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Alexander Fix, Senior Consultant, Cassini Consulting AG
Alexander Fix
Senior Consultant
Nicolas Nwabueze, Cassini Consulting
Nicolas Nwabueze
Senior Management Consultant
Testorganisation der Zukunft
Testorganisation der Zukunft

Ab in den Pool!

Die Digitalisierung beeinflusst zunehmend Geschäftsmodelle, Organisationsstrukturen und unser eigenes Handeln. Die technologischen Möglichkeiten erscheinen unbegrenzt, doch müssen Menschen in der Veränderung mitgenommen werden, um Mehrwerte zu erkennen und in der Praxis umzusetzen. Hinzu kommen nicht nur in der IT-Branche Veränderungen der Arbeitswelt: mit New Work wird Arbeiten flexibel und dezentral, zugleich schwindet die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte. 
Mit diesem Beitrag wollen wir die Auswirkungen neuer Trends auf die Testorganisation untersuchen und den Umgang mit den einhergehenden Herausforderungen skizzieren.

Technologie verändert die Testorganisation

Auch in der Vergangenheit haben Software-Testorganisationen gewisse Veränderungen durchlaufen, um mit dem Wandel in der Softwareentwicklung und den Anforderungen des Marktes Schritt zu halten. So haben Methoden wie Scrum, die durch die Unterstützung von DevOps weiter optimiert werden, einen großen Einfluss auf Testorganisation.  

Cloud-Technologien

Durch die erhöhte Technologisierung mit global hochverfügbaren Ressourcen, die sich heute abzeichnet und in Zukunft sicher die Veränderungszyklen weiter erhöhen wird, werden sich die Aufgaben, Fähigkeiten und Rollen in einer Testorganisation verlagern. 

Eine im Jahr 2023 von Statista veröffentlichte Studie [1] belegt, dass 491 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 weltweit mit Cloud-Technologien umgesetzt wurden. Die Verlagerung von Speicherplatz, Rechenkapazität oder Software-Anwendungen von lokalen, einzelnen Rechnern bzw. Servern in die Cloud erfreut sich auch hierzulande großer Beliebtheit und hat durch die Pandemie einen deutlichen Schub erhalten. Im Vergleich zu 2012, wo lediglich 37% der Unternehmen in Deutschland den Gang in die Cloud gewagt hatten, waren es zehn Jahre später insgesamt 84%.[2] Dass sich dieser Trend in Zukunft und mindestens bis in die nächste Dekade fortsetzen wird, ist sehr wahrscheinlich, denn Cloud-Technologien bringen einige Vorteile mit sich, die die Testorganisationen prägen wird. Neben der Anwendung im Zuge der ortsunabhängigen Zusammenarbeit (New Work) und Kollaboration agieren Unternehmen, die die Cloud nutzen, bei komplizierteren Verfahren schneller und erreichen dadurch einen Wettbewerbsvorteil. Dies ist aufgrund der inhärenten Hochverfügbarkeit der Dienste möglich.

In dieser Hinsicht wird Cloud-Computing mit seinem mächtigen Ökosystem eine wichtige Rolle spielen. Die Bereitstellung von Testumgebungen wird schneller realisiert und usergesteuerte Selbstbedienung der Testumgebungen durch die ortsunabhängige Erreichbarkeit der Leistungen ermöglicht werden.

Durch die Automatisierung von Tests können Testzyklen verkürzt und ihre Genauigkeit verbessert werden. Durch die Automatisierung von Testabläufen und die damit einhergehende Zeitersparnis kann die strategische Ausrichtung von Testprozessen immer wieder neu gedacht und an die jeweiligen Gegebenheiten in einer sich verändernden Organisation fortwährend angepasst werden. Des Weiteren hat die Verwendung von Cloud-Technologie dazu beigetragen, dass Software-Testorganisationen flexibler und skalierbarer werden. Cloud-basierte Tools und Plattformen können von Testern genutzt werden, um schnell und einfach auf Testumgebungen zuzugreifen.

Neben der Cloud-Technologie werden auch künstliche Intelligenz und Machine Learning großen Einfluss auf die Testorganisation der Zukunft haben. Deren Einsatz trägt dazu bei, dass Software-Testorganisationen automatisierter und effizienter arbeiten können. Die Verwendung von Machine Learning wird dazu beitragen, dass Tests automatisch optimiert werden und Probleme schneller erkannt werden.

Künstliche Intelligenz und ChatGPT 

Die Testautomatisierung ist seit Jahren der Bereich, der am weitesten auf Toolunterstützung beim Testen setzt. Neue technologische Entwicklungen vor allem im KI-Bereich, werden Unterstützungen in weiteren Bereichen ermöglichen. Ein Beispiel hiervon ist ChatGPT, ein Chatbot von OpenAI, der auf dem Modell GPT (Generative Pre-trained Transformer) basiert. 

ChaGPT im Testmanagement

ChatGPT wurde mit großen Mengen an Textdaten trainiert und kann daher in natürlicher Sprache mit Benutzern interagieren, Fragen beantworten, Informationen bereitstellen und Gespräche führen. Die Testautomatisierung wird mit Sicherheit zur weiteren Disruption alter Testprozesses führen. Die heute stiefmütterlich behandelten Entwicklertests beispielsweise werden in Zukunft mehr Effizienz durch den Einsatz von KI bekommen. In den Bereichen Codereview, Refactoring sowie Codeoptimierung wird ChatGPT mehr Nutzen erreichen und gute Testergebnisse erzielen. Unserer Recherche nach zeigt der Chatbot durch das Erstellen von stilistisch gut geeigneten Dokumentationen außerdem seine Leistungsfähigkeit in dem Redaktionsbereich. Im Testprozess werden die Erstellung von Testfällen oder Testkonzepten damit in Zukunft weitestgehend automatisierbar sein. 

Als maschinelles Lernmodell ist ChatGPT heute gelegentlich fehlerbehaftet, sodass eine Überprüfung und ggf. Anpassung der Ergebnisse notwendig sind. Wenn ChatGPT zu einem Thema befragt wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die fragende Person der Antwort vertrauen wird und diese auch nicht hinterfragt, was mit dem Vertrauen an ein Navigationssystem gleichzusetzen ist. Das führt schließlich dazu, dass man immer mehr dem System bzw. der Technik vertrauen wird.

Die technologischen Fortschritte der nächsten Jahre werden wie ein Enabler für die Testorganisation wirken und insgesamt für eine höhere Effizienz dessen sicherstellen. Demzufolge wird es eine Veränderung der Skills und Kompetenzen für die Menschen geben, die in der Testorganisation agieren. 

Zukunftsorganisation Testpools

Mit einer poolbasierten Arbeitsorganisation kann die Veränderung von Skills und Kompetenzen erfolgreich orchestriert werden. Dieses Gedankenmodell der Zukunft wurde von wenigen Unternehmen bereits implementiert und hat keine festen Rollen und Hierarchien. Ein Pool bündelt Skills und Kompetenzen der Mitarbeitenden im Unternehmen und deckt einen bestimmten Marktbedarf ab. Jeder Mitarbeitende ist mindestens einem Pool zugeordnet, redundant gewordene Pools werden wieder entfernt. Marktbedarfe und Projekte werden aus den Pools als sogenannte „Knowledge Hubs“ besetzt. Durch ständige Weiterbildung und den Erwerb neuer Skills entwickeln die Mitarbeitenden eine Anpassungsfähigkeit, die für die Zukunft erforderlich ist.

Das dargestellte Pool-Modell bildet eine Möglichkeit ab, für die Mitarbeitenden entsprechend ihrer Skills zwischen den Projekten nach Bedarf zu wechseln und mit ihrer Expertise zu unterstützen. Konkret werden im gezeigten Beispiel drei Pools verwendet. Diesen Pools sind Menschen mit Expertise aus den Bereichen „Testautomatisierung“, „ChatGPT-Testfallerstellung“ und „Solution Management“ zugeordnet. Hierbei haben die Mitarbeitenden mehrere Skills, sodass einige von ihnen in mehreren Pools vorhanden sind und für die Projekte mit ihren jeweiligen Fachkenntnissen zur Verfügung stehen. 

Poolmodell Testbereich

Beispielhaft anhand der zwei dargestellten SCRUM-Projekte kann sich eine Situation ergeben, in der in bestimmten Sprints eine gewisse Expertise notwendig ist. Da im Projekt 2 nach dem Sprint 2 Felix als SolutionManager-Experte aus einem Grund nicht mehr dabei sein kann, soll diese Rolle möglichst zum Sprintstart nachbesetzt werden und hierfür kommt Diana aus dem Projekt 1 in Frage. Weil Emma als ChatGPT-Testfallerstellerin das Projekt wechselt und diese Rolle für die Sprints 3 und 4 im Projekt 2 nachbesetzt werden muss, springt hier für diesen Zeitraum Claus ein. Dafür muss Andreas für diesen Zeitraum für Claus‘ Position im Projekt 2 als Testautomatisierer nachrücken, wechselt aber danach wie Claus in seine vorherige Position in seinem alten Projekt.

Wie man hier in den Sprints 3 und 4 des ersten Projekts und Sprints 5 und 6 des zweiten Projekts erkennen kann, sind nicht alle Rollen besetzt. In solchen Fällen muss man situativ bewerten und entscheiden, welche Optionen möglich sind und wie man das Risiko in jedem Projekt minimieren kann.

Selbstverständlich handelt es sich um ein Beispiel, bei welchem angenommen wird, dass sowohl die Mitarbeitenden bzw. Dienstleister als auch Kunden mit einem solchen Modell und Vorgehen einverstanden sind. Wenn man sich aber weitere Pools und eine größere Anzahl an Fachkräften vorstellt, dann liefert dieses Modell mehr Flexibilität und somit weniger Risiko für die Nachbesetzungen in den Projekten.

Menschen und ihre Skills

Die Virtualisierung des Arbeitsalltags, die sich seit der Corona-Pandemie als etablierte Praxis darstellt, wird sich in Zukunft Dank der zunehmenden Technologisierung weiter zuspitzen. Im Bereich Softwareentwicklung war die virtuelle Zusammenarbeit bereits etabliert. Regelmäßige Anwesenheit an einem Standort ist nicht mehr notwendig, denn virtuelle Planungs- Steuerungsmeetings sowie Workshops mittels State-of-the-Art Cloud-Collaboration-Tools (Miro, Teams, Planner…) werden zukünftig weitestgehend flexibilisiert.

Durch die Möglichkeit von zuhause aus zu arbeiten und die Homeoffice-Nutzung, die aus dem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken ist, hat sich zwar das Bild von Rollen und deren Aufgaben im Rahmen des Testmanagements nicht verändert, gewinnt ein wichtiger neuer Aspekt an Bedeutung: Die Rolle der Testperson wird dezentralisiert, d.h. jemand in dieser Position kann die eigenen Aufgaben problemlos von einem Standort erledigen, der in einer vom „Projektstandort“ abweichenden Zeitzone liegt. Verglichen mit anderen Positionen und deren Aufgaben kann so ein Tester mit erforderlicher Systemunterstützung seine Arbeitspakete zwar weiterhin im Rahmen eines Sprints, aber asynchron zum Team durchführen, indem er dies von einem anderen Kontinent erledigt. Bei verstärkter Anwendung ließen sich nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch Ergebnisse beschleunigen.

Auch wenn es sich schwer glauben lässt, noch vor ca. zehn Jahren wurde das Thema Testen und Qualitätssicherung in manchen Branchen (wie z.B. Handel) eher nachlässig behandelt. Natürlich hat man (bei neuen Releases) getestet, es waren aber nur in seltenen Fällen ausgebildete Testpersonen, die diese Tests durchgeführt haben. Darüber hinaus hat man in der Rolle Testmanager, manchmal „nur“ eine weitere Manager-Rolle gesehen. Es kam immer auf Einzelne an, die Qualität der auszuliefernden Software fachlich zu belegen. Die Verteilung der Ressourcen und des Budgets in Projekten war schon immer von Branche, Zielgruppe, dem Produkt und schließlich dessen Kritikalität abhängig. 

Nach der Etablierung von Testabteilungen und Testrollen (wie Tester, Testmanager oder Testanalyst) in manchen Unternehmen ist die Nachfrage nach entsprechenden Fachkräften so rasant gestiegen, dass diese Ressourcen nie ausreichend vorhanden waren. Und aus diesem Grund haben oft die Business Analysten oder Product Owner weiterhin selbst diese Aufgaben übernommen. 

In den letzten Jahren ist ein neuer Trend in den Unternehmen zu spüren: man zieht die Fachbereiche hinzu, welche sogenannten Key User benennen. Diese übernehmen nicht nur den Informationstransfer zwischen den Fachbereichen und dem Projektteam, sondern versetzen sich während einer Testphase in die Rolle des Testers. Somit wird gewährleistet, dass auch die Personen, die sich mit den entsprechenden Geschäftsprozessen und dem zu testendem System beschäftigen, dieses Wissen an Kolleginnen und Kollegen weitergeben können. Ein weiterer Vorteil ist, dass ein Testmanager oder Tester, der in die Prozesse des Fachbereichs nicht vollumfänglich involviert ist, sich auf die Funktionen des Systems konzentrieren kann. Somit kann der Fokus beim Testen bei diesen Personen variieren. Vorausgesetzt, dass man im Projekt rechtzeitig die Fachbereiche in die Testabläufe einbezieht, kommt das Ressourcenproblem auch seltener zum Vorschein.

Unter diesen technokratischen Entwicklungen scheint die Bedeutung des Menschen zu schwinden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Der Mensch ist als Kunde nicht nur Anforderungsgeber und Leistungsempfänger, er ist als Mitarbeitender auch Initiator und Gestalter von Qualität und Produktivität.

Bei den Themen Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit spielt Testen ebenso eine große Rolle. Um möglichst Ressourcen zu schonen, sollte man sich frühestmöglich mit dem Testen beschäftigen. Je früher Fehler entdeckt werden, umso eher können sie korrigiert werden und der Endkunde erhält das Produkt in kürzerer Zeit. Wenn hierbei zusätzlich noch in die Testautomatisierung investiert wird, so ist der Aspekt der Nachhaltigkeit noch stärker verankert, da die menschlichen Ressourcen dadurch auf Dauer stark eingespart werden können. Bei der Barrierefreiheit und insbesondere der Inklusion spielt der soziale Aspekt eine entscheidende Rolle, da Menschen mit unterschiedlichsten Anforderungen auf dieselben Produkte schauen. In einigen Projekten z.B. werden extra Menschen mit autistischen Störungen als Testpersonen eingesetzt, weil durch sie Fehler in den Systemen aufgedeckt werden, die sogar von Testprofis oft übersehen werden. Solche Menschen arbeiten ihre Aufgabe viel konzentrierter ab und haben eine andere Perspektive auf Details. Und diese Fähigkeiten sind beim Qualitätsmanagement ungemein wichtig.

Fazit

Die Technologie wird die Innovationsmaschinerie in Zukunft deutlich aufwirbeln und sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitenden vor neue Herausforderungen stellen. Einerseits müssen Unternehmen neue Organisationsformen etablieren, die ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entwickeln können und mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation von den Mitarbeitenden abverlangen. Gleichermaßen müssen auch die Mitarbeitenden zunehmend flexibel sein, neue Skills und Kompetenzen schnell zu erwerben, um mit der Veränderung Schritt zu halten. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es durch die fortschreitende Digitalisierung auch im Bereich des Testmanagements neue Entwicklungen zu verzeichnen gibt. Wie bei den meisten Veränderungen begegnet man auch diesen erst einmal mit Skepsis, lernt sieaber irgendwann zu lieben, um später zu erkennen, dass man auf diese nicht verzichten will oder kann. Ähnlich wird es mit der aktuellen Entwicklung passieren. Cloud, KI, ChatGPT wird sich für das Testmanagement als unverzichtbar erweisen. Hierbei werden neue Fachrichtungen und Expertisen auf dem Arbeitsmarkt entstehen. Durch den Einsatz von erwähnten Technologien wird der Konkurrenzkampf auf dem Markt noch stärker in den Vordergrund treten. Für die Unternehmen, die hier den rechtzeitigen Einstieg verpasst haben, kann es sehr schnell kritisch werden zu überleben.

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