Vier Empfehlungen für das Design von IT-Services
Öffentliche Verwaltung

Vier Empfehlungen für das Design von IT-Services

IT-Services haben das Potential, eine Quelle des Mehrwerts zu sein. Die gute Nachricht: Sie haben es in der Hand, Ihre IT-Services mit wenigen, dafür aber wichtigen Schritten zum Erfolg zu führen.

Organisationen gestalten sich immer komplexer. Insbesondere im öffentlichen Sektor verlieren sie an fachlicher und organisatorischer Transparenz. Kompetenz- und Verantwortungstragende sind nicht immer jedem Mitarbeitenden bekannt. Unbekannte Ziele und unklare Zuständigkeiten stellen Herausforderungen dar. Fehlende Verantwortungskompetenzen, unzureichende Ressourcen und eine Vielzahl an Rollen, die von Wenigen bekleidet werden müssen, machen die Strukturen von IT-Abteilungen spröde und anfälliger gegenüber Fehlentscheidungen. Entscheidungen werden pauschalisiert und für alle IT-Services gleichermaßen getroffen. IT-Services, die individuelle Aufmerksamkeit benötigen - z. B. durch technische Abhängigkeiten - werden nicht immer beachtet und verlieren somit ungewollt an Service-Qualität. Defizite wie unterschiedliche Begrifflichkeiten und das Einführen von mehreren Frameworks zu gleichen Themen erschweren zusätzlich Entscheidungsfindungen. IT-Mitarbeitende diskutieren zeitintensiv mit unterschiedlichen Fachbegriffen, meinen jedoch dasselbe. Die gesamte IT-Abteilung mit ihrer Bringschuld an IT-Services wird aufgrund dessen mit allen Facetten in Mitleidenschaft gezogen. Qualitative, zeitliche sowie monetäre Einbußen sind die Folgen. Fehlende Instrumente (ITSM-Tools*) zur Steuerung von IT-Services vertiefen das Problem.

Die Theorie kennt viele Lösungen. Diverse Frameworks versprechen „Best practice“-Lösungen in der ITSM-Welt. Doch die Umsetzung in die Praxis überfordert manche, insbesondere wenn man neu in diesem Metier ist und geringe Erfahrungen vorweisen kann. Langjährige ITSM-Projekterfahrung ist ausschlaggebend für ein erfolgreiches Etablieren von IT-Services in einer Organisation. Die unterschiedlichen Gegebenheiten und die Anzahl der Einflussfaktoren vor Ort - wie unter anderem die Organisationsstruktur, die Rollen- und Aufgabenverteilungen - sind so vielfältig, dass es unmöglich wäre, eine Lösung für alle Herausforderungen zu beschreiben.

Die gemeinsame Wertschöpfung mittels IT als solche definiert den Begriff IT-Service. Dieser Begriff sollte individuell angepasst und in den jeweiligen Organisationen optimiert werden. Dies kann mit wenigen und einfachen Schritten so definiert und gestaltet werden, dass sie später in den gängigsten Organisationen ohne großen Aufwand etabliert und gelenkt werden können.

ITIL 4 und seine Einflussfaktoren mit Wertschöpfung im Rahmen Produkt und Service – Quelle: Axelos Copyright ITIL Foundation Buch

Von der Vision zum IT-Service

Entscheidungen zu IT-Service-Gestaltung werden aufgrund von Verkettungen unglücklicher Umfeldfaktoren nicht bzw. nicht genügend detailliert getroffen. Hierbei ist es wichtig, die kausalen Zusammenhänge wie technische Abhängigkeiten und organisatorische Rollen genau zu beobachten und mit in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Gleichzeitig gibt es zwingend notwendige Angaben zu einem IT-Service, wie z. B. Service-Name, Service-Owner, Liefereinheiten, Leistungsbeschreibung und Servicezeiten. Es gibt auch Positionen bzw. Angaben, die im Nachgang noch bestimmt oder nachgeschärft werden können, wie z. B. Service-Klassen, Preis- oder Mess- und Berichtsverfahren.

Empfehlung 1

Für eine strukturierte IT-Service-Lenkung ist es zwingend notwendig, dass ein einheitliches Zielbild und -Verständnis existiert. Und das nicht nur auf den höchsten Leitungsebenen, weil es dort entwickelt wurde, sondern auch beim mittleren Management. Denn dieses muss aus den Zielbildern konkrete Maßnahmen ableiten können. Und hier wird bereits indirekt der Grundstein für einen IT-Service gelegt. Dieser Grundstein spiegelt die strategische Ausrichtung einer IT-Abteilung und somit auch die Gestaltung des Portfolios für IT-Services wieder.

In der freien Wirtschaft und bei einigen Behörden kann man es beobachten: Je SMARTer die Ziele einer IT-Abteilung definiert werden, desto höher ist der Mehrwert eines IT-Services. In so einem Fall sind die IT-Ziele über alle Ebenen der Organisation aufeinander abgestimmt und stellen keine konfliktären Ziele dar.

Organisationsebenen und deren Ziele – Quelle: Cassini Consulting
Organisationsebenen und deren Ziele – Quelle: Cassini Consulting

IT-Services können mit einem höheren Mehrwert designt werden, wenn sich die IT-Mitarbeitenden als einen Teil des großen Ganzen sehen und die Zielerreichung aus Überzeugung verfolgen. Im Sinne der IT Business Alignment müssen IT-Strategie und IT-Prozess aufeinander angestimmt sein. Sie können Sichtweisen mit einbringen, die Unbeteiligte nur im Laufe der Zeit in Erfahrung bringen würden. Das intensive Miteinbringen der Mitarbeitenden kann nur dann geschehen, wenn sie auch die Ziele verstehen und akzeptieren. Die richtige Ausrichtung bei kaskadierten Zielen schafft die notwendige Transparenz und Akzeptanz. Mit ITIL-4-Organisational-Change-Management können IT-Mitarbeitende abgeholt werden, ihre Potentiale und Befürchtungen analysiert und im Sinne der Transparenz und Akzeptanz gezielt unterstützt werden.

Der IT-Service-Maßanzug von der Stange

Standardisiert und doch maßgeschneidert sollten die IT-Services sein. Das ist kein Widerspruch, sondern Ziel und Zweck von ITIL. Eine optimierte IT-Landschaft mit verbesserten IT-Services für Ihre Organisation und mit einem Mehrwert für Ihre Kunden.

Empfehlung 2

ITIL gibt sehr viele Beispiele her, wie ein IT-Service in der Theorie aussehen und wie dieser gesteuert werden kann. Die sogenannten „Good practices“ sind jedoch lediglich Empfehlungen, wie IT-Services ein hohes Maß an Mehrwert generieren könnten. Hierfür sind auch optimale Voraussetzungen und Annahmen angesetzt, die sich in der Praxis selten wiederspiegeln. Jede Organisation hat seine eigenen individuellen Einflussfaktoren (Organisationsstrukturen Matrix- oder Linienorganisation, die Rollen- und Aufgabenverteilungen, Fähigkeiten und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). Diese gilt es unbedingt mit zu berücksichtigen. Daher ist es wichtig, die Empfehlungen von ITIL nicht auf Biegen und Brechen so umzusetzen, wie es in der Theorie beschrieben ist, sondern die Lösungen anhand der Organisationsstruktur maßgerecht zu schneidern. Daher ist auch das Tailoring einer der wichtigsten Aspekte von ITIL.

Tailoring erfolgt mit einer ausgiebigen Analyse der IT-Landschaft und der Organisationsstruktur. Was sind die IT-Service-Leistungen und welchen Mehrwert bieten diese? Wie sind die Arbeitsabläufe, die Prozesse und die Verantwortlichkeiten? Diese und viele weitere Fragen werden erfasst und ausgewertet, um optimierte Lösungen anbieten zu können. Je nach Ausprägung und Reife der IT-Landschaft können diese mehr oder weniger aufwändig sein.

Hierbei sollten die IT-Services so designt werden, wie sie am besten in die Organisation integriert werden können. Dies könnte zur Folge haben, dass die Organisationsstruktur ggfs. für eine optimierte IT-Service-Erbringung angepasst werden muss. Die IT-Organisation und die IT-Servicestrukturen gehen Hand in Hand und sollten in allen Belangen aufeinander abgestimmt sein. Organigramme spiegeln Verantwortliche und Leistungserbringende für einen IT-Service wieder.

Die Jagd nach dem perfekten IT-Service

Nachdem die Ziele einer Organisation bekannt sind, beginnt das Streben nach Perfektion: der perfekte IT-Service von Anbeginn der Zeit.

Bedauerlicherweise müssen wir immer wieder feststellen, dass die Anforderungen an einen IT-Service künstlich verkompliziert werden. Es werden Leistungen in einen IT-Servicerahmen hinein definiert, die zum Teil durch mehrere Organisationseinheiten erbracht werden. Oder es werden IT-Services definiert, die mehrere Ansprechpartner und partnerinnen als Service-Owner haben. Anhand des Beispiels können wir unter anderem erkennen, dass die Definition von IT-Services und deren Ansprechpersonen die Komplexität bestimmt. Während Beispiel 1 mit mehreren IT-Service-Abhängigkeiten und unterschiedlichen Ansprechpersonen eine komplexe Darstellung zeigt, ist Beispiel 3 mit nur einer Person und einer IT-Service-Definition eine einfache Darstellung (s. Abbildung).

Darstellung IT-Servicedesign und Ansprechpersonen – Quelle: Cassini Consulting

Empfehlung 3

Klein starten. Auch wenn die Anforderungen an einen IT-Service nicht vollständig sind, kann mit der IT-Leistungserbringung begonnen werden. Wichtig ist das große Ganze in kleine, iterative Schritte und Arbeitspakete aufzuteilen. Mit jedem abgeschlossenen Arbeitspaket nimmt die Qualität Ihres IT-Services zu. Die Herausforderung ist, die im Laufe der Zeit entdeckten Lücken auch zeitnah zu schließen und sie nicht zu verschleppen oder gar hinzunehmen.

Essenziell und unerlässlich ist die Lenkung und Befähigung der IT-Mitarbeitenden im Rahmen eines IT-Services. IT lebt und entwickelt sich ständig weiter. In Anbetracht der technologischen Entwicklung ist es zudem notwendig, dass sich die IT-Services einer Organisation ebenfalls ständig weiterentwickeln. Aus der Vogelperspektive betrachtet ist es also ausgeschlossen, den perfekten IT-Service anzustreben. Die Anforderungen von heute sind nach spätestens einem Jahr veraltet. Auch wenn es in aller Munde ist, ist die Anforderung nach agilem IT-Service Management doch gerechtfertigt. Beginnen Sie mit einem IT-Service als Minimum Viable Product (MVP), das mit den Mindestanforderungen produktiv gehen kann. ITIL 4 bedient mit seinen agilen Ansätzen genau den Bedarf, der bisher extern bedient werden musste, da diese im Rahmenwerk ITIL v3 nicht enthalten waren.

IT-Service als MVP – Quelle: Cassini Consulting

Kulturwandel für einen IT-Service mit Mehrwert

Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Diese Aussage gilt auch für Organisationen ohne eine Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung. Die Mitarbeitenden der Organisation stellen hier das Glied dar, das es zu stärken gilt.

Empfehlung 4

Nicht nur das „Hey Joe-Prinzip“ stellt ein Risiko für den optimierten Ablauf einer Organisation dar. Mitarbeitende, die am IT-Prozess vorbei auf Zuruf arbeiten, verfälschen unbewusst KPIs, die für die Steuerung von IT-Services unerlässlich sind. Wenn wir diesem Ereignis auf den Grund gehen, können wir entdecken, warum sie ihre Prozesse nicht einhalten. Von den vielen möglichen Gründen, die aufgedeckt wurden, stechen zwei Gründe besonders hervor.

Lange dauernde und nicht transparente Prozesse sind der Hauptgrund schlechthin. Bei einem genaueren Blick hinter die Kulissen kann man feststellen, dass in solchen Organisationen kaum eine Unternehmenskultur der Verbesserung gelebt wird. ITIL 4 bietet mit seinem CI-Model einen sehr praktischen Leitfaden für den Ablauf einer Verbesserung.  Die kontinuierliche Verbesserung ist nichts Neues und jede Organisation wird behaupten, dass sie einen Leitfaden für das Thema Verbesserung hat. Aber es ist schwer, etwas einzuhalten und es im Alltag zu leben, wenn dem Thema nicht genug Aufmerksamkeit durch das Management der Organisation geschenkt wird. Die Akzeptanz dieser Kultur kann den Mitarbeitenden nicht aufgezwungen werden. Vielmehr müssen sie verstehen, warum es wichtig und unverzichtbar ist, eine ständige Verbesserung für Arbeitsschritte und -abläufe zu etablieren und zu leben. Ein gewisser Kulturwandel und die Akzeptanz können zum Beispiel durch Organisational-Change-Management unterstützt werden. Hierbei werden die Bedürfnisse der Mitarbeitenden analysiert und Schritt für Schritt das Alignment aufgebaut. Allerdings ist darauf zu achten, dass kein künstlicher Overhead erzeugt wird und die Optimierungsmaßnahmen mehr Zeit und Aufwand kosten, als die eigentliche alltägliche Arbeit. Hier sind wir erneut bei der aktiven Steuerung durch das Management angelangt.

CI-Model nach ITIL 4 – Quelle: Axelos Copyright ITIL 4 Practice Guide
CI-Model nach ITIL 4 – Quelle: Axelos Copyright ITIL 4 Practice Guide

Fazit

Wir halten fest:

  • Die Qualität des IT-Services bei einem Unternehmen beginnt bei dessen Vision und Mission. IT-Mitarbeitende müssen sie kennen und verstehen, um mit Überzeugung ihre Aufgaben wahrnehmen zu können.
  • Bei der Gestaltung von IT-Services sollten Sie das nutzen, was die Theorie Ihnen bietet. Hier müssen Sie das Rad nicht neu erfinden. Passen Sie es jedoch unbedingt Ihrer Organisation an. Sie können auch Ihre Organisation den Vorgaben der Theorie anpassen. Es muss in jedem Fall eine konstruktive Adaption stattfinden.
  • Sie sollten nicht versuchen, Ihre IT-Services in Perfektion zu starten, sondern mit minimalen Anforderungen beginnen und im Laufe der Zeit ausbauen. Wenn Sie am Anfang auf die tadellose Definition eines IT-Services warten, verlieren Sie kostbare Zeit. Zeit, in der IT-Serviceleistungen am Prozess vorbei geleistet werden und es mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, im Nachgang diesen Missstand zu bereinigen.
  • Leben Sie die Verbesserungskultur in Ihrem Unternehmen vor. Nur wenn Sie es auf allen Ebenen leben, werden auch Verbesserungen von allen angestrebt und durchgeführt. So kann auch die ständige Verbesserung von IT-Services sichergestellt werden. Dies erhöht wiederum den Mehrwert von IT-Services in Ihrem Unternehmen.

Wir stellen fest: Nicht nur die IT-Services selbst müssen designt und gesteuert werden, sondern auch die dazu gehörige Organisation mit ihrer Unternehmenskultur. Alle Ziele müssen kaskadiert im Einklang aufeinander abgestimmt sein. Nur wenn alle Zahnräder ineinandergreifen, kann das große Uhrwerk funktionieren.
So steht einem erfolgreichen Portfolio an qualitativ hochwertigen IT-Services mit Mehrwert nichts mehr im Wege.

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