Blogbeitrag von
Kerstin Findeisen, Cassini Consulting
Kerstin Findeisen
Management Consultant
Soziodrama - erfolgreiches Change Management durch Rollenspiel
Transformation erlebbar machen

Soziodrama als Methode für Change-Projekte

Deutschland erlebt tiefgreifenden Wandel: geopolitische Instabilität, Digitalisierung, demografischen Umbruch, Fachkräftemangel. In unseren Projekten begegnen wir täglich diesen Herausforderungen. Struktur- und Rollenveränderungen sind essenziell für erfolgreiche Transformationen. Doch ebenso wichtig ist es, die sozialen Dynamiken des Change nachvollziehbar und gestaltbar zu machen. Eine wirkungsvolle Methode dafür ist ein Soziodrama. In einem Studierendenprojekt haben wir sie getestet und wertvolle Erkenntnisse für unsere Beratungspraxis gewonnen.

Was ist ein Soziodrama?

Soziodrama ist eine erlebnisorientierte Methode, mit der Gruppen soziale Konflikte und Positionen in Form eines improvisierten Rollenspiels reflektieren. Teilnehmende erleben verschiedene Perspektiven und entwickeln Lösungen für komplexe Herausforderungen. Dabei steht kollektives Lernen im Mittelpunkt – im Gegensatz zu Business-Aufstellungen, die stärker auf organisatorische Fragestellungen fokussiert sind.

Führungskräfte müssen in einer sich stetig wandelnden Welt empathisch handeln und Teamdynamiken stärken. Hier setzt das Soziodrama an: Es macht soziale Dynamiken sichtbar, eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht innovative Lösungen.

Pilotprojekt an der TH Ingolstadt

Gemeinsam mit drei BWL-Studentinnen der TH Ingolstadt habe ich die Methode für unsere Change-Consultants über drei Monate hinweg erschlossen. Sie unterstützten uns bei der methodischen Aufbereitung, der Konzeption eines Pilot-Workshops und einer Umfrage zur Relevanz von Soziodrama. Unsere zentrale Erkenntnis: Soziodrama kann Transformationen nachhaltiger und erfolgreicher machen. 

Studentinnen der TH Ingolstadt mit Kerstin Findeisen
v.l.n.r.: Die Studentinnen Jenny Hackstetter, Sophia Wirth und Violetta Repp von der TH Ingolstadt mit Management Consultant Kerstin Findeisen (2.v. rechts)

Warum Soziodrama?

Teilnehmende schlüpfen in verschiedene Rollen, etwa als Führungskraft oder Teammitglied. Diese Perspektivwechsel stärken das gegenseitige Verständnis, fördern Konfliktlösungen, Empathie und kreative Entscheidungen. Die Methode wirkt besonders intensiv, weil Rollen nicht nur gespielt, sondern emotional erlebt werden.

Soziodrama in der Führungskräfteentwicklung

Bei einem Soziodrama profitieren Führungskräfte in vielerlei Hinsicht:

  • Empathie & Perspektivwechsel: schärfen das Verständnis für Team- und Stakeholder-Herausforderungen.
  • Stärkung der Teamdynamik: fördert aktives Konfliktmanagement und verbessert die Zusammenarbeit.
  • Praxisnähe: Szenarien basieren auf realen Herausforderungen.
  • Nachhaltigkeit: Emotionale Erfahrungen bleiben länger im Gedächtnis als theoretisches Wissen.
  • Vertraulichkeit: Führungskräfte können in einem geschützten Raum experimentieren.

Unser Soziodrama-Pilotprojekt

Ziel unseres Projekts war es, einen praxisnahen Leitfaden zu entwickeln. Der Weg dorthin umfasste fünf zentrale Schritte:

  1. Recherche: Untersuchung theoretischer Grundlagen und bestehender Anwendungsfelder.
  2. Umfrage: Eine qualitative Befragung von 87 HR-Expert*innen und Führungskräften zeigte große Offenheit für neue Ansätze.
  3. Leitfadenentwicklung: Erstellung eines praxisnahen Handbuchs zur Anwendung von Soziodrama.
  4. Szenariengestaltung: Entwicklung verschiedener Beispiele zu Teamkonflikten, Veränderungsprozessen und Krisenmanagement.
  5. Pilot-Workshop: Durchführung mit sechs Cassinis zur praxisnahen Validierung der Methode.

Beispielhafte Soziodrama-Szenarien

Ein Soziodrama ist vor allem eins: lebendig und praxisnah. Doch wie genau läuft eine solche Sitzung ab? Folgende Szenarien haben wir getestet:

  1. Engagement im neu zusammengestellten Team
    Eine Führungskraft übernahm die Rolle eines Teammitglieds, das sich kaum in der Teamarbeit engagierte. Es berichtete, dass es seine individuellen Ziele hervorragend erreiche, wofür es schließlich incentiviert würde. Die Rolleninhaberin Führungskraft brachte ein, dass anspruchsvolle Teamaufgaben die Karriereentwicklung fördern und entsprechend honoriert würden, wodurch sich das Teammitglied für Teamarbeit öffnete.
    Die Gruppe reflektierte, dass Führungskräfte Teamdynamiken fördern können, indem sie individuelle Entwicklung und Incentivierung mit Teamzielen verknüpfen.
    Zudem zeigte sich Optimierungspotenzial bei Gesprächsführung und Setting: Im Büro der Führungskraft gegenüberzusitzen wirkte konfrontativ und verursachte Unbehagen beim Teammitglied. Im zweiten Durchlauf an einem neutralen Ort entspannte sich die Atmosphäre, individuelle Fragen fielen leichter, und das Gespräch verlief konstruktiver.
  2. Einführung einer neuen Organisationsstruktur
    Hier führte die Gruppe ein Kick-off-Meeting für eine neue Organisationsstruktur durch. Beteiligt waren das Team, das die neue Struktur entwickelt hatte, und die Führungskraft, die die neue Einheit übernehmen sollte. Deren Verhalten machte deutlich, dass sie unter frustrierenden Umfeldfaktoren litt, die das Team nicht kannte.
    Anstatt lediglich aus fachlicher Sicht über die neue Struktur und ihre Rollen zu sprechen, erweiterte das Projektteam sein Rollen-Verständnis: die eines Coaches bzw. Sparringspartners bei der Umsetzung der neuen Struktur, der ganzheitlich auf die neue Situation schaut und dabei unterstützt, geeignete Lösungen zu finden.

Weitere Szenarien finden Sie in unserem Leitfaden, den Sie sich als PDF herunterladen können.

Soziodrama Umfrageergebnisse

Führungskräfte suchen Ansätze, die Kopf und Herz verbinden – genau das leistet ein Soziodrama.

Ein Blick in die Zukunft

Unser Projekt zeigt: Soziodrama hilft Führungskräften, die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt mit Kopf und Herz zu meistern. Wir hoffen, dass unsere Arbeit dazu beiträgt, diese Methode bekannter zu machen und Führungskräfte dazu ermutigt, neue Wege zu gehen. Denn wahre Führung beginnt dort, wo wir nicht nur entscheiden, sondern auch fühlen und verstehen.

Wir bedanken uns herzlich bei Jenny Hackstetter, Sophia Wirth und Violetta Repp für die Unterstützung sowie bei Dr. Alfred Quenzler, Professor für Internationales Personal- und Organisationsmanagement an der TH Ingolstadt, für die wissenschaftliche Begleitung.

Über die Autorin

Kerstin Findeisen ist seit über 20 Jahren in Change-Management-Projekten tätig. Sie ist Mental Trainerin und Systemische Organisationsentwicklerin.

Kerstin Findeisen, Cassini Consulting
Kerstin Findeisen

Management Consultant

kerstin.findeisen@cassini.de

Leitfaden downloaden

Erfahren Sie mehr über die Methode, Potenziale und Anwendungsfälle.

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