Beim Erreichen der Ziele ist eine gesteuerte Fehlerkultur wichtig, die einen Handlungskorridor angibt und in der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung deckungsgleich sind und nicht an unterschiedlichen Stellen abgebildet werden. Die Fehlerkultur sollte sich am Haushaltsrahmen orientieren und, solange das Hauptziel erreicht wird, auch im Prozess verschiedene Wege eingeschlagen dürfen. Zusätzliche Freiheitsgrade könnten freigesetzt werden durch eine Konstruktion, die globale Budgets über das jährliche Haushaltsrecht hinaus ermöglicht.
Bezüglich des Lernens von Vorbildern sollten demnach folgende Ansatzpunkte verfolgt werden:
- Die Suche nach strukturellen Vorbildern in anderen Staaten aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen ist nur bedingt sinnvoll, vielmehr ist die Governance der NMO für ihren Erfolg entscheidend.
- Erfolgsfaktoren sind die personifizierte und mit großzügigen Handlungsspielräumen ausgestattete Leitung und die Verortung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung in dieser. Außerdem sollten Zielvorgaben und die Erfolgskontrolle durch eine Rechtsaufsicht ausgeführt werden.
Wie sollte die Nachfragemanagementorganisation strategisch ausgerichtet und geführt werden? Welcher politische Rückhalt ist dazu nötig und wie kann dieser Rückhalt dauerhaft hergestellt werden?
Die Ausgestaltung der NMO wird schon seit langem diskutiert und sehnlichst erwartet, weil sie als Hebel fungieren soll, um die Dienstekonsolidierung und damit eine gemeinsame IT zu realisieren. Das Wort „Strategie“ wird dabei oft inflationär undsynonym für etwas Operatives genutzt und umfasst daher selten echte Strategie. Die NMO müsste tatsächlich über eine strategische Ausrichtung funktionieren, in der man die Planung auf Ebene der einzelnen Haushaltsjahre beispielsweise durch eine 5-Jahres-Vision ersetzt.
Für diesen Zeitraum werden Ziele vorgegeben und diese werden mit entsprechenden Ressourcen hinterlegt. Die NMO würde dann die operative Erfolgskontrolle dieser 5-Jahres-Ziele durchführen und jährlich aktualisieren. Viele Organisationen gehen so vor.
Bei Erreichung der Ziele müsste es positive Verstärkung in Form von Belohnungsmechanismen geben, in dem Sinne, dass bei Zielerreichung mehr Ressourcen für weitere Projekte bereitgestellt werden.
Um zu so einem Vorgehen zu gelangen, sollte zunächst eine Priorisierung bspw. auf die Top-5-Projekte vorgenommen werden. Andernfalls droht die NMO unter der enormen Menge der einzel- nen Projekte die Fokussierung zu verlieren. Da ein Großteil der Projekte der Dienstekonsolidierung Behördenverwaltungen abdeckt, ist sowieso nur ein kleiner Teil für eine strategisch ausgerichtete NMO geeignet. Aus diesem Teil werden die Top-5 ausgewählt und die NMO würde anhand der Projekterfolge gemessen werden und bei erfolg- reicher Umsetzung mehr Ressourcen und Projekte zugeteilt bekommen.
Ein weiteres Erfolgskriterium wäre es, wenn die NMO einer reinen Rechtsaufsicht unterläge und keiner Fachaufsicht. Der Apparat einer Fachaufsicht tendiert nämlich dazu, unter dem Deckmantel einer strategischen Steuerung, in das operative Geschäft hereinzureden.
ZUSAMMENGEFASST:
- NMO sollte lediglich einer Rechtsaufsicht (und keiner Fachaufsicht) unterliegen.
- Inhaltlicher und finanzieller Planungshorizont der NMO fünf Jahre (Vision)
- Fokussierung der NMO auf die fünf strategisch wichtigsten Projekte
- Jährliche Fortschrittskontrolle und Fortschreibung der Vision
- Bei Erfolg Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für weitere Projekte
Wie sollten im Spannungsfeld von Individualisierung und Standardisierung für Basis-, Querschnitts- und Infrastrukturdienste Entscheidungen herbeigeführt werden? Wie kann dabei verhindert werden, dass das Konsensprinzip zu einer Pulverisierung von Verantwortung führt?
Um Entscheidungen herbeizuführen, bedarf es eines kleinen Kerns von wirklich Betroffenen. Die Größe des Kerns ist dabei erfolgsentscheidend. Dieser kleine Kern entwickelt stellvertretend für alle anderen eine Basisfunktionalität. Wenn diese leistungsfähig ist, dann können alle mitmachen, um das Ganze zu seiner vollen Schönheit erblühen zu lassen.
Und im Regelfall – das ist meine These – wird es eine hohe Akzeptanz finden, was diese dezentralen Macher oder Macherinnen erreicht haben. Die Entscheidungsfindung jedoch von Beginn an in einer größeren Gruppe zusammen zu gestalten, führt zu einer Erschwernis des Prozesses.
Man muss lernen, sich gegenseitig stärker zu vertrauen und die Verantwortung durch das gemeinsame Festlegen von Zielen zu verteilen. Beispielsweise kann man sich bei der Umsetzung einer E-Akte auf die Kernfunktionalitäten einigen. Der Weg dahin wird umgesetzt, wie bei jeder anderen Produktentwicklung auch. Das Konsensprinzip muss definitiv nicht aufgegeben werden.
Wie sollte die ressortübergreifende Abstimmung von Anforderungen an Basis-, Querschnitts- und Infrastrukturdienste koordiniert werden? Wie können dabei unnötige Verzögerungen vermieden werden?
Durch eine Gruppe, die sich vornimmt, diese Anforderungen zu erstellen, und sich traut, für andere mitzudenken. Diese Gruppe sollte auch offiziell damit mandatiert werden für die anderen mitzudenken. Es gäbe unterschiedliche Vorgehensweisen: Alle werden gefragt und jeder darf mitentscheiden, alle werden gefragt, jedoch wird die Entscheidung im kleinen Kreis getroffen, oder nur ein kleiner Kreis wird befragt und dieser trifft auch die Entscheidung. Die Mitglieder des kleinen Kreises hätten die Befugnisse, stellvertretend für andere zu entscheiden.
Natürlich werden Informationen und Meinungen aller Ressorts eingeholt. Die Priorisierung und Entscheidung würden aber eigenständig getroffen werden.
Was spricht für und was gegen die Festlegung auf einen einzigen, öffentlich-rechtlichen IT-Dienstleister bei der Entwicklung und Bereitstellung von Basis-, Querschnitts- und Infrastrukturdiensten für die Bundesverwaltung? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Entscheidung, beispielsweise hinsichtlich Steuerung, Organisation und Lieferfähigkeit des IT-Dienstleisters?
Es ergeben sich verschiedene Interessen. Einerseits müsste ein solcher IT-Dienstleister stark unternehmerisch denken. Um diese Denkweise langfristig zu etablieren, müssten Anreize geschaffen werden, um zu verhindern, dass es zu einem starren und langsamen Konstrukt verkommt. Diese Anreize müssen zugrunde gelegt werden, damit auf mehreren Managementebenen flexibelund zeitnah beigesteuert werden kann. Das muss genau dann passieren, wenn man merkt, dass das Konstrukt nicht den Zielen eines übergeordneten Gremiums entspricht. Dadurch würde die Steuerungsfähigkeit für ein solches Konstrukt verloren gehen.
Außerdem benötigt man, um unternehmerisches Denken zu fördern, eine geartete Finanzierung über eine Wertschöpfung. Im Falle eines reinen Zuschussgeschäfts wäre es möglich, dass der IT-Dienstleister unabhängig vom Maße seiner Wertschöpfung agiert und dennoch immer wieder Haushaltsmittel bekäme. Das wäre nicht sinnvoll. Es muss stattdessen einen vernünftigen Wertbeitrag geben, um unternehmensnah aufgestellt zu sein.
Bei einem einzelnen IT-Dienstleister wäre es einerseits aufgrund der verursachten Markteingriffe schwieriger, eine Multi-Tool- bzw. eine Multi-Vendor-Strategie zu verfolgen. Andererseits müsste dieser IT-Dienstleister auch wirtschaftspolitische Steuerimpulse erhalten, denn bezüglich der digitalen Souveränität ist es nicht vorteilhaft, sich wegen monetärer Faktoren für einen ressourcenarmen IT-Dienstleister zu entscheiden. Man möchte, dass eine bestimmte Hardware/ Software-Konfiguration gewählt wird, mit der man unter dem Gesichtspunkt der digitalen Souveränität handlungsfähig ist und Lieferketten ersetzt werden können wenn nötig. Das funktioniert nicht bei einem monopolisierten IT-Dienstleister mit einer Monokultur an Systemlösungen.
Das heißt natürlich im Umkehrschluss, dass der „Single Point of Failure“ gegen die Festlegung auf einen einzigen öffentlich-rechtliche IT-Dienstleister spricht. Hier ist eine strategische IT-Reserve sinnvoll, um eine gewisse Resilienz zu gewährleisten. Diese IT-Reserve könnte rein technisch über Systemtrennung oder durch einen zweiten IT-Dienstleister realisiert werden. Denkbar wäre auch ein entsprechendes Vertragskonstrukt, dass dafür sorgt, dass man im Zweifelsfall die Möglichkeit hat zu kompensieren. Andernfalls würde man in einer vollständig digitalisierten Welt abhängig von einem einzigen Lieferanten sein. Und das klingt nicht nach einer – unter dem Gesichtspunkt der Resilienz – guten Idee. Auch denkbar wäre es, wenn durch die unternehmerische Freiheit und die Finanzierung über Wertschöpfungsbeiträge Tochterunternehmen entstünden. So würde sich der eine IT-Dienstleister zu einer Unternehmensgruppe entwickeln.
Wir stellen uns vor, es ist Sommer 2027 und die Nachfragemanagementorganisation ist eine fest etablierte Größe in der IT der Bundesverwaltung. Worüber werden wir uns rückblickend wundern? Was ging leichter als gedacht, und welche Herausforderungen hatten wir unterschätzt?
Im Nachgang könnten wir uns darüber gewundert haben, dass die Abstimmung der einzelnen Res- sorts zu technischen Themen wie Kommunikation durch Videokonferenzen, E-Mails etc. leichter war als ursprünglich gedacht. Durch Corona ist es hier zu weniger Diskussionen gekommen.
Eine extreme Herausforderung, die unterschätzt wurde, war jedoch der Datenschutz. Die Problematik der steilen Lernkurve, die es bei der Umsetzung der IT-Sicherheit gab, wird sich im Thema Datenschutz wiederholen.
Aus diesem Grund befänden wir uns im Jahr 2027 vermutlich gerade im Gesetzgebungsverfahren, das den Datenschutz ähnlich aufstellt wie das BSI heutzutage. Und somit auch einer gewissen Ergebnisverantwortung unterzieht. Also nicht Datenschutz um des Datenschutzes willen.
Ein weiterer Punkt, der möglicherweise leichter umzusetzen war als ursprünglich gedacht, ist unter rein technischen und sicherheitsmäßigen Gesichtspunkten der, welche Themen extern und welche Themen zwischen den verschiedenen Datenzentralen der Länder aufgeteilt wurden. Dort herrscht das „Eine für Alle“-Prinzip. Da die Länder über wirkliche Champions der IT-Dienstleister verfügen, konnten wir eine ganz positive Überraschung erleben, in der wir einfach Sachen nachnutzten, schon weil es der wirtschaftliche Druck gebot.
Herr Egyedy, vielen Dank für Ihre Antworten.