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Wie Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft zusammenhängen 

Wer glaubt, in seinem Unternehmen gebe es keine Unternehmenskultur, der irrt. Jedes Unternehmen hat auch eine Kultur. Sie ist allgegenwärtig – auch wenn man die eigene Unternehmenskultur vielleicht erst einmal gar nicht beschreiben kann und auch kein Gefühl für ihre Auswirkungen hat.

Eine Unternehmenskultur ist immer ein Produkt aus den verschiedenen Quellen, aus denen sie sich speist. Das können zum Beispiel folgende sein: 

  • Das Zusammenspiel der Mitarbeitenden: Beziehungen, Regeln, Verhaltens- und Vorgehensweisen des Unternehmens
  • Regionale oder nationale Einflüsse des Standortes, an dem das Unternehmen ansässig ist
  • Die Branche, zu der das Unternehmen gehört
  • Ob das Unternehmen eine Non-Profit-Organisation ist oder z.B. ein börsennotierter Konzern
  • Der Einfluss des Inhabers oder der Inhaberin, falls das Unternehmen z.B. in Familienbesitz ist oder es sich um ein Start-up handelt

Unternehmen befinden sich nicht erst seit gestern in einem Umfeld sich ständig verändernder Markteinflüsse. Die eigenen etablierten Geschäftsfelder, die Organisation und Prozesse müssen in der Lage sein, disruptive Herausforderungen zu meistern und damit eine hohe Resilienz aufzubauen. Diese Widerstandsfähigkeit gilt es zu entwickeln und auszubauen, um notwendige Veränderungen nachhaltig im Unternehmen integrieren zu können. Das wiederum gelingt nicht, ohne die Menschen explizit auf dieser Reise mitzunehmen, zu befähigen und zu bestärken – kurzum ihre Veränderungsbereitschaft zu fördern und zu fordern.

Im Rahmen einer Umfrage hat Cassini in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Ingolstadt den Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden untersucht. Ziel war es, herauszufinden, wie die beiden Themen sich gegenseitig beeinflussen und wie dieses Ergebnis für Unternehmen genutzt werden kann, die ihre Veränderungsbereitschaft erhöhen möchten oder müssen. Dazu wurden 124 Personen befragt.

Was haben Unternehmenskulturen mit Beziehungen gemein?

Unternehmenskulturen können sich innerhalb der Extreme „gesund“ oder „toxisch“ bewegen. Die Kultur verbindet die Menschen eines Unternehmens und hat einen besonderen Einfluss auf das Wohlbefinden sowie die Motivation der Mitarbeitenden und der Führungskräfte. Außerdem bestimmt sie, ob Beschäftigte sich mit dem eigenen Unternehmen identifizieren und für die Wertschöpfung den persönlich bestmöglichen Mehrwert einbringen – oder eben nicht. 

So gesehen weist die Unternehmenskultur Parallelen zu jeder anderen zwischenmenschlichen Beziehung auf. Jede Beziehung leidet, wenn man nicht auf Augenhöhe miteinander spricht, aktiv zuhört (kommuniziert) und seine Wünsche (Feedback) sowie sein Handeln (Erklärung) offenlegt. Man lebt dann irgendwann aneinander vorbei, geht im schlimmsten Fall fremd (Kündigung) oder resigniert und macht es sich auf dem Sofa bequem (Dienst nach Vorschrift).

Der finanzielle Schaden, der durch eine negative Unternehmenskultur ausgelöst wird, lässt sich schwer beziffern, aber ausgehend von der Wichtigkeit, die das Thema Unternehmenskultur inzwischen bei der Jobsuche hochqualifizierter Fachkräfte spielt (siehe kununu oder Xing), darf angenommen werden, dass der Schaden immens ist. Laut StepStone wird eine „unpassende Unternehmenskultur“ inzwischen schon explizit als der vierthäufigste Kündigungsgrund genannt. [1] Viele der weiteren Kündigungsgründe („schlechtes Arbeitsklima“ auf Platz 2 oder „mangelnde Sinnhaftigkeit der Tätigkeit“ auf Platz 8) werden direkt oder indirekt ebenfalls von der Kultur beeinflusst.  

Unternehmenskultur ist also ein wichtiges Thema. Das sehen auch über 95% unserer Befragten so. Sie gaben an, dass ihnen das Thema „Unternehmenskultur“ bei ihrem aktuellen Arbeitgeber wichtig bzw. sehr wichtig ist. Wobei nur 73% die aktuell herrschende Unternehmenskultur als positiv bezeichnen. Im Folgenden wurden die Beschreibungen der Teilnehmenden konsolidiert und als „Waage der Unternehmenskultur“ dargestellt:

Waage der Unternehmenskultur

Von Angstkultur, Egoismus, fehlender Wertschätzung zu Stolz, Verbundenheit, Familie: Allein durch den Vergleich dieser Zustandsbeschreibungen werden unterschiedliche Bilder und Gefühle erzeugt. In welcher Unternehmenskultur kann man wohl sein volles Potenzial am besten entfalten und hat die Motivation, mit vollem Elan neue Ideen, Themen und Prozesse für sich zu entdecken? 

Wie beeinflusst man die Unternehmenskultur positiv?

Die Teilnehmenden der Befragung sehen den größten Hebel für eine positive Unternehmenskultur bei den Themen Wertschätzung, Kommunikationskultur und Fehlerkultur. 

Das bedeutet, wenn sich das Management eines Unternehmens mit der Frage beschäftigt, wie es die eigene Kultur verbessern kann, sollte es sich mit folgenden Fragen beschäftigen:

  1. Wie stellen wir sicher, dass wir den individuellen Beitrag unserer Mitarbeitenden erkennen und wertschätzen können? Welche Art der Wertschätzung ist für unsere Mitarbeitenden wichtig?
  2. Wodurch stellen wir sicher, dass unsere Mitarbeitenden die Kommunikationskultur erfahren, die sie sich wünschen? Wie sieht diese Art der Kommunikation aus? 
  3. Wie wird unsere Kritikfähigkeit, Feedback- und Fehlerkultur von unseren Mitarbeitenden wahrgenommen? Was können wir tun, um sie zu verbessern?

Vermutlich ist es gar nicht so leicht, diese Fragen ad hoc zu beantworten, aber wer hat schon die Antworten auf alle Fragen einer Beziehung sofort zur Hand (oder ist sich überhaupt sicher, wie es in diesem Moment um seine Beziehung genau bestellt ist)? Eine gesunde Beziehung entsteht auch nicht über Nacht, sondern erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit und Arbeit.

Wie beeinflusst man die Veränderungsbereitschaft positiv?

Um als Unternehmen angemessen auf Einflüsse von außen (oder innen) reagieren zu können, bedarf es einer Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit der Mitarbeitenden. Die gute Nachricht: In unserer Studie bezeichnen sich 93% der Befragten als „eher veränderungsbereit“ oder „sehr veränderungsbereit“. Aber 7% ist ein hoher Anteil an Mitarbeitenden, die sich als nicht veränderungsbereit einschätzen – vor allem vor dem Hintergrund, dass 73% der Befragten ihre eigenen Unternehmenskultur als positiv bezeichnen. Das legt den Schluss nahe, dass in der Breite dieser Wert deutlich höher liegen dürfte. Veränderungsbereitschaft ist also ein Handlungsfeld, welches es zu beachten gilt. 

Die Umfrage bestätigt dabei, dass die Faktoren Kommunikation, Sinnorientierung und Befähigung wesentlich dazu beitragen. Ganz konkret kann die Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitenden wie folgt erhöht werden:

  1. Kommunikation: Es ist wichtig, die Hintergründe einer anstehenden bzw. laufenden Veränderung transparent zu erläutern und die Möglichkeit zu geben, Rückfragen zu stellen und in einen offenen Dialog über die Veränderungen zu treten.
  2. Sinnorientierung: Der Zusammenhang zwischen der Veränderung und ihrem Einfluss auf die Tätigkeit sollte hergestellt werden. Was ist der persönliche Mehrwert? Und zwar so praxisnah und detailliert auf jeden einzelnen Mitarbeitenden bezogen, wie möglich.
  3. Befähigung: Es ist nicht nur damit getan, die Veränderungen plausibel zu erklären. Oft fehlen Führungskräften und Mitarbeitenden schlicht die Tools oder das Wissen, wie sie ihre neue Rolle in Zukunft ausüben sollen. Hier bedarf es der individuellen Förderung und Befähigung, um mit der Veränderung besser umzugehen und keine Ängste aufkommen zu lassen.

Auffällig war in den Studienergebnissen, dass die Teilnehmenden, die sich selbst als sehr veränderungsbereit einschätzen, eher Sinn und Selbstverwirklichung als Anreiz brauchen. Bei den Teilnehmenden, die sich selbst als weniger veränderungsbereit einschätzen, ist die Veränderungsbereitschaft eher über (materielle) Anreize erreichbar. 

Der Zauber gelungener Beziehungsarbeit

Das Ergebnis der Studie ist, vereinfacht gesagt, dass durch die positive Ausrichtung der eigenen Unternehmenskultur und der damit verbundenen Förderung der Veränderungsbereitschaft die Grundlage für eine widerstandsfähige Organisation gelegt wird. Die zentralen Leitsätze, um eine gesunde Unternehmenskultur mit einer hohen Veränderungsbereitschaft zu schaffen, sind demnach:

Zeigen Sie Wertschätzung. Pflegen Sie eine gut entwickelte Kommunikationskultur und einen reifen Umgang mit Fehlern. Vermitteln Sie Sinn und eine angemessene Befähigung bei neuen Anforderungen.

Daraus kann eine tragfähige und resiliente Verbindung zwischen den Menschen und Ihrer Organisation entstehen. Ist diese Verbindung erst einmal geschaffen, kann sie aus sich selbst heraus den Zauber einer gesunden und sich selbst weiterentwickelnden Kultur entfesseln. Ein Zauber, der von den Mitarbeitenden ausgeht, sich selbst speist und durch Ideenreichtum, Wir-Gefühl und partizipative Zusammenarbeit geprägt ist. Es entsteht eine nachhaltige, wandlungsfähige Organisation, die oft durch geringe Mitarbeiterfluktuation und einen niedrigen Krankenstand zusätzliches Potenzial für die eigene Wettbewerbsfähigkeit freisetzen kann. Dabei ist immer zu beachten, dass es sich nicht um einen einmaligen Wandel handelt. Ebenso wie eine gelungene zwischenmenschliche Beziehung bedarf die Verbindung zwischen den Mitarbeitenden und ihrem Unternehmen einer kontinuierlichen Beziehungsarbeit. Dies wird in jeder (Lebens-)Lage eines Unternehmens ein Thema sein und sich mit dem Reifegrad des Unternehmens und seiner Mitarbeitenden stetig weiterentwickeln. Denn klar ist auch: die Kultur jedes Unternehmens befindet sich ständig im Wandel – die Herausforderung ist, dass dieser Wandel nicht ungesteuert, sondern gesteuert vonstatten geht. Dafür haben wir in dieser Studie die wichtigsten Ansatzpunkte beleuchtet.

[1] StepStone Cultural Fit Studie 2018 

Autoren- und Studienteam
Tanja Clauß, Cassini Consulting AG
Tanja Clauß
Management Consultant
Matthias Haberkorn, Cassini Consulting
Matthias Haberkorn
Management Consultant
Gabriele Töws, Cassini Consulting
Gabriele Töws
Consultant
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