Mit dem Bürgerbeteiligungsverfahren haben wir früher nur alte Menschen mit zu viel Freizeit erreicht. Jetzt, wo wir diese Veranstaltungen online per Videokonferenz durchführen können, erschließen wir uns ein ganz anderes Klientel, weil plötzlich auch Berufstätige mitwirken. Da haben wir etwas Neues kreiert, obwohl wir aus IT-Sicht nicht viel mehr als ein Standard-Tool zur Verfügung stellen. Das heißt, wir lösen Beschränkungen auf und Fachbereiche können plötzlich auch eigenständig innovativ an ihren Prozessen arbeiten. Dasselbe gilt für Bewerbungsgespräche, die jetzt auch entsprechend online laufen können. Vor der Pandemie hätte niemand gewagt, das zu tun.
In einem Wort zusammengefasst: Welche Rolle der IT würden Sie zukünftig durch diesen Wandel sehen?
Die als Partner.
Wodurch erreicht die Stadt den gemeinsamen Wissens- und Kompetenzaustausch und Aufbau zwischen IT und Fachbereich?
Im ersten Schritt dadurch, dass wir miteinander reden und ein Gefühl für die Problematiken des jeweils anderen entwickeln. Das lässt sich noch ausbauen bis hin zu Hospitationsmöglichkeiten. Damit fangen wir jetzt bei den Verwaltungs-Azubis an. Sie werden auch in die IT mit einbezogen. Andersherum wollen wir, dass auch IT-Azubis in die Fachbereiche gehen und dort mitarbeiten. Darüber hinaus entsteht auf Landesebene ein Ausbildungsprogramm zur Digitalisierungskompetenz. Das gucken wir uns gerade an und probieren es mit einer Teilnehmerin aus, wie wir mit einem Schulungsprogramm, vor allem auf Seiten der Führungskräfte in den Fachbereichen, mehr Digitalisierungskompetenz erlangen können.
Wie haben sich Digitalisierung und Pandemie als aktuell treibende Themen auf die Stadt Oberhausen und insbesondere auf die Ansprüche an die IT ausgewirkt?
Natürlich sind die Ansprüche an die IT deutlich gestiegen, natürlich auch dadurch, dass gewisse Fördergelder zur Verfügung gestellt werden. Auch die Möglichkeiten sind gestiegen. Fangen wir bei der Schule an, wo wir jetzt 6.000 mobile Endgeräte eingesetzt haben. Da verändert sich auch der Umgang mit solchen Dingen. Das geht weiter über Gesundheitsamt und Feuerwehr, die mit massenweiser Hardware, aber auch neuen Softwareprodukten ausgestattet werden mussten. Somit haben wir jetzt auch einen sehr hohen Digitalisierungsgrad in vielen Bereichen geschaffen. Wir haben Ende zu Ende digitalisierte Prozesse in der gesamten Kontaktnachverfolgung und das ist auch gut so. Wir haben die Tele-Heimarbeit-Lösungen massiv ausgebaut, von etwa 50 bis 100 Menschen auf rund 700. Damit haben wir ein ganz anderes Niveau erreicht. Hier und da scheitert es noch daran, dass vielleicht die ein oder andere Software nicht Citrix-fähig ist, um es in die Tele-Heimarbeit zu bringen. Dass wir solche Probleme haben zeigt aber auch, dass wir es damit ernst nehmen, das Ganze sicher und mit einem vernünftigen Datenschutz versehen gestalten wollen. Wir sind nur wenige Kompromisse eingegangen. Wir konnten sehr, sehr viele digitale Lösungen für die Stadtverwaltung umsetzen, mussten und müssen aber auch viel Engpass-Management betreiben. An jedem Tag ist irgendein anderer Lagerartikel aus, den wir dann wieder in den Zulauf bringen müssen. War es Ende letzten Jahres noch eine Herausforderung, 20 iPads an eine Schule zu bringen, haben wir jetzt eine Lieferung von 1.000 gekriegt und die Leute sagen: Ja okay, dann geben wir die in der nächsten Woche einmal an die Schulen weiter.
Die Pandemie hat den Themen also einen echten Schub gegeben. Auch unsere IT-Prozesse wurden deutlich in Richtung Effizienz getrimmt. Wo wir früher noch ein Blatt Papier ausgefüllt haben, um eine Erklärung vom Kunden aufzunehmen oder eine Freigabe zu erwirken, haben wir komplett auf digitale Prozesse umgestellt und unsere Arbeit zu großen Teilen automatisiert, um die Mengen, die jetzt ganz andere als vor der Pandemie sind, überhaupt bewältigen zu können.
Gibt es ein konkretes Projektbeispiel, bei dem die kombinierte Schlagkraft von IT und Fachbereich effektiv eingesetzt werden konnte?
Also ich würde die ganze Historie im Gesundheitsamt seit Pandemiebeginn heranziehen, wo wir es geschafft haben, bereits in den ersten Wochen eine sehr schlanke IT-Lösung zur Kontaktnachverfolgung bereitzustellen. Angefangen mit einem Excel, um die ganzen Leute in Quarantäne verwalten zu können, welches binnen einer Woche auf eine vernünftige Lösung mit einem Workflow basierten Tool umgestellt wurde. In der Interaktion zwischen dem Gesundheitsamt und der IT waren wir als eine der wenigen, wenn nicht sogar einzige Kommune in der Lage, schon sehr früh im letzten Jahr strukturierte Testungen in Altenpflegeheimen durchzuführen. So konnten wir Infektionen sehr früh erkennen, ihre Auswirkungen eindämmen und die Bewohner schützen. Das geschah auch im Zusammenspiel mit der Feuerwehr. IT-technisch haben wir ein System schnell aufgebaut und sind in der weiteren Professionalisierung wieder auf die hausüblichen Tools, die dann auch die Corona-Funktionalitäten nachprogrammiert hatten, zurückgeschwenkt. Das Migrationsprojekt zurück zur Standardlösung ist nicht reibungslos gelaufen, aber wir konnten in einem gemeinsamen Kraftakt alle Prozesse am Laufen halten. Es ist uns auch in dieser Umstellung gelungen, trotzdem noch Herr der Lage in der Pandemiebekämpfung zu bleiben.
Vielen herzlichen Dank für das Interview und die gewonnenen Eindrücke.