frühen Phasen eines Software-Entwicklungsprojekts anderes Know-how als im späteren Verlauf, was das Hinzuziehen eines weiteren Dienstleisters erfordern kann.

Gelegentlich wird dabei auch die operative Projektsteuerung nach außen vergeben. Dadurch entsteht die Situation, dass einer der Dienstleister die Arbeiten der anderen koordinieren und deren Richtung vorgeben muss. Diese Führungsrolle ist mit ganz besonderen Herausforderungen verbunden, welche unabhängig vom Projektgegenstand und der Projektvorgehensweise fast immer in Erscheinung treten. Keines dieser Probleme ist sonderlich schwierig oder unlösbar. Doch man kann sie deutlich besser und schneller bewältigen, wenn man mit ihrem Aufkommen rechnet und von Anfang an als führender Dienstleister gegensteuert.

Wir haben im Folgenden sechs typische Probleme aufgelistet, welchen wir in dieser Führungsrolle bereits in Projekten begegnet sind. Dabei nehmen wir Bezug auf die allgemeine Projektmanagement-Lehre und erklären, wie wir diesen Problemen begegnet sind.

Unterschiedliche Arbeitsweisen

In der Projektmanagement-Literatur findet man zum Thema Teambildung besonders häufig das Modell nach Tuckman und Klotz, bestehend aus Forming, Storming, Norming, Performing und Adjourning (1). Die besondere Herausforderung bei Teammitgliedern von unterschiedlichen Dienstleistern ist der erfolgreiche Übergang von der Storming- zur Norming-Phase. Dadurch dass sich die Teams mit ihren jeweils unterschiedlichen Arbeits- und Denkweisen in einer positiv bestärkenden Echokammer in Form ihres eigenen Unternehmens befinden, ist das Zusammenfinden in einem gemeinsamen Vorgehen häufig deutlich schwieriger. Das gilt insbesondere dann, wenn die Dienstleister sehr unterschiedliche Firmenkulturen und Vorgehensweisen in Projekten aufweisen.

Es sollte als führender Dienstleister vermieden werden, die eigene Denkweise als überlegen darzustellen oder die eigene Haltung ohne Argumentation durchzudrücken. Ein so hergestellter Konsens hält nicht lange und die ungelösten Probleme einer nicht sauber bewältigten Storming-Phase werden innerhalb kürzester Zeit wieder hervorkommen. Als gewinnbringend hat sich für uns herausgestellt, die unterschiedlichen Stile der Dienstleister zu analysieren und offen zu thematisieren. Anschließend sollte man eine Vorgehensweise erarbeiten, die von allem etwas enthält und in der sich jeder Dienstleister wiederfinden kann. Besonders hilfreich ist es auch, anderen Dienstleistern offen Anerkennung überall dort entgegen zu bringen, wo sie besonders gut sind. Sich selbst in der Führungsrolle zurückzunehmen, ohne dabei die Führung aufzugeben oder ein suboptimales Projektsetting in Kauf nehmen zu müssen, ist dabei die Kür.

Key Facts:

  • Projektpositionen durch starke Argumente absichern
  • Stärkenvielfalt der verschiedenen Dienstleister zu einer gemeinsamen Vorgehensweise harmonisieren
  • Positives Feedback für positive Leistungen

Wechselnde Kolleginnen und Kollegen

Insbesondere bei agilen Vorgehensmodellen ist es nicht möglich, am Anfang des Projekts klar abgesteckte große Arbeitspakete zu definieren und diese an die Gesamtverantwortlichen der einzelnen Dienstleister zu delegieren (1). Vielmehr ist man auf ein gutes Miteinander und eine funktionierende gemeinsame Arbeitsweise angewiesen, mit welcher man sich gemeinsam in eine Richtung bewegen kann und wodurch die einzelnen Beiträge engmaschig ineinandergreifen. Das bringt allerdings mit sich, dass man jeden personellen Wechsel auf Seiten des Dienstleisters wahrnimmt und womöglich erneut Zeit in die Teambildung und die Festigung der eigenen Führung als führender Dienstleister investieren muss.

Oftmals kann man nur wenig dagegen tun, dass Dienstleister Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter gegen andere austauschen. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, in das persönliche Commitment der Kolleginnen und Kollegen zum Projekt zu investieren, wodurch diese meist länger im Projekt bleiben möchten. Kombiniert man dies mit punktuellem Druck auf das Management der Dienstleister bei zu häufigem Wechsel, so kann man diese Dynamik zumindest reduzieren. Um den Druck ausüben zu können, ist es aufgrund der besonderen Position als führender Dienstleister aber häufig empfehlenswert, den Kunden zu involvieren.

Key Facts:

  • Persönliches Commitment der Teammitglieder fördern
  • Personalkontinuität forcieren, wenn nötig gemeinsam mit dem Kunden

Mangelnde Fehlerkultur

Weil verschiedene Dienstleister im Projekt mitwirken, besteht die Möglichkeit, die Ursache für Fehler beim jeweils anderen Dienstleister zu suchen. Als führender Dienstleister neigt man schnell dazu, sich durch besonders eindeutige und enge schriftliche Vorgaben absichern zu wollen, wodurch man die Kultur des Projektes jedoch nachhaltig negativ prägt. Die Bemühung jedes einzelnen Dienstleisters keine Fehler zu machen und sich durch die eigene Kommunikation vor der möglichen Zuweisung von Fehlern durch Dritte zu schützen, erzeugt Reibungswiderstände und verlangsamt das Projekt.

Man sollte als führender Dienstleister mit gutem Beispiel vorangehen und auf die eigenen Fehler und Fehlannahmen regelmäßig öffentlichkeitswirksam hinweisen und dann Korrekturen vornehmen. Auch sollte man bewusst Feedback einfordern und immer wieder demonstrativ Kurskorrekturen daraus ableiten. Die Kolleginnen und Kollegen anderer Dienstleister passen ihr eigenes Verhalten im Regelfall dann zunehmend an.

Key Facts:

  • Gesundes Fehlermanagement bewusst vorleben und Korrekturen visibel gestalten
  • Einholen von Feedback im Projektvorgehen verstetigen

Abgrenzende Kommunikation

Als Mitarbeiter neigt man dazu, die eigene Firma als "Eigengruppe" und die anderen Firmen als "Fremdgruppe" zu betrachten. Dabei werden Mitglieder der eigenen Gruppe als Individuen und Mitglieder der Fremdgruppe als homogene Masse wahrgenommen (2). Das gilt selbstverständlich auch für Dienstleister. Team-Kollegen neigen unbewusst dazu, diese Denkweise im Projekt weiter vor sich her zu tragen. So werden beispielsweise die Personen des selben Dienstleisters mit Namen adressiert und die Kollegen der anderen Dienstleister mit dem Firmennamen. Es werden häufig Aussagen getätigt wie "Dafür ist Dienstleister xy zuständig".

Um diese kontraproduktive Kommunikation zu reduzieren, helfen Teambildungs-Maßnahmen und regelmäßiger ehrlich interessierter Dialog, auch oder insbesondere privater Natur. Je besser sich alle untereinander kennen, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen den Dienstleistern. Mit der Zeit werden sie sich gegenseitig namentlich nennen, wenn sie voneinander sprechen.

Key Fact:

  • Teambuilding und gegenseitiges Kennenlernen ermöglichen

Zweifel an der Richtungsvorgabe

Der Kunde gilt allgemein als König, weshalb Dienstleister seine Richtungsvorgaben bestenfalls beratend hinterfragen. Klare Ansagen werden jedoch als solche akzeptiert und umgesetzt – schließlich ist der Kunde Projekt-Sponsor (1). Beim führenden Dienstleister besteht dieser Vorteil nicht und kann so auf mehr und größeren Zweifel treffen. Dieser Zweifel kann soweit reichen, dass das Projekt selbst an Stabilität verliert oder auch andere Stakeholder damit angesteckt werden.

Die Lösung besteht darin, die Richtungsvorgaben besonders gut zu begründen und sich – nach Möglichkeit – bereits die Zustimmung aller wichtigen Beteiligten inkl. des Kunden zu holen, bevor man in die Kommunikation mit anderen Dienstleistern einsteigt. Auch sollten sämtliche sich abzeichnende Zweifel frühzeitig auf Kundenebene thematisiert und entsprechend gerahmt werden. Denn die einzelnen Dienstleister sprechen meist auch direkt an dem führenden Dienstleister vorbei mit dem Kunden. Ist dieser thematisch noch nicht abgeholt und kennt nicht die vollumfängliche Begründung der momentanen Richtungsvorgabe, dann kann er den Einwänden nicht begegnen und die Zweifel werden gestärkt.

Key Facts:

  • Richtungsvorgaben präzise begründen und relevante Stakeholder frühzeitig einbinden
  • Dauerhafte Transparenz – auch hinsichtlich Zweifel an bestehenden/bevorstehenden Maßnahmen – gegenüber dem Kunden sicherstellen

Parallele Führung durch Managerinnen und Manager der Dienstleister

Die Projektmitglieder gehören einerseits dem – aus ihrer Sicht – Kundenprojekt an und andererseits ihrem eigenen Unternehmen, dem Dienstleister. Dadurch haben führende Dienstleister dasselbe Problem, welches Projektmanagerinnen und -manager in Matrixorganisationen aufgrund eines zweiten Linienvorgesetzten haben (1). Nur wird dieses Problem dadurch potenziert, dass man als führender Dienstleister einerseits eine schwächere Rolle als der Kunde hat und es andererseits womöglich mit einem für dieses Projekt beim Dienstleister zuständigen Managements und zusätzlich noch mit einem/einer Linienvorgesetzten zu tun hat. Nicht selten hat man es mit mehreren Personen seitens der anderen Dienstleister zu tun, die sporadisch steuernd auf Projektmitglieder einwirken.

Als Schlüssel haben sich hier Regeltermine mit den Entscheidungsbefugten anderer Dienstleister herausgestellt. Deren Erfahrungen und Meinungen müssen aktiv mit einbezogen werden. Es muss zusätzlich klar aufgezeigt werden, welche negativen Folgen parallel stattfindende und widersprüchliche Richtungsvorgaben haben. Dass untereinander nicht abgestimmte Führungskräfte einzelner Dienstleister das Projekt in verschiedene nicht zusammenpassende Richtungen treiben, sollte unterbunden werden.

Key Facts:

  • Regeltermine auf Managementebene etablieren, um Transparenz zu gewährleisten und verschiedene Sichtweisen in die weiteren Schritte einbinden
  • Kommunikation klar regeln, um chaotische Absprachen zu vermeiden

Fazit

Diese Auflistung ist nicht abschließend. Tatsächlich gibt es eine Fülle von weiteren Herausforderungen beim Managen von Dienstleistern als Dienstleister. Eines ist jedoch immer gleich: Man hat es mit unterschiedlichen Menschen mit individuellen Bedürfnissen und Sichtweisen zu tun, denen man eine gemeinsame Vision und ein Wir-Gefühl geben muss. Die prinzipielle Herausforderung bleibt somit immer dieselbe. Lediglich die Rahmenbedingungen sind leicht erschwert.

(1) Heldman, Kim: CompTIA Project + Study Guide. 2017.
(2) G.A. Quattrone, E.E. Jones: The perception of variability within ingroups and outgroups: Implications for the law of small numbers. Journal of Personality and Social Psychology, 38, S. 141–152.

Artikel von:
Nando Caputo Crapa
Consultant
Emrah Karakoç, Cassini Consulting
Emrah Karakoç
Management Consultant
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