Sie haben einen iterativen Prozess aufgesetzt und betonen, dass die Digitalstrategie niemals fertig ist, sondern per Design stetem Wandel unterworfen sein wird. Warum? Ist das nicht sogar ein Widerspruch zum klassischen Strategiebegriff?
Die Frage ist, welches Verständnis den Begriffen „Digitalisierung“ oder „Digitale Transformation“ zugrunde gelegt wird. Wenn es nur darum geht, Prozesse zu digitalisieren und Online-Dienste bereitzustellen, greift das viel zu kurz. Wir verstehen die digitale Transformation als einen sehr grundsätzlichen Wandel, der mehr als die technische Betrachtung von Digitalisierung beinhaltet. Wir sehen Digitalisierung als ein gesamtheitliches Querschnittsthema. Wir verändern mithilfe der technischen Möglichkeiten nicht nur die Arbeitsweise und -mittel der Kolleginnen und Kollegen und technischen Verfahren, sondern umfassend sämtliche Prozesse bis zur Entscheidungsfindung.
Diese Änderungen hören auch nicht mehr auf. Die Digitalisierung durchdringt sämtliche Handlungsbereiche der öffentlichen Verwaltung. Mit jeder technischen Innovation und Neuerung gibt es neue Anforderungen an die Prozesse, an die Arbeitsweise und an die Ausbildung der Kolleginnen und Kollegen. Deswegen sind wir der Überzeugung, dass die Digitalisierung keine Revolution ist, sondern ein konstanter Wandel. Und diesen Wandel aktiv zu gestalten, dafür braucht es eine Strategie und diese schreiben wir regelmäßig fort und passen sie dem Wandel an.
Zurück zu Ihrem Eingangsstatement, es ginge auch um Priorisierung von Ressourcen. Erschwert die iterative Weiterentwicklung der Strategie nicht die Priorisierung von Ressourcen?
Die öffentliche Verwaltung ist eine hochkomplexe und heterogen ausgestaltete Organisation, die nicht mit einem Mal von rechts auf links gedreht werden kann. Man muss schauen, an welcher Stelle der größte Handlungsbedarf ist und genau dort ansetzen.
Und dann gibt es Bereiche, bei denen der Handlungsdruck momentan nicht so hoch ist oder die aktuell depriorisiert werden können. Würden alle Themen auf einmal angegangen, bestünde die Gefahr an Stelle Ressourcen einzusetzen, die dort aktuell nicht benötigt werden – oder woanders viel mehr bewirken könnten. Manche Themen erledigen sich manchmal auch von selbst. Daher sollte man Dinge nach und nach angehen und nicht alles auf einmal. Trotzdem ist es zwingend, kontinuierlich zu analysieren und zu bewerten, ob aus den Erfahrungswerten oder empirischen Erkenntnissen neue Handlungsfelder entstehen – ob sich das Bild also ändert. Dann muss man in der Lage sein, strategische Ziele und den Ressourceneinsatz dahingehend anzupassen. Das ist für mich ein Erfolgsfaktor, kein Defizit von digitalstrategischer Steuerung.
Sie nehmen an unserem Best-Practice Dialog auf dem Zukunftskongress 2024 teil. Dieser steht unter dem Titel „How to Digitalstrategie: Vom politischen Papier zur handlungsleitenden Strategie“. Was ist aus Ihrer Sicht ein Kernelement einer handlungsleitenden Digitalstrategie, die die Menschen zur Umsetzung befähigt?
Ich glaube nur ein Kernelement gibt es nicht. Aber das maßgebliche an unserer Strategie ist, dass wir beim Schreiben schon das konkrete Ziel mitdenken und sagen: Es muss erreichbar sein! Ein Beispiel: Wenn wir sagen: „In 20 Jahren gibt es in 50% der öffentlichen Verwaltung nur noch den Einsatz von KI, die die Arbeit von Menschen übernimmt“ wäre das sicher kein handlungsleitendes Ziel. Das kann man sich zwar in eine Strategie schreiben, aber dieses Ziel ist so weit weg und zu unkonkret. Das ist nicht handlungsleitend, es löst keinen Druck aus. Also: Beim Schreiben das Ziel vor Augen haben und machbare, realistische und dennoch ambitionierte Ziele verfassen.
Vielen Dank für das Gespräch und ich freu mich auf den Austausch auf dem Zukunftskongress!