Jede Technologie und Innovation rund um das Thema Digitalisierung hängt in hohem Maße von der Bereitschaft und der digitalen Affinität ihrer User*innen ab. Zentral für den Erfolg einer digitalen Zukunft ist eine öffentliche, transparente und demokratische Diskussion um Technologiepolitik und die gerechte Verteilung digitaler Ressourcen und deren Nutzen. Mit anderen Worten: Smart Citizenship ist vor allem eine Frage der Partizipation.
Um zu verstehen, wie die Beziehung zwischen Büger*innen und Staat im digitalen Raum beidseitig funktionieren kann, sind zwei Parameter wichtig: Der Digitalisierungsgrad einer Gesellschaft – also das Nutzungsverhalten, der Zugang, die Kompetenz und die Offenheit in Bezug auf digitale Medien – und die politische Partizipation.
Mit dem Digitalisierungsgrad beschäftigt sich der Digitalindex (2). Die jährlich stattfindende groß angelegte Gesellschaftsstudie beleuchtet, wie es um die digitale Affinität und die digitale Teilhabe der Gesellschaft in Deutschland bestellt ist. 2019/2020 wurde auch erstmals abgefragt, wie die Bevölkerung der Digitalisierung gegenübersteht und wie sie den Einfluss digitaler Technologien auf die Zukunft abschätzt. Seit Jahren nimmt dabei die Zahl derer zu, die online sind, das Internet also regelmäßig für sich nutzen. Die Studie zeigt aber auch, dass es einen hohen „digital divide“, also eine Kluft in Bezug auf die digitale Teilhabe gibt. Analog zu anderen gesamtgesellschaftlichen Ungleichheiten existiert auch im Bereich der digitalen Teilhabe eine Spaltung. Zwar ist diese Kluft in Industrienationen wie Deutschland relativ gering, doch auch hier findet sich die oft beklagte infrastrukturelle Ungleichheit bei der Internetversorgung zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Laut dem aktuellen Digitalindex nutzen außerdem Jüngere das Netz mehr als Ältere, Reiche mehr als Arme, Menschen mit hohem Bildungsgrad mehr als Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad. Gerade bei Parametern wie Bildung, Einkommen und Alter, die ohnehin Ungleichfaktoren für die Teilhabe in der Gesellschaft darstellen, ist die Kluft zwischen „Onlinern“ und „Offlinern“ also noch immer groß.
Auch im Bereich der politischen Partizipation gibt es Unterschiede. Das „Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft“ beschäftigt sich mit dem Wandel gesellschaftlicher Kommunikations- und Partizipationsprozesse im Bereich der Digitalisierung. Mit dem Weizenbaum-Report (3), der von der Forschungsgruppe „Digital Citizenship“ erstellt wurde, wird die politische sowie die digitale Partizipation in Deutschland gemessen und beleuchtet.
Zentrale Erkenntnisse dieses Reports belegen, dass die Mehrheit der Deutschen politisch interessiert ist und verstärkt auch das Internet als politische Informationsquelle und als Instrument politischer Teilhabe nutzt. Dabei zeigen sich die Bürger*innen durchaus medienkompetent: 75 % aller User*innen in Deutschland legen Wert auf seriöse Quellen, gerade wenn es um politische Themen geht. Über ein Drittel der Bürger*innen, gerade in der Altersgruppe der unter 35-Jährigen, engagieren sich zudem auf sozialen Netzwerken politisch, etwa indem sie Inhalte zu politischen Themen weiterleiten oder kommentieren oder indem sie beispielsweise Onlinepetitionen unterschreiben.
Laut diesen Berichten ist es um die digitale und politische Teilhabe der Bürgerschaft Deutschlands nicht schlecht bestellt. Wie weit sind wir also entfernt vom Prinzip des „Smart Citizenship“ als Keimzelle staatlicher Digitalinnovation?
In Deutschland gibt es einen zunehmenden Trend zu mehr Beteiligung der Bürger*innen über das Internet. Auch der Bund und die Länder greifen vermehrt auf digitale Kanäle zurück, sei es zu Kommunikations-, Verwaltungs- oder Konsultationszwecken. Umgekehrt finden auch immer mehr politisch interessierte und engagierte Bürger*innen, Vereine und Initiativen den Weg ins Netz, um ihre Meinung zu äußern, für politische Anliegen zu streiten oder Entscheidungen zu beeinflussen. So etabliert sich nach und nach eine digitale Beziehung zwischen Staat und Bürgerschaft: die E-Demokratie.
Um diese digitale Form der Demokratie jedoch wirklich demokratisch, also inklusiv für alle Bürger*innen zu betreiben, muss der Staat nicht nur in Sachen Infrastruktur, sondern auch im Hinblick auf digitale Bildung, Medienkompetenz und Teilhabe nachbessern.
Der Digitalindex formuliert zahlreiche Vorschläge, um diese Lücke zu schließen:
- Die digitale Infrastruktur muss besser ausgebaut werden. Zugang zu digitalen Innovationen wie Kommunikationsdiensten, Telemedizin oder Streaming sollte niedrigschwellig für alle zugänglich sein. Denkbar wären Digitalangebote an öffentlichen Plätzen wie Bibliotheken o. Ä.
- Online-Angebote wie Behördendienstleistungen, Bankgeschäfte oder auch das Buchen von Tickets müssen intuitiver und niedrigschwelliger gestaltet sein.
- Schulen spielen eine wesentliche Rolle bei der Aneignung digitaler Kompetenzen, müssen also in viel höherem Maße digital ausgestattet werden.