Seifenblasen - Erwartungsmanagement
Die Fabel vom ganzheitlichen, nachhaltigen und zielgenauen Erwartungsmanagement.

Erwartungsmanagement bei IT-Projekten

„Erwartung ist ein kleiner Bürokrat. Sie hat genaue Vorstellungen, wie die Dinge sein sollten und ist zutiefst beleidigt, wenn irgendwas nur ein bisschen anders läuft. Das Problem ist, dass niemand die Regeln kennt – sie [die Erwartung] beschwert sich immer erst hinterher.“

Erwartungen sind komplex. Hinein spielen Anforderungen der Beteiligten, Normen, Hoffnungen, Wünsche und Überzeugungen. Wie Erwartungen zielsicher zu identifizieren und adäquat zu adressieren sind erklärt unser Management Consultant Bastian Witte.

Erwartungsmanagement ist vor allem im Bereich IT-Projekte ein großes Thema.

Welche Erwartungen gilt es in diesem Bereich zu erfüllen?
Erwartungen stehen am Anfang eines jeden IT-Projektes. Und jeder einzelne Stakeholder hat ein unterschiedliches Verständnis, abweichende Perspektiven und Interpretationen bezüglich eines Projektes und dessen Ziele. Im Gegensatz zu Linientätigkeiten zeichnen sich IT-Projekte durch ihre Einmaligkeit aus, verbunden mit hoher Komplexität und einem damit einhergehenden Risiko. Sowohl beim Vorgehen als auch bei den Zielen werden oftmals neue Wege beschritten.
Der Auftraggeber hat Erwartungen an die Ergebnisse des Projektes, die Betroffenen haben Erwartungen an die Auswirkungen des Projektes und das Projektteam hat Erwartungen über die Arbeit im Projekt.
Zudem ist bspw. Software als Liefergegenstand im Vergleich zu Bauprojekten nicht direkt greifbar. Insbesondere durch die Immaterialität von Software ist Erwartungsmanagement hier eine zentrale Herausforderung.
Werden die unterschiedlichen expliziten und impliziten Erwartungen nicht frühzeitig durch den Projektleiter orchestriert, können diese in Konflikt miteinander geraten und die Projektleistung beeinträchtigen. Budget- oder Terminüberschreitungen können die Folge sein. Umfragen zeigen, dass jedes fünfte IT-Vorhaben abgebrochen wird. Hier kann ein ganzheitliches Erwartungsmanagement einen wesentlichen Beitrag leisten.

Wie genau kann Erwartungsmanagement zum Erfolg beitragen?
Erwartungen sind Vorstellungen von Ereignissen, die in der Zukunft liegen und beeinflussen unser Verhalten und Denken. Die mit der Erwartung verbundene und angenommene Wahrscheinlichkeit über den Eintritt des Ereignisses variiert von Mensch zu Mensch.
Das Erfassen der Erwartungen zu Projektbeginn ermöglicht ein proaktives Erwartungsmanagement vonseiten des Projektleiters. Unrealistischen Erwartungen kann frühzeitig entgegengewirkt und konkurrierende Erwartungen als Konfliktquellen ausgeräumt werden.
Besteht ein Informationsdefizit, vervollständigen die Projektbeteiligten ihr Bild häufig durch eigene Annahmen. Der „Effekt der individuellen Informationsvervollständigung“ bewirkt, dass falsche Erwartungen entstehen und nach diesen gehandelt wird. Durch aktives Erwartungsmanagement fördert der Projektleiter Transparenz und damit eine gute Zusammenarbeit des Projektteams. 
Erwartungen in IT-Projekten, die im fortgeschrittenen Zeitverlauf des IT-Projekts adressiert werden, können Zeit- und Budgetüberschreitungen nach sich ziehen. Bei drei von fünf Softwareprojekten wird das geplante Budget überschritten und in fast der Hälfte der Projekte der geplante Fertigstellungstermin um durchschnittlich sieben Monate überschritten. 

Der Effekt der individuellen Informationsvervollständigung bewirkt, dass falsche Erwartungen entstehen und nach diesen gehandelt wird.

Bastian Witte, Management Consultant, Cassini Consulting

Hast Du Beispiele, wie Erwartungen übertroffen werden können? Welche Begeisterungsmerkmale können im IT-Bereich geschaffen werden?
Erwartungen können explizit oder implizit sein. Explizite Erwartungen kennt die Projektleitung, da sie kommuniziert werden, bspw. als Teil der Anforderungsaufnahme. Implizite Erwartungen hingegen werden nicht kommuniziert. Oft sind sich die Projektbeteiligten ihren eigenen impliziten Erwartungen nicht bewusst. Implizit kann z. B. die Erwartung sein, bei Projektrisiken früh informiert zu werden. Geht die Projektleitung hingegen davon aus, dass der Auftraggeber erst so spät wie möglich einbezogen werden möchte, werden Erwartungen enttäuscht. Hidden Agendas oder persönliche Karriereziele, die von Führungskräften oder Projektmitarbeiter*innen mit einem Projekt verbunden werden, können ebenfalls implizite Erwartungen sein, die den Projekterfolg positiv oder negativ beeinflussen.
Durch gezielte Befragungen, Beobachtungen und Analysen kann die Projektleitung die impliziten Erwartungen sichtbar machen und im IT-Projekt berücksichtigen. Erwartungen verändern sich im Laufe der Zeit, werden aufgegeben und es kommen neue Erwartungen hinzu. Lernt der Auftraggeber zum Beispiel ein ähnliches System kennen, das über zusätzliche Funktionen verfügt, kann daraus die Erwartung entstehen, diese Funktionen im Rahmen der Softwareentwicklung des IT-Projektes aufzunehmen.
Begeisterungsfaktoren sind dem Auftraggeber nicht bewusst und gehören zu den impliziten Erwartungen. Im Gespräch über Erwartungen können diese zwischen Projektleiter und Auftraggeber identifiziert werden. Der Projekteiter kann daraufhin Vorschläge machen. Begeisterungsfaktoren tragen zu einer hohen Zufriedenheit des Auftraggebers bei. Ermöglicht z. B. die neue Software automatisch konfigurierte Berichte im Firmenlayout zu erstellen, kann dies ein Begeisterungsfaktor sein.

Welche Kompetenzen muss ein Projektmanager, bzw. eine Projektmanagerin mitbringen, um dem gerecht zu werden?
Die Sozialkompetenz der Projektleitung spielt eine zentrale Rolle, da dieser oftmals keine direkte Weisungsbefugnis gegenüber den Projektmitarbeitern hat. Die Durchsetzungskraft des Projektleiters beruht auf seiner Reputation und dem Vertrauen, dass die Projektmitarbeiter ihm entgegenbringen. Nur wenn die Erwartungen des Projektteams mit dem Handeln des Projektleiters in Einklang stehen, sind diese ohne Weisungsbefugnis der Projektleitung bereit, z. B.  in schwierigen Projektphasen Überstunden zu leisten.
Voraussetzung für ein erfolgreiches Erwartungsmanagement ist, dass sie die Beteiligten in ihrem Projektnetzwerk gut kennt. Nur so kann sie (sich verändernde) Erwartungen schnell erkennen und entsprechend darauf reagieren. Außerdem sind regelmäßige Kommunikation und das Überprüfen der anfangs dokumentierten Erwartungen und darauf abgestimmtes Vorgehen kritische Erfolgsfaktoren für das Gelingen von komplexen IT-Projekten.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass die Projektleitung für ein erfolgreiches Erwartungsmanagement aktiv zuhören können sollte. Zudem empfiehlt es sich, dass sie regelmäßig Feedback über ihre eigene Wirkung einholt, um weiteres Vertrauen bei den Stakeholdern aufzubauen.

Interview mit
Bastian Witte, Cassini Consulting
Bastian Witte
Management Consultant