Vom Bodyleasing zum Managed Service
Ein Erfahrungsbericht und Ratgeber.

Vom Bodyleasing zum Managed Service

Als Unternehmensberatender lernt man von Berufs wegen viele verschiedene Unternehmen, Projekte, Menschen, Charaktere und Situationen kennen. Über eines dieser Projekte möchte ich hier berichten und gleichzeitig auch an einigen Stellen Tipps mitgeben, da die erlebten Situationen sicherlich kein Einzelfall waren und viele Unternehmen in einer ähnlichen Lage stecken bzw. vor einer vergleichbaren Herausforderung stehen. Ich denke, dass sich viele in dieser Situation wiederfinden und aus den folgenden Zeilen das Wissen ziehen, wie in einer Outsourcing-Situation mit speziellen Bedingungen am besten verfahren werden sollte.

Das betreffende Unternehmen (im Folgenden auch „Kunde“ genannt) war in folgender Situation: Im Zuge einer unternehmensweiten Initiative zur Kosteneinsparung stand unter anderem auch ein Outsourcing von Teilen der IT an. Bisher wurden – zusätzlich zu den festangestellten IT-Mitarbeitenden – hauptsächlich IT-Fachkräfte im Sinne eines Bodyleasing-Modells extern “hinzugekauft”. Diese konnten relativ direkt geführt und gesteuert werden. Da diese Methodik unüberschaubare Ausmaße angenommen hatte, stiegen die IT-Kosten von Jahr zu Jahr weiter an, weshalb hier entgegengewirkt werden sollte. Zudem war geplant, zukünftig mehr interne Kapazitäten aus dem Betrieb abzuziehen, um ihnen höherwertige Entwicklungsaufgaben zu übertragen und so Kosten zu sparen. Dies sollte nun durch eine gezielte Auslagerung eines Teils der IT (hauptsächlich der Bereiche Applikationsbetrieb und Support) an einen externen Dienstleister erreicht werden. Da man bisher in diesem Umfang wenig Erfahrungen mit Outsourcing-Projekten hatte, wurden wir als IT-Sourcingberatung zur Unterstützung hinzugezogen. Nach einer Einordnung der Gesamtsituation und ersten Analysen gaben wir den Impuls, die Leistungen als Managed Services auszuschreiben, was durchaus dem marktüblichen Vorgehen entspricht. Dieses für den Kunden neue Modell des Leistungsbezugs stellte uns vor die Herausforderung, nicht nur alle erforderlichen Dokumente zu erstellen bzw. abzustimmen, sondern auch eine gewisse Pionierarbeit bei der Erläuterung der Vorgehensweisen und Methoden eines Managed Services zu leisten. Dies soll in den nächsten Kapiteln beschrieben werden.

Vorgelagerte Analysen

Zur Prüfung und Validierung der Ausgangssituation ergibt es bei Applikationssourcings oft Sinn, zuerst eine Analyse und Bewertung der Applikationslandschaft und gegebenenfalls auch einen indikativen Benchmark durchzuführen, was wir beides in diesem Fall getan haben. Durch die intensive Beschäftigung mit den auszulagernden Services konnten wir uns gemeinsam mit dem Kunden ein klareres Bild von den Applikationen insgesamt und den Anforderungen für die Serviceerbringung machen sowie auch den Schnitt der Leistungen verfeinern (wo enden die Leistungen des zukünftigen Dienstleisters und wo beginnt die Leistung der IT-Abteilung des Kunden). Dadurch konnten wir den Dienstleistern später viel gezieltere Anforderungen in den Leistungsbeschreibungen nennen und von diesen von Anfang an validere Angebote erhalten. Durch den indikativen Benchmark wusste der Kunde schon im Vorfeld, welche Preise für die auszulagernden Services marktüblich sind. Dies hatte weiterhin zur Folge, dass er später nicht von den kommerziellen Angeboten der Dienstleister überrascht wurde und so im Laufe der Ausschreibung gezielter verhandeln konnte.

Zunächst ist es wichtig, eine Analyse und Bewertung der Ist-Situation und gegebenenfalls auch einen indikativen Benchmark durchzuführen.

Marco Müller-Nentwig, Management Consultant

Änderung der Denkweise – Organizational Change

Hat man Jahrzehnte lang mit einer bestimmten Methodik gearbeitet – hier das Bodyleasing – , so ist es zunächst schwierig, sich auf ein neues System – hier der Managed Service – einzustellen. Dies hat einerseits mit dem reinen Verständnis zu tun, wofür man später noch selbst verantwortlich ist und was der Dienstleister übernehmen wird. Andererseits sind einige Manager auch nicht (sofort) gewillt, die Kontrolle abzugeben. Zum Beispiel, wenn sie im neuen Modell nicht mehr direkt auf Mitarbeitende einwirken können.

Exkurs: Beim Bodyleasing wird klassisch der Einsatz von Mitarbeitenden bestimmter Erfahrungsstufen geschuldet. Diese werden, je länger sie in einem Unternehmen tätig sind, tendenziell teurer, bringen jedoch eine valide Expertise mit. Eine Erfolgsgarantie geschweige denn Möglichkeit zur Pönalisierung gibt es kaum, es sei denn man verlangt den Austausch eines Mitarbeiters aufgrund von nachgewiesen schlechter Leistung.
Bei einem eingekauften Managed Service wird im Gegensatz dazu die durch einen meist externen Dienstleister erbrachte Leistung klassisch durch Leistungsbeschreibungen und ein entsprechendes Vertragswerk vereinbart. Der Dienstleister schuldet hier den Erfolg der festgelegten Leistungen, die durch den Kunden über im Vorhinein abgestimmte Service Level Agreements (beispielsweise Verfügbarkeiten, Ausfälle oder Bereitstellungszeiten), Kennzahlen und monatliche Reports kontrolliert und gesteuert werden. Ein weiterer positiver Aspekt im Gegensatz zum Bodyleasing-Modell ist das meist für mehrere Jahre im Voraus festgelegte Preismodell, das dem Kunden eine recht große Planungssicherheit gibt.

Trotz der offensichtlichen Vorteile ist für die Anwendung der neuen Methodik im Unternehmen ein klares Umdenken erforderlich, um sich auf die veränderte Situation in einem Managed-Service-Szenario einzustellen. Zur Erreichung dieses Umdenkens braucht es von Anfang an sachliche und verständliche Argumente und einen oder besser mehrere interne Verfechter des Managed-Service-Modells, die dieses nicht nur umfänglich verstanden haben, sondern auch die Vorteile in die Organisation tragen, um Unsicherheiten und Vorbehalte abzuschwächen. Dies muss einerseits bei Management-Terminen und in der Führungsebene geschehen, denn diese ist am Ende für die Outsourcing-Entscheidung verantwortlich. Wir hatten bei unserem Projekt das Glück, dass wir gleich mehrere interne Mitarbeitende im Projektteam hatten, die diese Rolle sehr gut ausfüllten. Andererseits empfiehlt es sich dringend, von Beginn an eine stringente und transparente Kommunikation zu allen Mitarbeitenden des Unternehmens aufzubauen. Sind die Mitarbeitenden über die Ziele, die Hintergründe und den Fortgang des Projektes laufend informiert, nimmt man ihnen Teile ihrer Angst und Unsicherheit und kann ihren Fragen und Sorgen direkt begegnen. Zudem ist besonders auf die Menschen einzugehen, die nach der Ausschreibung neue und ungewohnte Aufgaben bzw. eine andere Rolle übernehmen sollen. Wir haben dafür Coachings und Trainings angeboten und bei Bedarf auch eine individuelle und persönliche Kommunikation mit den Vorgesetzten, die die Mitarbeitenden aktiv einbanden.

Dies alles war unbedingt notwendig, um im Unternehmen keinen Unmut und Widerstand gegen das Outsourcing bzw. das Projekt und die neue Methodik zu schüren, denn es sollten nach Möglichkeit bei der Erstellung der Vertragsunterlagen alle Abteilungen an einem Strang ziehen, um eine bestmögliche Vorbereitung zu gewährleisten.

Es ist für ein derartiges Projekt essentiell, dass es Personen im Unternehmen gibt, die das Vorhaben verstanden haben und fest davon überzeugt sind, um dies engagiert in die Organisation zu tragen. Der Change-Prozess muss dabei immer von transparenter und empathischer Kommunikation begleitet werden.

Marco Müller-Nentwig, Management Consultant

Vorbereitung der Ausschreibung

Nach der Klärung der Methodik und der auszulagernden Services folgte nun die Erstellung und interne Abstimmung der notwendigen Ausschreibungs- und Vertragsdokumente. Dazu zählen im Regelfall neben einem übergreifenden Rahmenvertrag und den zugehörigen Anlagen wie der Vertragsgovernance, der IT-Sicherheit, dem Service Management oder dem Exit-Management vor allem die Leistungsbeschreibungen, die die auszulagernden Services auf einem detaillierten Niveau beschreiben. Aber auch eine umfassende Erläuterung des Vorhabens sowie diverse begleitende Ausschreibungs-Dokumente sind Teil dessen. Die Beistellung der relevanten Templates war hierbei hauptsächlich unsere Aufgabe als Sourcingberater, ebenso wie die Abstimmung dieser Vorlagen mit den entsprechenden Fachkräften beim Kunden (Recht, Einkauf, IT, Sicherheit etc.). Die Finalisierung aller Dokumente erfolgte selbstverständlich immer in Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Projektleiter auf Kundenseite, der auch bei den meisten Gesprächen anwesend war, um die interne Sicht des Projektes zu vertreten.

Eine weitere Aufgabe bei der Vorbereitung war für uns die Abstimmung einer einheitlichen, vollständigen und stringenten Bewertungsmatrix, die sowohl bei den schriftlichen Angeboten als auch bei Dienstleister-Präsentationen zur Anwendung kam und nachvollziehbare Beurteilungen ermöglichte. Dies war in Bezug auf die Dienstleister wichtig, um ein Ausscheiden erklären zu können und gegebenenfalls die Beziehung des Kunden zum Dienstleister nicht nachhaltig zu belasten. Auch für Management- und Entscheidungsgremien und nicht zuletzt zur eigenen Absicherung der getroffenen Entscheidungen war diese Bewertungsmatrix sehr relevant.

Eine Bewertungsmatrix dient nicht nur als Entscheidungsgrundlage für das Management – sie wirkt sich auch positiv auf die nachhaltigen Beziehungen zu den Dienstleistern aus.

Marco Müller-Nentwig, Management Consultant

Durchführung der Ausschreibung und der Vertragsverhandlungen

Auf Basis der erstellten Vertragsdokumente und der Anforderungen wurden mehrere Dienstleister eingeladen, an der Ausschreibung teilzunehmen. Die Auswahl erfolgte anhand von Kriterien wie Lieferfähigkeit, Größe, Kosten, Sicherheitsaspekten und persönlichen Erfahrungen des Kunden. Dabei wurden sowohl Dienstleister in näherer Umgebung als auch europäische und außereuropäische Provider berücksichtigt. Wir als Sourcing-Berater konnten dabei einen Marktüberblick und eine Auswahl passender Dienstleister beisteuern, um bereits auf der Longlist viele potenziell gute Kandidaten zu haben. Den ausgewählten Dienstleistern wurden nun zur Angebotserstellung die erarbeiteten Ausschreibungs- und Vertragsdokumente zugesendet.

Nach einer ersten Bewertung der später eingegangenen Angebote wurde eine Shortlist mit vier Dienstleistern erstellt, die jeweils zu einer Präsentation ihrer Angebote eingeladen wurden. Vorher wurde zudem allen die Gelegenheit gegeben, während einer Websession auf Basis einer von den Dienstleistern erstellten Fragenliste weitere Informationen zu den Anforderungen einzuholen und ihre Angebote dadurch zu verfeinern. Es empfiehlt sich für ein besseres Verständnis der Arbeitsweise und Expertise der potenziellen neuen Dienstleister, Referenztelefonate mit jeweils mindestens zwei aktuellen Kunden der Dienstleister durchzuführen, die möglichst ähnliche Lieferszenarien aufweisen. Dies ermöglicht es, zu erfahren, wie die Provider nach der Vertragsunterschrift bei der Leistungsübernahme performen und auch darüber hinaus im Betrieb leisten.

Nach den Präsentationen der Dienstleister und einer weiteren Bewertung blieben noch drei potenzielle Kandidaten im Rennen. Mit diesen wurde eine Due Diligence durchgeführt, die die Dienstleister jeweils selbst vorbereiteten und dadurch ihr Verständnis des zukünftigen Vertrags und der Services weiter vertiefen konnten. Im Anschluss daran wurden aktualisierte Angebote abgegeben, die wiederum nach einer entsprechenden Bewertung zur Einladung von zwei Dienstleistern zu den Vertragsverhandlungen führten.

Da es in diesem Artikel nicht um die fachlichen Finessen und Strategien einer Vertragsverhandlung geht, sollen hier nur einige Kernpunkte und Empfehlungen dazu festgehalten werden:

  • Im Vorfeld zu einer Verhandlung sollten idealerweise immer die zu verhandelnden Themen geklärt werden, um die Zeitplanung einhalten zu können und nicht laufend neue Verhandlungspunkte aufzumachen.
  • Die Hoheit über die Änderung von Dokumenten sollte immer der Kunde (bzw. stellvertretend der Sourcing-Berater) haben, um Überraschungen und Versionskonflikte zu vermeiden.
  • Für eine effiziente Durchführung ist es wichtig, dass immer alle relevanten Personen anwesend und entscheidungsbefugt sind. Selbstverständlich gibt es auch immer die Möglichkeit, eine Verhandlung für Rückfragen zu unterbrechen oder Themen „mitzunehmen“, dies sollte aber die Ausnahme und nicht die Regel sein.

Nach Abschluss der Verhandlungen mit beiden Dienstleistern lagen nun zwei BAFOs (Best And Final Offers) auf dem Tisch, die mit Hilfe der abgestimmten Bewertungskriterien und der Erfahrungen aus den Verhandlungen erneut bewertet wurden. So konnte der passende Dienstleister für die avisierten Services ausgewählt und der Vertrag zeitnah unterschrieben werden.

Es sollte sich Zeit für die Bewertung der Dienstleister genommen werden. Nicht nur in intensiven Gesprächen und Präsentationen - auch Kunden der potentiellen Dienstleister sollten befragt werden.

Marco Müller-Nentwig, Management Consultant

Nach der Unterschrift ist vor der Transition

Mit einem unterschriebenen Vertrag ist ein großer Teil einer Ausschreibung endlich geschafft. Damit ist das Gesamtprojekt aber nicht zu Ende, denn nun steht die wichtige Transition, Transformation oder Migration der Leistungen vom alten (internen oder externen) zum neuen Dienstleister an. Dies ist für sich genommen ein eigenes Projekt und soll hier daher nicht ausführlich beschrieben werden. Nur so viel sei gesagt: die gute Vorbereitung und möglichst reibungsarme Durchführung legt den Grundstein für die Akzeptanz des Outsourcings im Unternehmen und auch für die zukünftige Zusammenarbeit mit dem neuen Dienstleister. Dieser Teil des Projektes sollte deshalb ebenso wie die Ausschreibung mit aller Kraft, Expertise und Aufmerksamkeit durchgeführt werden. Es empfiehlt sich hier, ebenfalls externe Beratung mit dem entsprechenden Know-how hinzuzuziehen, die als Transition-Manager fungieren und den Kunden entlasten kann. Idealerweise ist dies dieselbe Beratung, die auch die Ausschreibung begleitet hat und das Vertragswerk und den zukünftigen Dienstleister bereits kennt.

Die gute Vorbereitung und möglichst reibungsarme Durchführung legt den Grundstein für die Akzeptanz des Outsourcings im Unternehmen und auch für die zukünftige Zusammenarbeit mit dem neuen Dienstleister.

Marco Müller-Nentwig, Management Consultant

Fazit

Wie zu Beginn erwähnt, ist der Schritt von einem Bodyleasing-Modell zu einem Managed Service ein großer für eine Organisation und für die dort arbeitenden Menschen. Das nötige Umdenken in der Organisation ist somit dringend von Anfang an einzuleiten und über den gesamten Ausschreibungsprozess (und darüber hinaus) zu begleiten und zu fördern.

Ein weiterer Baustein zum Erfolg eines solchen Projektes ist es, als Unternehmen eigene Schwächen zu erkennen und sich externe Hilfe durch die professionelle Unterstützung einer IT-Sourcing-Beratung zu holen. Dies ist im Endeffekt zwingend erforderlich, um Kundenressourcen zu entlasten, das entsprechende Wissen zur Methodik und zu den Abläufen einer Ausschreibung einzubringen, aktuelles Marktwissen zu erhalten und das bestmögliche Ergebnis in den Vertragsverhandlungen zu erzielen.

Zum Abschluss sei gesagt, dass eine Ausschreibung – egal welchen Umfangs – ein herausforderndes Projekt für fast jedes Unternehmen darstellt. Dieses sollte daher gut vorbereitet und im Wissen der Beteiligten durchgeführt werden, dass es anstrengende Wochen und Monate werden. Nichtsdestotrotz lohnt sich der Aufwand mittel- bis langfristig für die meisten Unternehmen, denn sei es ein besserer Preis, eine höhere Qualität oder einfach die Entlastung von internen Ressourcen für andere wichtige Tätigkeiten: Mit der richtigen Expertise bei der Durchführung können die Vorteile einer Auslagerung ausgenutzt und Optimierungspotenziale langfristig gehoben werden.

Artikel von:
Marco Müller-Nentwig, Cassini Consulting
Marco Müller-Nentwig
Senior Management Consultant
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