Digitale Resilienz in der Lieferkette
„Was, wenn morgen die Cloud ausfällt?“ Die digitale Achillesferse der Konsumgüterbranche

So erreichen Sie digitale Resilienz

Die Konsumgüterbranche hat in den vergangenen Jahren viel in die Resilienz physischer Lieferketten investiert – doch die digitale Infrastruktur bleibt oft ein blinder Fleck. Dabei basieren heute fast alle Kernprozesse auf US-Technologien wie Cloud-Diensten und Plattformen. In einer geopolitisch zunehmend angespannten Welt kann diese Abhängigkeit schnell zur Achillesferse werden. Der drohende Systemschock: Einschränkungen digitaler Dienste durch politische Entscheidungen. Unternehmen müssen daher jetzt digitale Resilienz priorisieren, denn digitale Lieferketten sind heute Voraussetzung unternehmerischer Handlungsfähigkeit.

Die vergangenen Jahre haben Europas Konsumgüterbranche vor Augen geführt, wie fragil scheinbar stabile Lieferketten sein können. Ob durch pandemiebedingte Produktionsstillstände, Containerstaus in Shanghai oder den Krieg in der Ukraine – als Masken, Mikrochips und Magnesium gleichzeitig knapp wurden, stand plötzlich nicht nur die Fertigung, sondern auch die Planung und Steuerung vor immensen Herausforderungen.

Viele Unternehmen haben daraus gelernt, ihre physischen Lieferketten analysiert, diversifiziert und lokalisiert. Was jedoch weiterhin zu wenig im Fokus steht: die digitale Lieferkette – jene Infrastruktur aus Software, Cloud-Diensten und Plattformen, ohne die moderne Konsumgüterunternehmen heute gar nicht mehr funktionsfähig wären.

Dabei steht genau diese digitale Infrastruktur womöglich vor der nächsten geopolitischen Belastungsprobe. Sollte Donald Trump seine wiederholt angedeutete protektionistische Agenda jetzt auch digital umsetzen – sei es durch Exportbeschränkungen für digitale Dienste, Zugriffsbeschränkungen auf US-basierte Clouds oder durch einseitige Regulierung von Datenflüssen – wären europäische Unternehmen von jetzt auf gleich in ihrer Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt. Besonders in der Konsumgüterbranche, wo Geschwindigkeit, Datenverfügbarkeit und reibungslose digitale Prozesse entscheidend sind, droht dann ein realer Systemschock.

Operative Exzellenz geht aktuell nur dank US-Technologien

Ein Großteil der operativen Exzellenz der Branche basiert auf US-Technologien:

  • SAP S/4HANA wird oft in der AWS-Cloud betrieben.
  • E-Commerce-Plattformen wie Shopify oder Salesforce Commerce Cloud steuern D2C-Geschäftsmodelle.
  • Marketing- und Personalisierungslösungen wie Adobe, Google, Meta Ads oder Klaviyo ermöglichen millisekundenschnelle Kundenansprache.
  • Selbst grundlegende Produktinformationssysteme (PIM), CRM-Plattformen oder KI-Tools wie OpenAI (z. B. zur Content-Generierung oder Prognose) laufen auf US-Infrastruktur.

Die gesamte Kette – von Innovation bis Absatz – ist digitalisiert, aber nicht notwendigerweise souverän abgesichert.

Dabei ist zu bedenken: Diese Infrastruktur wurde aus guten Gründen in dieser Form aufgebaut. Sie ist Ergebnis wirtschaftlicher Rationalität – Best-in-Class-Tools, schnelle Verfügbarkeit, attraktive Preis-Leistungs-Verhältnisse und globale Skalierungsmöglichkeiten. Doch genau darin liegt das Dilemma. Diese Vorteile kommen mit einem strategischen Preis: Abhängigkeit von fremder Steuerung. In einer zunehmend fragmentierten Weltordnung, in der digitale Dienste zum geopolitischen Machtinstrument werden, können scheinbar neutrale Anbieter zu Druckmitteln werden.

Digital Sovereignty ist das Gebot der Stunde

Vor diesem Hintergrund erhält das Konzept Digital Sovereignty by Design eine neue Dringlichkeit. Europäische Unternehmen sollten bei der Entwicklung von digitalen Lösungen darauf achten, dass Daten und Infrastruktur unter ihrer Kontrolle und unabhängig von externen Entitäten bleiben. Genau wie physische Lieferketten mittlerweile auch nach Resilienz bewertet werden, müssen digitale Architekturen künftig dem Kriterium der politischen Kontrollierbarkeit gerecht werden. Denn der Ausfall eines PIM-Systems, einer E-Mail-Infrastruktur oder einer Cloud-Schnittstelle kann heute mehr Schaden anrichten als ein verspäteter Lkw aus Polen.

Parallel zur zunehmenden Unsicherheit im transatlantischen Bündnis eskaliert die aktuelle Zolldebatte. Die EU weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass es zwar bei physischen Gütern einen Handelsüberschuss gegenüber den USA gibt, jedoch im (digitalen) Dienstleistungssektor umgekehrt aussieht. Die EU wird daher als Antwort auf Trumps Zölle wahrscheinlich die fünf großen amerikanischen Techunternehmen Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft ins Visier nehmen. Tut die EU dies, kann sich das als Bumerang erweisen, da wir Europäer im digitalen Raum sehr verwundbar und abhängig von den USA sind. Eine Blockade von US-Unternehmen würde uns schwer treffen.

Datenflüsse sind leicht zu stören – und nur schwer kurzfristig umzuleiten. Es braucht daher strategische Frühwarnsysteme und Szenarien, um digitale Abhängigkeiten unternehmensweit sichtbar zu machen. Während also politische Entscheidungsträger über Digitalabkommen, Datenräume und europäische Cloud-Initiativen wie GAIA-X diskutieren, bleibt Unternehmen oft nur die Rolle des Beobachters. Dabei steigt das Risiko mit jedem neuen Dienst, der in US-Infrastruktur integriert wird. Der Fokus verschiebt sich von einfacher DSGVO-Konformität hin zur echten Digitalen Resilienz – als Teil unternehmerischer Verantwortung. CIOs und CDOs sollten erkennen, dass Datensouveränität die strategische Kernfrage der Digitalstrategie sein sollte.

Diese Fragen sollten Unternehmen sich jetzt stellen

Natürlich kann nicht jedes Unternehmen von heute auf morgen auf europäische Alternativen umsteigen oder seine komplette Tech-Landschaft umbauen. Technologische Ideologien wie die ewige Debatte, ob Apple oder Microsoft das bessere System ist, helfen dabei ebenso wenig. Aber was möglich ist – und dringend notwendig – ist eine neue Form der strategischen Fragestellung. Unternehmen der Konsumgüterindustrie sollten sich jetzt folgende Fragen stellen:

  • Welche Anwendungen sind für unser Geschäftsmodell kritisch?
  • Welche davon sind nicht substituierbar?
  • Wo liegen unsere Single Points of Failure?
  • Welche Exitoptionen gibt es – auch im Worst Case?
  • Welche Investitionen in digitale Resilienz zahlen sich langfristig aus?

Die digitale Lieferkette der Konsumgüterbranche ist heute genauso relevant wie die physische – wenn nicht sogar noch wichtiger. Und wie in der Logistik gilt: Man muss sich nicht gegen alles absichern, aber man sollte wissen, was passiert, wenn es knallt. Die gute Nachricht: Wer heute anfängt, ist morgen vorbereitet. Nicht aus Angst vor Donald Trump, sondern aus Verantwortung für die eigene Zukunftsfähigkeit.

Eine englische Version dieses Artikels ist ebenfalls verfügbar. Klicken Sie hier, um sie zu lesen.

Ihr Ansprechpartner zum Thema digitale Resilienz

Cassini begleitet Sie bei der Erreichung digitale Resilienz. Denn digitale Lieferketten sind heute nicht nur Grundlage der Wertschöpfung – sie sind Voraussetzung unternehmerischer Handlungsfähigkeit.

Peter Kalvelage, Senior Management Consultant, Cassini Consulting AG
Peter Kalvelage

Senior Management Consultant

[email protected]
+49 211 - 92323552
Seite teilen
So erreichen Sie digitale Resilienz in der Konsumgüterbranche