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"Für mich ist Omnichannel die Königsdisziplin!", Interview mit René Walker.

René ist Head of Ecommerce im Pharma / Konsumgüterbereich. Seit vielen Jahren hat er extrem viel Erfahrung im Bereich Ecommerce gesammelt - sei es bei Henkel oder 3M.
Im Interview lässt er uns an seinen wichtigsten Learnings teilhaben und wagt einen Blick in die Glaskugel, wie es in Sachen Marketing/Vertrieb nächstes Jahr weitergehen könnte.

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Lieber René, Du bist aktuell bei einem der weltweit führenden Pharmazie- und Konsumgüterkonzerne beschäftigt und hast erfolgreich Stationen bei Henkel und 3M zurückgelegt. Kannst Du uns den Markt skizzieren und die Bereiche „Medical Devices, Consumer Health und Pharmaceuticals” abgrenzen?
Sehr gerne! Medical Devices umfasst Medizinische Gerätschaften & Zubehör und Pharmaceuticals die verschreibungspflichtigen Medikamente. ​Bei Consumer Health hingegen finden wir zum einen die klassische Pflegeprodukte/-Marken wie Neutrogena, Listerine, Penaten, Bebe, o.b. , Carefree etc. auf der Konsumgüterseite; zum anderen die rezeptfreien, aber apothekenpflichtigen Produkte und Marken wie Nicorette, Regain, Dolormin, Immodium etc.

Du bist aktuell als Head of Ecommerce Central Europe Consumer Health beschäftigt. Wie sieht Deine Rolle und Dein Aufgabengebiet aus?
Kurzfristig betrachtet liegt der Schwerpunkt darin, meinem Team die besten Bedingungen zu ermöglichen, um in der Betreuung von Versandhandelsapotheken und Online-Playern bzw. Marktplätzen in Zentraleuropa maximal erfolgreich zu sein: Das umfasst Kundenmanagement, Portfolio, Content, Advertising, Promotionen usw.​. Langfristig sehe ich meine Verantwortung in der Veränderung von Prozessen, die meine Company und unsere Marken noch wettbewerbsfähiger machen.

Kannst Du uns die unterschiedlichen Geschäftsbeziehungen im Consumer Health Business mit Vertriebspartnern und Endkunden näher bringen? Wird zwischen Apotheke, Online-Marktplatz und Drogeriehandel unterschieden?
Absolut. Da gibt uns die Gesetzgebung klare Richtlinien vor.​ Aufgrund unseres Portfolios befinden wir uns in einer komplexen Situation, da es Konsumgüter und apothekenpflichtige, aber rezeptfreie Medikamente beinhaltet. ​
Fangen wir mit dem leichteren Teil an: Die Konsumgüter finden wir in den uns bekannten Handelsstrukturen, vom Großhandel und Einzelhandel (Rewe, Edeka etc.), in den großen Drogeriemarktketten (Rossmann, DM etc.) und natürlich Online Playern und Marktplätzen (Amazon, BOL, Douglas etc).​ Für den Part der apothekenpflichtigen aber rezeptfreien Medikamente haben wir den Großhandel, die stationären Apotheken und die Versandhandelsapotheken (DocMorris, ZurRose, Shopapotheke etc). Und nur letztere dürfen auch auf Amazon verkaufen.

Wie wirkt sich der Digitalisierungsboost durch Corona vor allem auf das Consumer Health Business aus? Macht sich eine Verschiebung vom stationären zum digitalen Handel bemerkbar?  
Zweifelsohne macht sich diese Verschiebung auch bei uns bemerkbar. Interessanterweise ist der Markt im Bereich der apothekenpflichtigen Produkte stärker digitalisiert bzw. online stärker als bei den reinen Konsumgütern.​ Durch den intensiven Wettbewerb der Versandhandelsapotheken – auch zum Schutz vor Amazon – ist der Kanal in den letzten Jahren extrem gewachsen und macht für viele Hersteller ~20% ihrer Umsätze aus. Online verfügen die Produkte hier über einen großen Vorteil: hoher Preis/cm³​

Im Fall unserer Konsumgüter sehen wir diese Verschiebung auch – allerdings auf zwei verschiedene Weisen. Einerseits sehen wir ordentliches Wachstum bei Amazon, Douglas. Gleichzeitig sehen wir unterschiedlich starke Bemühungen und Entwicklungen im Einzelhandel was die Forcierung des Onlinehandels betrifft. Hier müssen wir gemeinsam mit den Händlern an Formaten arbeiten, die zum Endkunden und ihren Bedürfnissen passen.

Wie siehst du die Entwicklung von stationären und digtalen Vertriebskanälen in den nächsten drei Jahren? Hat das „lokale Geschäft“ in Zukunft noch Bestand?
Beide Geschäftsmodelle haben ihre Daseinsberechtigung. Die Frage ist eben nur, in welchem Maße. Stationäre Geschäftsmodelle können durch den Ausbau digitaler Marketing- und Vertriebskanäle ihren Kundennutzen deutlich erweitern. Andersherum sehen wir die Gegenbewegung, wenn sich reine Online Player ins stationäre Geschäft wagen und wie Amazon mit neuen Services das Einkaufserlebnis verbessern. ​
Aus meinem vorherigen Jobs konnte ich hier geniale Einblicke in den asiatischen und amerikanischen Markt gewinnen.​ Hinsichtlich Omnichannel ist das Kundenerlebnis bei Walmart oder Homedepot ein ganz anderes, als hierzulande bei Rossmann, Obi oder Aldi. Alles per App, verknüpft mit deinem stationären Einkauf. Du kannst es nach Hause liefern lassen, abholen oder in einen Locker liefern lassen.​

In vielen asiatischen Märkten hingegen liegt eine Social Media- und Versandinfrastruktur vor, die eine perfekte Grundlage für D2C, live shopping und Quick Commerce bietet.

Kannst Du uns als erfahrener E-Commercer Tipps geben, worauf es aktuell für einen erfolgreichen Omni- oder Multichannel-Handel ankommt? Auf welche Erfolgsfaktoren muss man achten?
Für mich ist Omnichannel die Königsdisziplin, da man hier alle Erfolgsfaktoren aus Online und stationärem Handel perfekt beherrschen muss. Zum einen gibt es die klassische Hersteller-Händlerbeziehung mit all ihren Facetten, die sicherstellen muss, dass die Produkte im richtigen Regal auf Augenhöhe und perfekt in Szene gesetzt sind. Dabei müssen die Produkte gleichermaßen zur Zielerreichung der Einkäufer der Händler und zur Zufriedenheit der Kunden beitragen.​ Zum anderen müssen die Hersteller dafür sorgen, dass das Markenerlebnis über alle digitalen Berührungspunkte einheitlich und konsequent ist. Der Produkt Content muss dem Kunden auf den ersten Blick vermitteln, dass es DAS richtige Produkt ist. Gemeinsam mit dem Händler erreicht man dann über kollaborative Werbeformate präzise Zielgruppen für einzelne Produktgruppen.​

Um das Online Geschäft der Händler profitabel zu gestalten und auch eine Bewerbung attraktiv zu machen, ist es oft ratsam das Portfolio anzupassen.​ Produkte mit höherem durchschnittlichem Abverkaufspreis, z. B. Großpackungen der Multipacks sind hierbei ideal.​ All das erfordert die agile und flexible Zusammenarbeit von vielen Teams in beiden Unternehmen.

Gibt es spannende Insights, Success Stories oder Kundenerfahrungen, die Du mit uns teilen magst?
Grundsätzlich sind es die „Warum?“- und die „Warum nicht?“-Fragen, die mich weitergebracht haben. Neue Business Cases und Produktideen entstehen besonders dann, wenn man sich extrem gut mit den Bedürfnissen seiner Händler und Kunden auseinandersetzt.​
Als in Deutschland die Discounter auf dem Vormarsch waren, stellte das „Shelf-Ready-Packaging“ viele Hersteller vor enorme Herausforderungen.​ Heute sehen wir die Herausforderung, unsere Produkte für den Versandhandel zu optimieren.​
Dabei müssen wir alle Strategien hinterfragen, die sich auf die Optimierung für das Regal und die Ausstellung im Verkaufsraum stützen.​

Mein größter WOW-Effekt war die Einführung von Waschmittelkonzentraten in den USA, die Henkel mit Unterstützung von Amazon auf die Beine gestellt hat. Im Regal gilt oft „viel hilft viel“. Der Großteil des Volumens bei Flüssigwaschmittel ist aber Wasser.​ Die Vorteile sind manigfach: u. a. mehr Profit pro cm³, weniger Versandkosten, weniger Gewicht, weniger Wasserverbrauch, leichteres Handling für die Kunden.

Welche Trends siehst du für 2022?
Die Glaskugelfrage!​

  • Grundsätzlich ist die Marschrichtung klar: eCom Trend bleibt und wird weiterhin Kategorien und Märkte verändern, Margen reduzieren und Endkunden-Konvenienz steigern. ​In den Apotheken wird das E-Rezept diesen Trend sicher befeuern, da es die Abläufe für die Patientinnen und Patienten weiter vereinfacht.​
  • Gleichzeitig sehen wir viele Quick Commerce Unternehmen wie Gorillas, Delivery Hero etc, die sich nicht nur mit FMCG Produkten beschäftigen, sondern ihre Fühler bereits in Richtung Versandhandelsapotheken ausstrecken.​
  • Amazon wird durch sein 3P Geschäft maßgeblich von den Lieferengpässen und den parallel steigenden Werbekosten profitieren. ​
  • Einzelhändler werden sich weiterhin zu Omni Channel Händlern transformieren und sich dabei verstärkt an Vorbildern wie Douglas orientieren. Vorreiter wie Douglas und DM setzen hierbei dann auch verstärkt auf Trends wie Live Shopping. Dabei zählt dann wieder Content, Content, Content und Produkte mit perfektem „fit“ zu den Kanälen und Kunden.
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