IT Sourcing Praxisbeispiel
IT-Sourcing

Klein, komplex und trotzdem auslagerbar? JA! 

Für kleine Unternehmen ist es eine besondere Herausforderung, den passenden IT-Dienstleister für die oft trotzdem komplexen Anforderungen bei kleinem Ausschreibungsvolumen zu finden. Mit einer IT, die von wenigen Schlüsselpersonen betrieben oder gemanagt wird, scheuen sich viele Unternehmen, an eine Auslagerung zu denken. Dass es sehr wohl funktioniert, zeigt das Praxisbeispiel eines unserer Kunden – mit Hilfe eines erfahrenen Sourcing Advisors und eines professionell durchgeführten Auswahlverfahrens.

Dank IT-Strategie zu sinnvollen Zukunftsentscheidungen

Warum sich Firmen dem IT-Sourcing verschließen, wird zumeist mit Zeit-, Ressourcen- oder Kostengründen beantwortet. Oder aus der Angst heraus, dass das Projekt fehlschlägt oder man die Kontrolle über seine eigene IT verliert. Ein Fehler, denn auch spezielle Anforderungen können durch den richtigen IT-Dienstleister professionell erfüllt werden, wie es das folgende Beispiel beweist.

Unserem Kunden war klar, dass man nur mit einer überzeugenden IT-Strategie eine zukunftsfähige und von allen Beteiligten getragene Entscheidung für eine professionelle Ausschreibung bekommen würde. Wir starteten daher gemeinsam mit der Erarbeitung eben jener IT-Strategie und nach mehreren klassischen Workshops und Gesprächsrunden konnten wir die Fokuspunkte und wichtigen Leitplanken herausstellen. Dadurch traten die Herausforderungen des Kunden deutlich hervor:

  • Es gab aktuell mehrere IT-Dienstleister, deren Aufgabenbereiche nur rudimentär abgegrenzt und beschrieben waren.
  • Der Verantwortungsschnitt zwischen Kunde und IT-Dienstleister(n) war ebenfalls nicht trennscharf bzw. nicht detailliert beschrieben.
  • Die Verträge waren sehr weich formuliert und erlaubten kaum Pönalisierungen für Schlechtleistungen.
  • Der Kunde übernahm viele Tätigkeiten selbst, die bei einem klassischen Managed Service eigentlich Aufgabe der IT-Dienstleister wären.
  • Nach einer überblicksartigen Kostenindikation durch Cassini lagen die Kosten deutlich über dem nach unserem Erachten Marktüblichen.

Das Ergebnis des Strategieprozesses war folgerichtig, dass es eine Ausschreibung zur Findung eines neuen IT-Dienstleisters geben sollte. Der Kunde hatte sich damit hohe Ziele und Erwartungen gesetzt. Der neue Partner sollte die bisherigen ersetzen, die Verantwortung im Sinne eines Managed Services für die gesamte IT übernehmen. Dabei sollten jedoch die Kosten deutlich reduziert, die Sicherheit erhöht und eine Steuerung des IT-Dienstleisters mit maximal einer FTE (Vollzeitäquivalent) ermöglicht werden. Da der Kunde bei einer schwierigen Ressourcensituation nur rudimentäre Erfahrungen mit der Methodik, Organisation und Steuerung einer Ausschreibung hatte und einer der Kernaspekte hierbei ein funktionierendes, sicheres und verhandelbares Vertragswerk ist, konnten wir als Cassini mit unseren Dokumentenvorlagen und Templates punkten und bekamen den Zuschlag zur professionellen Begleitung des Ausschreibungsprozesses.

Mit erprobter Methodik zu einem erfolgreichen Ausschreibungsprozess

Wir starteten somit im Anschluss an die IT-Strategie und auf Basis eines Beschlusses der Geschäftsführung den Prozess zur Auswahl eines neuen IT-Dienstleisters, der die hohen Anforderungen erfüllen kann. Zusätzlich zu den oben genannten Zielen ist noch zu erwähnen, dass der Kunde aus mehreren einzelnen Unternehmen besteht, die jedoch gemeinsam IT-seitig betreut werden sollten, wobei Teile davon zusätzlich unter gesetzliche und regulatorische Anforderungen der Bankenaufsicht fallen, was insgesamt u.a. eine relativ komplexe Rechnungslegung erfordert. Bei einer nur zweistelligen Mitarbeitendenzahl und einem recht geringen Ausschreibungsvolumen ist dies ein sehr komplexes Konstrukt, das im Ausschreibungsprozess durchaus eine Herausforderung für die IT-Dienstleister darstellen sollte.

Nach gemeinsamem Kick-Off und Abstimmung der Methodik begannen wir damit, die von Cassini beigestellten Vertragsdokumente zusammen mit dem Kunden (Rahmenvertrag, neun Anlagen und mehr als 20 Leistungsbeschreibungen) anzupassen und alle notwendigen Ausschreibungsdokumente wie bspw. die Vorhabensbeschreibung und eine Zeitplanung auszuarbeiten. Parallel wurde die Long List erstellt und ca. 20 potenziell passende IT-Dienstleister angefragt, ob sie Interesse an dieser Ausschreibung hätten. Nach Finalisierung aller Dokumente war es dann so weit: alle Request for Proposal (RfP-)Dokumente waren vorbereitet und ca. zehn IT-Dienstleister hatten sich dazu bereit erklärt, sich trotz des komplexen Scopes zumindest die Ausschreibungsunterlagen näher anzuschauen.

Nach Sichtung der RfP-Dokumente dünnte sich das Teilnehmerfeld bereits deutlich aus. Lediglich drei IT-Dienstleister sahen sich dazu in der Lage, die komplexen und herausfordernden Anforderungen zu erfüllen. Einer reichte jedoch nur sein Standard-Angebot ein, das jedoch nach objektiver Bewertung der Angebote auf Basis unseres Angebotsbewertungstools in keiner Weise den Ansprüchen genügte. Aufgrund dieser ungewöhnlichen Ausgangslage – normalerweise ist die Auswahl bzw. das Teilnehmerfeld deutlich größer – musste die Taktik während des weiteren Ausschreibungsprozesses ein wenig angepasst werden. Wir gingen somit in einen intensiveren Betreuungsmodus über und führten mit den verbleibenden beiden Anbietern regelmäßige Gespräche und Workshops durch, um die Anforderungen detailliert abzustimmen, schwierige Themen bereits im Vorfeld zu besprechen und eventuelle Missverständnisse in den Dokumenten auszuräumen. Hierbei wurde explizit darauf geachtet, die IT-Dienstleister trotz der separaten Abstimmungen fair zu behandeln und keine entscheidenden Informationen nur mit einem der Anbieter zu teilen.

Änderung der Verhandlungstaktik sorgt für mehr Tempo 

Nach den überarbeiteten schriftlichen Angeboten und den beiden Bieterpräsentationen entschiedenen wir uns dennoch aufgrund der extrem unterschiedlichen Angebotsqualität für einen eher ungewöhnlichen Weg: Wir wählten bereits vor dem Start der Verhandlungen einen IT-Dienstleister aus. Dieser hatte sowohl beim schriftlichen Angebot als auch bei der Bieterpräsentation und in der Art und Weise der bisherigen Zusammenarbeit in den Workshops vollends überzeugt. Die Vorteile dieser Vorgehensweise waren, dass es eine Zeitersparnis während der Verhandlungen bedeutete, der IT-Dienstleister der Wahl bereits parallel zu den Verhandlungen mit den Transitionsplanungen beginnen konnte und somit die anfänglichen Tätigkeiten der Transition deutlich entzerrt werden konnten. Eine Gefahr bestand jedoch darin, dass der IT-Dienstleister seine Alleinstellung ausnutzen und versuchen könnte, Preis und Qualität zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Da der Kunde jedoch bereits im gesamten Auswahlprozess eine langfristige und partnerschaftliche Vertragsbeziehung in den Vordergrund stellte und – ebenso wie wir auch – Wert auf eine faire Behandlung der IT-Dienstleister legte, informierten wir beide Anbieter über die Entscheidung. Ein professionelles und verständliches De-Briefing mit dem ausgeschiedenen IT-Dienstleister zählt hier zum guten Ton, um gegebenenfalls im nächsten Sourcing-Projekt wieder auf Augenhöhe zusammenarbeiten zu können. Dem verbliebenen IT-Dienstleister kommunizierten wir hingegen klar, dass wir uns zwar für ihn entschieden hätten, jedoch trotzdem eine faire, pragmatische, partnerschaftliche und für alle Beteiligten zufriedenstellende Verhandlung erwarteten.

Die Verhandlungen verliefen für alle Beteiligten im Anschluss wie erhofft. Wie immer gab es den einen oder anderen heftigeren Diskussionspunkt, die Gespräche blieben jedoch stets fair und sachorientiert. So konnte der Kunde nach ca. vierwöchigen und sehr intensiven Verhandlungen einen Vertrag mit dem neuen IT-Dienstleister abschließen, der alle notwendigen Regelungen enthält, die Anforderungen komplett abdeckt und eine klare Schnittkante der Verantwortlichkeiten sichert. Darüber hinaus ermöglicht er eine sehr gute Leistungskontrolle und gestattet die Steuerung mit weniger als einer FTE – und dies alles zu einem Preis, der die Kostenziele klar übererfüllt. Grundsätzlich konnten wir somit alle gewünschten Ziele mit dem Vertragsschluss erfüllen und sogar übertreffen, ohne größere oder unfaire Nachteile während der Verhandlungen einzuräumen.

Ein erfahrener Sourcing Advisor trägt zur gelungenen Transition bei

Nach dem Vertragsschluss ist vor der Transition. Diese für alle Beteiligten sehr intensive Phase bis zur endgültigen Übernahme des Regelbetriebs durch den neuen IT-Dienstleister ist besonders für kleine Unternehmen mit wenig Erfahrungen in dem Bereich eine große Herausforderung. Umso wichtiger ist es, sich hier professionelle Unterstützung durch einen erfahrenen Sourcing Advisor zu sichern, der optimalerweise auch die Ausschreibung begleitet hat und somit den Vertrag und die Besonderheiten bereits kennt. So kann dafür gesorgt werden, dass der Kunde entlastet, die Transition möglichst gut organisiert und stringent durchgeführt und der neue IT-Dienstleister (grundsätzlich verantwortlich für die Durchführung der Transition) soweit nötig kontrolliert wird. Hierbei achtet das Beratungshaus unter anderem darauf, dass die vertraglich definierten Regelungen auch ihren Weg in den operativen Betrieb finden und der Kunde keine Nachteile aufgrund von Unachtsamkeiten oder Unwissenheit hat. Weitere Informationen, worauf bei einer Transition zu achten ist, finden Sie in unserem Artikel „Die Bausteine einer erfolgreichen IT-Transition“.

Durch die frühzeitige Entscheidung für einen IT-Dienstleister konnte die Transition in diesem Fall sehr gut und rechtzeitig durch den neuen Partner vorbereitet werden. Dies zahlte sich nach dem Vertragsabschluss aus, denn nach dem Aufsetzen der Projekt-Governance konnten nun sehr schnell die Detaillierungsworkshops durchgeführt und die Feinplanung aller IT-Services durchgeführt werden. Trotz einiger, völlig normaler Diskussionen über den finalen Betriebsmodus konnten wir den Kunden bei der gesamten Transition bis zum Regelbetrieb unterstützen, wobei alle nach wie vor zufrieden mit der IT-Dienstleisterentscheidung sind.

Fazit: Mit der richtigen Beratung lohnen sich auch ungewöhnliche Ausschreibungen

Als Sourcing Advisor sind wir der Überzeugung, dass den meisten Kunden durch die professionelle Auslagerung von IT-Services zu einem zu ihnen passenden IT-Dienstleister sehr geholfen werden kann. So können Ressourcen entlastet, die Sicherheit erhöht oder eine bessere Leistungsqualität erzeugt werden. Das oben beschriebene Beispiel zeigt dabei, dass mit der richtigen Unterstützung auch kleine Ausschreibungen mit komplexen Anforderungen erfolgreich durchgeführt werden können. Dabei ist der richtige Beratungspartner ebenso wichtig wie die Nutzung professioneller Vertragsdokumente und die Erfahrung bei der Durchführung von Ausschreibungen. Ein weiteres Beispiel findet sich in unserem Artikel „Vom Bodyleasing zum Managed Service“.

Sind sich Unternehmen nicht sicher, ob eine Auslagerung bei ihnen sinnvoll erfolgen kann oder sind sie unzufrieden mit ihrem aktuellen IT-Dienstleister, so kann man im ersten Schritt ein Review der bestehenden IT-Dienstleisterverträge durchführen, um Schwachstellen und akute Regelungsbedarfe aufzudecken. Zudem kann es sinnvoll sein, vor einer Ausschreibung eine IT-Sourcing-Strategie zu erarbeiten, um die Roadmap klar zu definieren und transparente Zukunftsentscheidungen treffen zu können. Beides ist im Vergleich zu einer professionell durchgeführten Ausschreibung recht kostengünstig und hilft, die Bedarfe und Anforderungen zu definieren und die nächsten Schritte sinnvoll festzulegen – beispielsweise über vorgeschaltete Projekte die Ausschreibungsfähigkeit des Kunden herzustellen.

Unserer jahrelangen Erfahrung nach können wir feststellen, dass sich eine Auslagerung für den Kunden in den meisten Fällen lohnt – auch und gerade für den Mittelstand. Sollten Sie Fragen dazu haben oder Interesse an einem unverbindlichen Austausch haben, melden Sie sich gerne jederzeit bei uns!

Artikel von:
Marco Müller-Nentwig, Cassini Consulting
Marco Müller-Nentwig
Senior Management Consultant

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