Wenn Sie die Rolle der IT bei der Zurich in ein bis zwei Worten zusammenfassen, in welcher Rolle sehen Sie sie?
Innovator und Lotse fallen mir dazu ein. Mit Lotse ist aber nicht der Kapitän gemeint. Der Kapitän bestimmt den Kurs und steuert das Schiff, das sollte aber nicht die IT sein. Die IT muss Guidance geben, technologische Trends aufzeigen und ihren Nutzen für Kunden verdeutlichen. Die IT darf aber nie der Steuermann der Versicherung sein.
In der Vorbereitung auf das Interview habe ich gesehen, dass im Zurich Vorstand das Ressort Direct & Digital neu geschaffen wurde. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem neuen Zuschnitt gemacht und was konnte damit erzielt werden?
Das Ressort Direct & Digital hat den Fokus, digitale Kanäle für die Neukundengewinnung zu nutzen. Insofern besteht ein sehr enger Austausch zwischen den Ressorts, zumal wir ja in agilen Teams ohnehin so zusammenarbeiten, als gäbe es keine Ressortgrenzen.
Was müssen Unternehmen ihrer Meinung nach schaffen, damit eine IT-Fachbereichs-Schnittstelle erfolgreich ausgeprägt wird?
Zwei Dinge müssen getan werden. Auf der einen Seite bedarf es eines klaren Zielbildes für die IT, insbesondere wie die Form des Zusammenspiels mit dem Fachbereich zu gestalten ist. In der Umsetzung kann das nur schrittweise funktionieren: sukzessive werden zu konkreten Themenblöcken agile „Trains“ gebildet. Zunächst war ein reines DevOps-Modell angedacht, das aber in der Zusammenarbeit mit den Fachbereichen wenig verändert hat. Ein neues Modell der Zusammenarbeit ist aber erforderlich, um den Kundenblick an die erste Stelle zu setzen. Damit ist es zwar das einfachere Modell für eine Versicherung, aber es wirkt nur innerhalb der IT. Deshalb gilt es darüber hinaus wieder die Transformation im Sinne des Kunden zu gestalten. Dabei gilt es immer die Frage zu beantworten welches Problem gerade gelöst werden soll, und zwar in den Kernbereichen des Business? In Schaden und im Kundenservice haben wir feste IT-Schnittstellen verankert und für diese Bereiche haben wir IT-affine und junge Talente mit Fachbereichserfahrung eingestellt. Das dauert vielleicht länger, ist aber deutlich effektiver.

Also ein Erfolgsmodell?
Ich bin grundsätzlich skeptisch, ein Modell zum allgemeingültigen Erfolgsmodell zu erklären. Es gibt viele Erfolgsmodelle und jeder muss für sich und sein Unternehmen herausfinden, was passt und funktioniert. Das hängt doch auch sehr von der Kultur des jeweiligen Unternehmens ab. Deshalb will ich jetzt nicht sagen, dass es die Blaupause wäre. Für Zurich ist es aber ein sehr erfolgversprechendes Modell.
Wie werden sich die Aufgaben im Schadensmanagement in der Zukunft verändern und welche Bedeutung hat dabei der Aufbau von IT-Kompetenzen?
Was sich bereits geändert hat ist, dass ein Schadensbereich erhebliche digitale Kompetenzen benötigt. Das resultiert aus der Tatsache, dass eine Schadensabwicklung immer schon über Dritte erfolgte, weil wir selbst keine Autos reparieren und auch keine Häuser renovieren. In den klassischen Schadensmustern haben wir ein Dreieck aus Kunde, Versicherer und einem Dritten, der das versicherte Gut für den Kunden wiederherstellt. Und in diesem Ökosystem spielt Digitalisierung natürlich eine massive Rolle. Aus Kundensicht sind wir nämlich auch verantwortlich, wenn der Handwerker Mist baut. Da entwickelt sich daher eine typische Plattform-Ökonomie, die mit den digitalen Möglichkeiten eine ganz andere Kundenerfahrung ermöglicht. Beispielsweise, dass sich Handwerker auf einer Plattform bewerben und auch damit leben müssen, wenn der Kunde sie schlecht bewertet und der Versicherer sie vielleicht deshalb nicht wieder beauftragt. Das sind Möglichkeiten, die sich aus den digitalen Schnittstellen ergeben. Das nächste wichtige Thema ist natürlich IOT bei der Schadensintervention, indem Maschinen oder Autos ihre Defekte über IOT direkt der Versicherung melden. Bei all diesen Themen sind erhebliche Kompetenzen erforderlich. Das verändert auch die Zusammenarbeit massiv. Überall dort, wo keine Menschen zu Schaden kommen, können wir zukünftig viel mehr als Dirigent dieses Ökosystems fungieren, um die Kundenreise zu optimieren. Das gilt aber nicht für alle Schadenfälle. Wenn es um einen Notfall oder um gar um Verletzte geht, zählt nur eines: dem Kunden die schnellst- und bestmögliche Hilfe zu leisten.
Sie hatten gesagt, die Rolle der IT ist auch mitunter die des Innovators. Wie erreichen Sie, dass das Innovationspotenzial der Zurich gefördert wird?
Wir hatten bis vor kurzem einen eigenen Bereich, der die Innovation verantwortete und in dem viele neue Ideen geboren wurden. Mit der klassischen Start-up-Mentalität arbeitete man an neuen Versicherungen und nie dagewesenen Kundenerfahrungen. Im Ergebnis mussten wir uns aber eingestehen, dass es uns nicht wirklich weitergebracht hat. Erfahrungsgemäß hat eine von zehn Ideen Erfolg und es dauert seine Zeit, bis diese umgesetzt ist, erst recht im Versicherungsgeschäft. Für einen mittelgroßen Versicherer in Deutschland wie wir es sind, haben diese kleinen Schnellboote keinerlei Auswirkungen auf den Kurs des Tankers. Also haben wir die Schnellboote samt Mannschaft auf den Tanker zurückgeholt. Man kann, um im Bild zu bleiben, mit ihnen Ausflüge machen und wieder zurückkommen, sodass langsam, aber sicher auch der Tanker seinen Kurs ändert. IT und Business werden in beiden Bereichen also so vernetzt, dass für das Gesamtunternehmen wertbringende Möglichkeiten entstehen. Das geht aber nicht durch Anordnung von oben, sondern man muss die richtige Kultur etablieren, in der Eigenverantwortung übernommen, eigene Ideen eingebracht und eine angstfreie Fehlerkultur geschaffen wird.
Sind das virtuelle Teams, die sich dann finden?
Ich nehme mal das Beispiel Schaden. Hier haben wir – in der agilen Sprache – sogenannte Trains etabliert. Wäre nicht Covid-19 dazwischengekommen, säßen diese in einer Fläche. Wir arbeiten zusammen an einer gemeinsamen Vision und setzen diese in einem Backlog um. Bei dieser gemeinsamen Umsetzung entstehen Ideen, was man anders, was man besser machen könnte. Das werden wir jetzt natürlich für die anderen Teile der Wertschöpfungskette genauso umsetzen. Dabei müssen wir den Fachbereich mitnehmen und ihm zunächst diese Methoden nahebringen und das möglichst ohne komplizierte IT-Sprache.