Digital Supply Chain - Wie digital sind Lieferketten bereits?
Unser Senior Consultant Seyit Elektirikçi ist dieser Frage mit dem Bitkom Arbeitskreis E-Logistics and Digital Supply Chain auf den Grund gegangen. Ein Experiment, das über 1,5 Jahre lang internationale Lieferketten untersuchte wurde mit Teilnehmergruppen unterschiedlicher Expertise durchgeführt.
Lieber Seyit, du hast bei einem Digital Supply Chain-Experiment von der Bitkom mit gemacht. Worum ging es? Was waren die Ziele?
Der Arbeitskreis „E-Logistics and Digital Supply Chain“ bietet eine spannende Plattform für den Austausch über Technologien, Trends sowie Herausforderungen und Chancen in Bezug auf die Digitalisierung der Logistik bzw. Supply Chain. Seitdem ich bei Cassini bin, engagiere ich mich bei der Bitkom und bringe meine Expertise aus den Bereichen Logistik und IT in den Arbeitskreis ein.
Der Arbeitskreis beschloss Anfang 2019, das „Digital Supply Chain“-Experiment durchzuführen. Dieses beinhaltete die Durchführung eines Warenversands von Deutschland nach Kanada und die digitale Abbildung der Transportkette mittels Einsatzes von smarten Technologien. Mit diesem Experiment, das im Spätsommer 2020 endete, wollte der Arbeitskreis einerseits herausfinden wieviel Digitalisierung bereits in den Lieferketten vorhanden ist und andererseits, welche Herausforderungen und Potentiale bei der Gestaltung einer digitalen Supply Chain noch vorliegen.
Wer hat an dem Experiment teilgenommen? Welche Rolle hatten wir als Cassini dort?
Um ein Experiment in dieser Form durchführen zu können, war die aktive und enge Zusammenarbeit der AK-Experiment-Teilnehmer und die strukturierte Einbringung ihrer Expertise zur Realisierung der Digital Supply Chain erforderlich. Hierfür wurden drei Experten-Gruppen gebildet. Die Logistik-Gruppe brachte ihr fachliches Know-how ein und stellte den Use-Case bereit, die Technologie-Gruppe war mit ihren Produkten für die technische Integration der beteiligten Systeme zuständig und die Berater-Gruppe verantwortete die Business Analyse und die Projektorganisation.
Ich persönlich habe das Experiment vom Anfang bis zum Ende in der Berater-Gruppe begleitet. In dieser Zeit wirkte ich bei der Use-Case Identifikation, der Anforderungsermittlung, der Erhebung der IST-Prozesse und deren Analyse, bei der prozesstechnischen Ausgestaltung der digital Supply Chain sowie bei der Projektorganisation mit.
Was waren denn Kernergebnisse?
Das Experiment ermöglichte durch seine Struktur und die Art der Zusammenarbeit der Experiment-Teilnehmer eine ganzheitliche Sichtweise auf die Thematik. In mehreren Workshops während der Laufzeit und spezifischen z. T. wöchentlichen Regelterminen zwischen den Experten-Gruppen erfolgte die Ausgestaltung der Digital Supply Chain.
Das „Digital Supply Chain“-Experiment hat gezeigt, dass für die Realisierung einer digitalen Supply Chain ein kooperativer Ansatz sowohl auf prozessualer als auch technologischer Ebene erforderlich ist. Außerdem sollte der Technologieeinsatz und die damit einhergehenden Systeme und Schnittstellen zielorientiert geplant und umgesetzt werden, um einen anforderungsgerechten Informationsfluss und die optimale Entwicklung eines Gesamtsystems zu gewährleisten. Hier kann ein nutzerorienterter Ansatz bei der Planung zweckmäßig sein. Auch der Ausbau von Standards bzw. die gemeinsame Erarbeitung von Standards würde die digitale Gestaltung der Lieferkette beschleunigen.
Wie siehst du das Thema perspektivisch? Was ist der aktuelle Status Quo und wo sollte es deiner Meinung nach hingehen?
Aus Sicht der Logistikunternehmen ist eine Transparenz über die eigene Lieferkette und das Erhalten von Transport- und Waren-Informationen in Echtzeit mittlerweile ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Das Ziel ist die Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Auf Kundennachfragen muss der Mitarbeiter des Logistikunternehmens aussagefähig sein und sofort reagieren können. Eine „Digitale Logistik“ bzw. „Digitale Supply Chain“ trägt einen Beitrag sowohl hierzu als auch zur Effizienzsteigerung der Lieferkette bei.
Durch den Einsatz von smarten Technologien wie Trackern zur Positionsermittlung in Echtzeit und Sensoren zur Erfassung von beispielsweise Temperatur- und Lichtdaten können Daten generiert werden, die zur Berechnung der ETA (estimated time of arrival) oder zum Warenzustand je Transportabschnitt herangezogen werden können.
Digitalisierung bedeutet jedoch nicht nur, dass Dokumente ausschließlich als digitalisiertes Papier vorliegen sollten, sondern, je nach Anwendungsfall und Erfordernis, auch als digitaler Datenstrom, um z. B. eine automatisierte maschinelle Auswertbarkeit zu ermöglichen. Denn gerade in multimodalen Transportketten steigt die Bedeutung von Schnittstellen, in denen die Daten automatisiert und in strukturierter Form übergeben werden sollten.
Vor allen im Zeitalter der Digitalisierung müssen Logistikunternehmen ihre Lieferketten ganzheitlich betrachten und die eigenen Prozesse, sofern bisher nicht erfolgt, erfassen und dokumentieren und nutzerorientiert den Technologieeinsatz fokussieren. Durch die Digitalisierung sind weitere Optimierungsebenen zu betrachten wie z. B. die Umschlagspunkte oder Touchpoints, in denen auch die Datenübergabe stattfindet und somit die Bedeutung von (Web-)Plattformen, strukturierten Daten und standardisierten Schnittstellen zunimmt. Als Folge können z. B. Transaktions- und Abstimmungskosten gesenkt werden.
Zur Realisierung einer digitalen Supply Chain müssen unterschiedliche Akteure zusammenwirken und unterschiedliche Expertisen sind erforderlich, um das Potential ausschöpfen zu können. Künftige Themenfelder in der Digitalisierung der Supply Chain stellen u. a. die Digitalisierung der papierbasierten Prozesse, der Datenaustausch auf Basis der Blockchain-Technologie, die Digitalisierung der Routenplanung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz entlang der Supply Chain.
Die Zielstellung, Vorgehensweise und Ergebnisse des „Digital Supply Chain“-Experiments des Bitkom Arbeitskreises „E-Logistics und Digital Supply Chain“ können hier eingesehen werden: