Eine wichtige Komponente im Portfoliomanagement ist die Priorisierung der Projekte. Notwendig wird die Priorisierung, da in Organisationen nur eine begrenzte Menge an finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung steht. Übersteigt nun der Umsetzungsbedarf die verfügbaren Ressourcen, ist es notwendig, eine Reihenfolge festzulegen, also eine Priorisierung vorzunehmen.
Die Projektlandschaft einer Organisation unterliegt jedoch, wie Einzelprojekte auch, externen Einflussfaktoren, die eine einmal festgelegte Umsetzungsreihenfolge durcheinanderwerfen können. Dies trifft auch und in besonderem Maße auf Projektlandschaften in der öffentlichen Verwaltung zu.
Folgende Faktoren führen vor allem in der öffentlichen Verwaltung zu einer hohen Dynamik in IT-Projekten:
- Ad-hoc-Projekte („Querschläger“) – prioritäre Projekte, die zu Beginn der Planungsperiode nicht absehbar sind – bspw. Notlagen wie die aktuelle Pandemie, Naturkatastrophen etc.
- Politische Einflüsse – unmittelbare Priorisierung einzelner Vorhaben durch neue gesetzliche Vorgaben oder tagesaktuelle politische Relevanz
- Technologischer und prozessualer Rückstand der Verwaltung auf die Wirtschaft, welcher zu hohem Umsetzungsdruck in den Behörden führt.
Durch die so entstehende Änderungsdynamik wird eine unstrukturierte Portfoliosteuerung schnell chaotisch und die Herleitung der Ressourcenverteilung ist für Projektbeteiligte schwierig nachvollziehbar. Langfristig kann dies, insbesondere bei Projektleitungen, zu Motivationsverlust oder schlimmer noch, zum Scheitern oder Stillstand einzelner Projekte führen.
Die Etablierung eines effizienten und nachvollziehbaren Prozesses der Priorisierung sollte deshalb, neben der Nutzenmaximierung des Portfolios insgesamt, Ziel eines erfolgreichen Projektportfoliomanagements sein, um den Volatilitäten der Projektlandschaft angemessen entgegen treten zu können.
Als Methodik für eine transparente Bewertung aller Projektvorhaben hat sich unter anderem die Anwendung eines einheitlichen Scoringmodells bewährt. Bei dieser Priorisierungsmethodik werden Vorhaben nach mehreren (organisationsspezifischen) Kriterien bewertet. Somit werden Projekte auf einer Sachebene miteinander verglichen und somit subjektive Einflüsse von Einzelinstanzen reduziert. Zusätzlich können die einzelnen Bewertungskriterien gewichtet werden, um besonders relevante Kriterien stärker zu berücksichtigen. Anhand der sich ergebenden Bewertungskennziffer können Projekte unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen sukzessive freigegeben werden, bis die Kapazitätsgrenze der Organisation oder ein hinreichend hoher Grad an Nutzenrealisierung eingetreten ist. Beispiele für relevante Bewertungskriterien für IT-Projekte in der öffentlichen Verwaltung können Sie dem Infokasten entnehmen.
Ein Vorteil bei der Nutzung eines Scoringmodells gegenüber einem einfachen Ranking der Projekte, bei dem die Priorisierung anhand von ein bis zwei Kennzahlen (bspw. Haushaltsmittelbedarf, Dauer, Ressourcenallokation) durchgeführt wird, ist die vielseitige Bewertung der einzelnen Projekte. Da in der öffentlichen Verwaltung häufig viele Projekte unterschiedlicher Projekttypen (z.B. Digitalisierung Fachverfahren, Infrastrukturprojekte) durchgeführt werden, erfolgt die Priorisierung somit insgesamt nutzenmaximierender für die Gesamtorganisation.
Des Weiteren sollte die Überprüfung der aktuellen Projektlandschaft regelmäßig auch unterjährig erfolgen (bspw. quartalsweise), um eventuell auftretenden Einflüssen frühzeitig Rechnung zu tragen und die Ressourcenauslastung zu optimieren. Unterjährige Einflüsse können bspw. Projektänderungsanträge, Ad-hoc-Projekte oder eine veränderte Ressourcenlage sein.
Die Frequenz der Repriorisierungs-Überprüfungen kann von monatlich bis halbjährlich reichen und hängt vor allem vom Grad der Änderungsdynamik innerhalb der Projektportfolios ab.