„Transparenz ist das oberste Ziel.“
Unsere Interviewreihe zum Thema IT-Kostenreduktion geht weiter. Zu Gast im zweiten Gespräch ist Dennis Gruschka gesprochen. Als IT-Leiter der edding AG in Ahrensburg weiß er um die Herausforderungen und Chancen einer guten IT-Budgetierung und den Umgang mit steigenden IT-Kosten.
Lieber Dennis, wir sprechen heute über IT-Kosten, -Kostenmanagement und IT-Budgetierung. Wie zufrieden bist du aktuell mit der Höhe deines IT-Budgets und welche Schwerpunkte setzt ihr bei euren Investitionen?
Derzeit bin ich noch zufrieden, obwohl unsere Situation weniger von internen Entscheidungen geprägt ist, sondern eher von den starken Kostenerhöhungen, die vor allem aus dem Bereich der Cloud auf uns zukommen. Besonders deutlich wird dies, wenn man bedenkt, dass wir in der Vergangenheit hauptsächlich mit bereits abgeschriebener Hardware gearbeitet haben und jetzt eine Modernisierung anstreben. Dabei stellen wir fest, dass sich dies in einem erheblichen Anstieg der operativen Kosten widerspiegelt, den es zu bewältigen gilt.
Unser Hauptaugenmerk liegt auf den Veränderungsthemen, an denen wir arbeiten. Insbesondere steht die Migration zum ERP-System SAP S/4HANA in den kommenden Jahren im Fokus, was auch budgetär einen großen Anteil beansprucht.
Wie geht ihr konkret mit den Kostenerhöhungen um? Gibt es bei Euch ein standardisiertes Vorgehen?
Seit anderthalb Jahren bin ich Teil des Teams und hatte ausreichend Zeit, die Grundlagenarbeit zu leisten. Zunächst wollte ich verstehen, wo die Kosten entstehen und welche Verpflichtungen wir haben. Durch eine detaillierte Bestandsaufnahme haben wir mittels Bottom-up-Planung eine solide Grundlage für zukünftige Entscheidungen geschaffen.
Das Budgetmanagement im laufenden Jahr gestaltet sich relativ einfach, da wir genau wissen, wo wir stehen und welche Herausforderungen noch bevorstehen. Auch für das kommende Jahr sind wir gut vorbereitet, da wir mögliche Kostenerhöhungen bereits antizipieren können, sei es durch Vertragsänderungen, externe Ankündigungen oder eigene Recherche.
Wir unterscheiden zwischen OpEx und CapEx und haben zusätzlich ein separates Projektbudget, das einer zentralen Governance unterliegt. Dadurch gewährleisten wir eine effektive Ressourcenallokation und Kostenkontrolle.
Du hattest kurz angesprochen, dass ihr euch stärker auf die Kostenkontrolle fokussiert, anstatt Kosten generell zu senken. Wie geht ihr hier vor?
Wir haben zuerst geprüft, wo wir einige schnelle Erfolge erzielen können, um Kosten zu reduzieren. Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Kontrolle und einem gründlichen Verständnis der Kostenquellen.
Um damit umzugehen, nutzen wir Benchmarking und Marktindikationen. Wir untersuchen, wie unsere IT-Kosten im Verhältnis zum Umsatz und den Gesamtkosten des Unternehmens stehen, um unsere Position im Vergleich zu anderen Unternehmen zu verstehen. Dadurch können wir Anpassungen vornehmen, falls erforderlich. Unsere erste Analyse deutet darauf hin, dass wir auf einem guten Weg sind.
Wie stellt ihr bei hohen Investitionen sicher, dass das Geld sinnvoll genutzt wurde und einen messbaren Mehrwert bietet?
Bei Projekten, die vom Business an uns herangetragen werden, muss der Fokus auf dem Mehrwert liegen. Dazu gehört es auch, das Problem zu verstehen und Alternativen anzubieten, insbesondere wenn bereits von Anfang an eine möglich Lösung oder Technologie im Raum steht. Bei einem Vorhaben wie der Einführung von SAP S/4HANA, welche uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird, ist der Ursprung anders begründet. Die Notwendigkeit eines ERP-Systems ist allgemein anerkannt und wir müssen diesen Weg aufgrund SAP-Produktstrategie gehen. Wir sehen das jedoch auch als große Chance, uns intern zu verbessern.
Generell hinterfragen wir Projekte und wollen verstehen, ob das Projekt gerechtfertigt ist oder ob ähnliche Ziele mit vorhandenen Mitteln erreicht werden könnten.
Ein weiterer Bereich betrifft Investitionen, die fast schon obligatorisch sind, insbesondere wenn es um die Beseitigung technischer Schulden geht. In solchen Fällen müssen die notwendigen Ausgaben vorausschauend geplant werden, um unerwartete Kostensteigerungen zu vermeiden. Da Investitionen oft über mehrere Jahre geplant werden müssen, reicht kurzfristiges Denken nicht aus, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.
Ein Blick in die Zukunft und die vorausschauende Planung für die kommenden zwei bis drei Jahre erscheint sinnvoll, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz moderner Technologien wie Automatisierung oder KI. Wie geht ihr damit um? Wie sichert ihr da eine gute Investitionshöhe, aber auch einen guten Nutzen für die Anwender:innen?
Das Thema KI ist derzeit stark präsent, doch es gestaltet sich manchmal schwierig, einen konkret passenden Anwendungsfall zu finden. Viel Potenzial sehen wir in der Optimierung interner Prozesse, wie etwa Übersetzungen und Zusammenfassungen von Dokumenten. Hierbei helfen uns bewährte Anbieter von KI-Tools. Dabei achten wir darauf, dass sensible oder unternehmensinterne Daten geschützt sind.
Wir bewerten die Anwendungsfälle in unserem Fachbereich und arbeiten daran, sie zu quantifizieren und zu priorisieren. Wir fokussieren uns auf wenige, priorisierte Anwendungsfälle, um zu prüfen, wie sie durch den Einsatz von KI verbessert werden können.
Darüber hinaus betrachten wir auch Anwendungsfälle, die über die Funktionen von aktuellen KI-Tools hinausgehen. Wir erkunden mögliche Produkte mit eigens programmierten Large Language Models, insbesondere im Bereich der rechtlichen Dokumentenprüfung, wo eine tiefgreifende Analyse erforderlich ist, die mit herkömmlichen Mitteln nicht möglich wäre.
Spannend. Wie seid ihr mit euren Fachbereichen vernetzt? Treibt ihr Innovationen gemeinsam mit den Fachbereichen?
Ja, unsere Fachbereiche treiben Innovationen mit. Unser Ziel ist es, diese Vielfalt an Ideen zu kanalisieren und koordiniert zu nutzen. In einer Workshopserie haben wir uns zunächst mit der Bedeutung des Themas für unser Unternehmen auseinandergesetzt und die verschiedenen Optionen beleuchtet. Dabei haben wir spezifische Themen untersucht und die entsprechenden Technologien evaluiert.
Der Markt ist von seiner Schnelllebigkeit geprägt. Einige Unternehmen haben eigene KI-Modelle entwickelt, ähnlich denen von OpenAI. Dies schien für uns zunächst ebenfalls attraktiv, wir haben aber nach der Ankündigung von Microsoft Copilot unsere Strategie angepasst und setzen nun darauf. Es ist deutlich spürbar, dass schnelle Entscheidungen gefragt sind, und man muss sich entscheiden, ob man ein Early Adopter sein möchte oder zunächst abwartet.
Aus meiner Sicht gibt es nur einen Fehler, nämlich: nichts tun. Es ist wichtig, sich diesen Themen anzunähern und die potenziellen Mehrwerte zu erkunden, um zu prüfen, ob es sich um eine bedeutende Innovation handelt oder nur um ein nettes Extra. Die Herausforderung besteht darin, diese Mehrwerte zu quantifizieren, was jedoch äußerst spannend sein kann. Insbesondere wenn man über interne Prozesse hinausgeht und Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle erkundet, wird es besonders interessant. Dabei spielen mittelfristig höhere Investitionen eine Rolle.
Das hört sich sehr gut an. Bei KI ist ja viel Raum für Investitionen, gleichzeitig liegt der Fokus auf der Kostenkontrolle. Was ist aus deiner Sicht in diesem Spannungsfeld das Wichtigste?
Ähnlich wie bei der vorherigen Fragestellung ist es wichtig, ein Innovationsbudget festzulegen, das nicht nur auf kurzfristige Rendite abzielt, sondern langfristige Investitionen ermöglicht. Aktuell gehen wir in Vorleistung und haben große Erwartungen an mögliche Rückflüsse innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre. Bisher haben wir uns hauptsächlich darauf konzentriert, unsere vorhandenen Lizenzen optimal zu nutzen, was bisher gut funktioniert.
Wenn es jedoch konkrete Fälle gibt, die zusätzliche Investitionen erfordern, werden wir das intern besprechen. Wir erkennen den Mehrwert und die Effizienzsteigerung, die diese Technologien bieten können und sind bestrebt Anwendungsfälle nahe der Wertschöpfungskette zu finden.
Okay, verstanden, aber das IT-Budget ist begrenzt und Kosten ziehen an. Wie also wägt man als IT-Entscheider zwischen Innovation und steigenden Kosten ab?
Transparenz ist das oberste Ziel. Wenn ich zu Beginn des Geschäftsjahres einen groben Überblick darüber habe, was uns zur Verfügung steht, dann ist das bereits ein großer Schritt, der etwa 80% der Arbeit ausmacht. Der Rest besteht hauptsächlich aus der Kontrolle der Kosten, und dank des stabilen Konstrukts, das wir aufgebaut haben, funktioniert dies sehr gut.
Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oder bei unvorhergesehenen Ereignissen ist es wichtig, flexibel zu sein und schnell reagieren zu können. Ein vorbereiteter Plan für den Fall eines kurzfristigen Budgetschnitts ist von hohem Wert. Zu diesem Zeitpunkt darüber nachzudenken, wie man Kosten reduzieren kann, wäre zu spät. Es ist entscheidend, langfristig zu planen und vorausschauend zu handeln.
Das ist ein guter Tipp, insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen aktuell vor der Herausforderung stehen, Kosten einzusparen. Gibt es noch einen abschließenden Tipp, den du den Leser:innen mitgeben möchtest?
Einen Punkt zur Kostenkontrolle habe ich noch. In der heutigen Zeit ist es für jeden einfach, Cloud-Anwendungen zu abonnieren und sie schnell abzurechnen. Doch es ist wichtig, einen Wildwuchs an Anwendungen zu vermeiden, nicht nur aus Datenschutzgründen, sondern auch aus Gründen der Governance. Die interne IT profitiert davon, wenn solche Entwicklungen von vornherein unter Kontrolle gehalten werden.
Die IT-Abteilung sollte ein gutes Beispiel setzen und geeignete Prozesse implementieren, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Es ist für mich von größerer Bedeutung, die Aufklärung zu fördern und stabile Prozesse als IT-Dienstleister anzubieten. Unser Ziel sollte es sein, den Mitarbeitenden klar aufzuzeigen, welcher Weg für neue Anforderungen der Richtige ist.
Das Bereitstellen solider Prozesse und die Aufklärung sind entscheidend, um als Business-Partner auf Augenhöhe zu agieren und das Unternehmen basierend auf den Anforderungen aller Stakeholder voranzubringen und Kosten transparent zu halten. Andere Maßnahmen können als zusätzliche Sicherheitsebene dienen, jedoch ist die klare Kommunikation und Prozessstabilität unsere primäre Aufgabe.
Ein guter Abschluss. Ich danke dir für deine Zeit und die aufschlussreichen Informationen.
Dennis Gruschka, vormals edding AG
Zur Person: Dennis Gruschka war von August 2022 als IT-Leiter bei der edding AG tätig. Der Wirtschaftsinformatiker verfügt über 18 Jahre Berufserfahrung im IT-Bereich mit Stationen in Handel, Windenergie, Logistik und Medizintechnik. Er sieht sich stets an der Schnittstelle zwischen IT und Business. Die IT von edding ist in vier Teams strukturiert. Eines beschäftigt sich mit der klassischen IT-Infrastruktur, einschließlich Servicedesk, Servern, Netzwerken sowie Cyber-Sicherheit. Daneben bestehen zwei Applikationsteams, eines mit dem Schwerpunkt auf SAP. Das vierte Team konzentriert sich vorrangig auf Themen rund um Data Analytics und wurde kürzlich neu gegründet.
Zum Unternehmen: Das Familienunternehmen edding wurde 1960 in Hamburg gegründet und besitzt über sechs Jahrzehnte Expertise in Entwicklung, Produktion und Vertrieb von zuverlässigen und hochwertigen Markenprodukten. Mit den Marken edding, Legamaster und Playroom bietet das Unternehmen weltweit langlebige und hochwertige Produkte und Lösungen für den privaten und gewerblichen Bedarf. Das Portfolio umfasst Marker und Schreibgeräte, Produkte der visuellen Kommunikation, wie Flipcharts, Whiteboards und e-Screens, innovative digitale Anwendungen sowie Tätowierfarbe. Im Jahr 2023 wurde ein Konzernumsatz in Höhe von 160,8 Mio. EUR mit im Jahresdurchschnitt 726 Mitarbeitenden erwirtschaftet.
Dennis Gruschka wechselte im Oktober 2024 als CIO zur Zeit Verlagsgruppe.