OZG-Konjunkturpaket
Ein Diskussionsbeitrag

OZG-Konjunkturpaket: So bringen wir den Wumms sicher auf die Straße.

Im Onlinezugangsgesetz (OZG) hat der Gesetzgeber der Verwaltung eine Deadline gesetzt. Die Corona-Krise kam unangekündigt aus heiterem Himmel. Die OZG-Deadline wurde von Insidern schon zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens für höchst ambitioniert gehalten. Seitdem wurde wirklich viel geschafft, aber wenn man sieht, wieviel noch zu tun ist, dann muss ihre Einhaltung Stand heute als unwahrscheinlich angesehen werden. Die Corona-Krise und das OZG haben etwas gemeinsam. Sie bringen Rückenwind für eine Aufgabe, mit deren Erledigung wir uns ganz offensichtlich schwer tun: Die Modernisierung unserer Verwaltung.

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Den On-Teil steigern

Die Entscheidung der großen Koalition, im aktuellen Konjunkturpaket einen inhaltlichen Akzent auf die OZG-Umsetzung zu legen, ist richtig. Cassini hat bereits 2018 in einem GreenLab Ansatzpunkte beschrieben, mit denen die Ziele des OZG aus Perspektive einer Landesregierung erreicht werden können. Unsere pragmatische Zielbeschreibung von damals gilt auch heute noch und lässt sich in drei Worte fassen: Den On-Teil steigern.

Der On-Teil ist der Anteil der realen Antrags- und Genehmigungsverfahren, bei dem die Kommunikation zwischen Antragsteller – also Unternehmen oder Bürger – und der Verwaltung vollständig online abgewickelt wird. Da für die Bearbeitung vieler vom OZG umfassten Dienstleistungen die Kommunen zuständig sind, ist es richtig, zur OZG-Förderung einen Schwerpunkt auf Länder und Kommunen zu legen. Und weil die Logik beim Einsatz von IT nun einmal lautet, die Wertschöpfung zentral bereitzustellen und den Nutzen dezentral einzufahren, ist auch klar, dass dem Bund dabei eine zentrale Rolle zukommen muss.

Mit Geld alleine lassen sich die Herausforderungen der OZG-Umsetzung nicht lösen

Würde man die Umsetzung dieses milliardenschweren OZG-Konjunkturpakets in den bestehenden Strukturen der Verwaltung durchführen, dann würde sich kein nennenswerter Effekt zeigen. Denn die Verwaltung tut sich nicht leicht damit, im Bereich IT viel Geld schnell und nutzenbringend auszugeben. Schon 2009 wurde im Konjunkturpaket II deutlich, wie schwer es ist, mit Fördermitteln sinnvolle Dinge zu tun. Denn konzeptionell abgesicherte Projektideen liegen nicht einfach so in der Schublade und warten auf einen Geldsegen. Und bereits laufende IT-Projekte lassen sich durch ungeplante, zusätzliche Mittel weder beschleunigen noch dem Umfang nach sinnvoll erweitern. Im Gegenteil: nachträgliche Änderungen an der ursprünglich geplanten Zielsetzungen können bei IT-Projekten schnell nach hinten losgehen. Darüber hinaus ist der limitierende Faktor in den IT-Projekten der Verwaltung häufig nicht das Budget, sondern die Verfügbarkeit von in das Thema eingearbeiteten Fachkräften. Und die lassen sich leider auch mit noch so großen Konjunkturpaketen kurzfristig nicht herzaubern.

Hinzu kommt: Die IT-Projekte der Verwaltung sind fast immer IT-Großprojekte. Und die Verwaltungen ringen mit diesen IT-Großprojekten ohne angemessene Werkzeuge, sie leiden unter ihrer Abhängigkeit von den IT-Dienstleistern der Verwaltung (die diesen Herausforderungen selbst kaum gewachsen sind), sie kämpfen mit der Pulverisierung von Verantwortung und das unter organisatorischen Rahmenbedingungen, die viel zu häufigen Veränderungen unterworfen sind. All das muss dringend abgestellt werden, kann aber bestenfalls mittelfristig gelingen. Was die Verwaltung jetzt jedenfalls nicht gebrauchen kann, sind weitere IT-Großprojekte. Vielmehr ist Vereinfachung angesagt. Eine Vereinfachung, von der nicht zuletzt auch die Verwaltung selbst profitieren muss. Wie das gehen kann, dafür wollen wir im Folgenden einige Denkanstöße geben.

Die kommunale Realität

Der Bund kann zentrale Voraussetzungen schaffen, die entscheidenden Aufgaben bei der OZG-Umsetzung müssen allerdings in den Kommunen gelöst werden. Und deren Digitalisierung ist nicht rückständig, weil den notorisch klammen Kommunen dazu das Geld fehlt. Sondern weil wegen der aus diesem Klammsein resultierenden Sparmentalität schon lange ausreichende Stellen und damit Mitarbeiter in den Fachbereichen fehlen.

Die kommunale Realität vielerorts: Die Verwaltungsmitarbeiter waren mit ihrem analogen Tun schon gut ausgelastet. Dann wurden sie mit Fotos und Kontaktdaten auf der kommunalen Webseite vorgestellt. Seitdem versinken diese Mitarbeiter in einer Flut von E-Mail Nachrichten. Weil beispielsweise wegen eines großen Hundes ohne Maulkorb niemand den Weg von der Fußgängerzone ins Rathaus machen würde. Aber eine E-Mail ist vom Handy schnell an die liebe Frau Müller vom Ordnungsamt verschickt. Mit Foto vom Hund selbstverständlich. Die Anzahl der durch die Mitarbeiter in den Kommunalverwaltungen zu bearbeitenden Geschäftsvorfälle ist seitdem stetig gestiegen, die Anzahl der Stellen in den Fachbereichen dabei gleich geblieben, die reale Personaldecke aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle tendenziell sogar rückläufig. Diese quantitative Überlastung, die in vielen Bereichen der kommunalen Verwaltung de facto zu einem Deadlock geführt hat, lässt sich auch mit einem OZG-Konjunkturpaket nicht kurzfristig auflösen. In den Kommunen fehlt es zur OZG-Umsetzung also vor allem an zeitlichen Ressourcen, sie fachlich zu begleiten. Lesenswert in diesem Kontext: Der Gastbeitrag von Tatiana Muñoz "OZG-Umsetzung: Der politische Wille als Stolperfalle" im Tagesspiegel Background Digitalisierung und KI vom 8. Juni 2020.

In den allermeisten kleinen und mittleren Kommunen ist das Fehlen zeitlicher Ressourcen nicht allein das Problem. Denn Digitalisierer in spe sollten zumindest über einen Grundschatz an IT-Projekterfahrung verfügen. Und selbst wenn dies der Fall ist, dann fehlt häufig ein Masterplan, wie man die Aufgabe der OZG-Umsetzung überhaupt in Angriff nehmen soll. Vielerorts ist nicht einmal die Bedeutung der FITKO bekannt, ganz zu schweigen von einem Verständnis über das Zusammenwirken der einzelnen FIM-Bausteine.

Vor zusätzlichen Herausforderungen stehen die großen Kommunen und Metropolregionen. Denn während die einen auf der sprichwörtlichen grünen Wiese anfangen und daher theoretisch sofort loslegen könnten, haben die anderen bereits ausgedehnte Fachverfahrenslandschaften, laufende IT-Projekte und die daraus resultierenden Abhängigkeiten zu Softwareherstellern und IT-Dienstleistern entwickelt; da muss sich der Digitalisierer in spe zunächst einmal als Pfadfinder qualifizieren.

Es ist also unrealistisch zu hoffen, dass die zahlreichen Herausforderungen bei der Digitalisierung der Kommunen in den jeweiligen Kommunen selbst gelöst werden können – OZG-Konjunkturpaket hin oder her. Stattdessen sollten den Kommunen benutzbare OZG-Lösungen bereitgestellt werden. Und selbst bei der Einführung von fast fertigen OZG-Lösungen werden die Kommunen noch beratende Unterstützung benötigen. Doch wo sollen diese benutzbaren OZG-Lösungen und die nötige Einführungsbegleitung herkommen?

Fehler zu akzeptieren führt in Summe zu mehr Fortschritt als der Anspruch an unbedingte Fehlervermeidung.

Falk Lepie, OZG-Experte in der Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt und FIM-Trainer

Das historische Fenster nutzen und jetzt mehr Start-up wagen

Die Einsicht, dass die Verwaltung agiler, ja sogar Start-up ähnlicher werden muss, gab es zu Zeiten des Konjunkturpakets II noch nicht. Doch mit den im aktuellen Konjunkturpaket enthaltenen Positionen zur Registermodernisierung (40), zum Online-Zugangs-Gesetz (41) und zum Digitalisierungsschub (42) hat sich nun für die Verwaltung ein historisches Fenster geöffnet.

Vor über 50 Jahren wollte ein deutscher Bundeskanzler mehr Demokratie wagen. Heute sollten wir mehr Fehler wagen. Denn wer Digitalisierung will, muss Neuland betreten. Und wer sich auf unerforschtes Terrain begibt, der macht zwangsläufig auch Fehler. Fehler zu akzeptieren führt in Summe zu mehr Fortschritt als der Anspruch an unbedingte Fehlervermeidung. Die Verwaltung muss daher lernen, Fehler zuzulassen. Sie sollte mehr Start-up wagen. Im November 2019 hat das Bundesverwaltungsamt eine Veranstaltung unter folgendes Motto gestellt: "Verwaltung von morgen – mit Menschen von heute und Organisation von gestern?" Da die vordergründige Zielsetzung des Konjunkturpakets darin besteht, Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, kann damit endlich auch die Bereitschaft zu einer neuen Fehlerkultur einhergehen.

Wie kann nun ein milliardenschweres OZG-Konjunkturpaket mit der dringend benötigten Vereinfachung der Verwaltung unter einen Hut gebracht werden? Unser Vorschlag: Wir gründen Inkubatoren für OZG-Standardsoftware und für eine OZG-Bildungsoffensive und legen zusätzlich noch ein OZG-Expertenprogramm oben drauf. Dann kommen wir mit Wumms aus der Krise und steigern damit endlich auch den On-Teil.

Schnell ein benutzbares Pilotprodukt entwickeln, schnell erfolgreich sein oder eben schnell scheitern; aber sich solange jedenfalls nicht um die Liquidität sorgen.

Christian Kuczera, Management Consultant, Cassini Consulting

Inkubator für OZG-Standardsoftware

Damit den Kommunen benutzbare OZG-Lösungen angeboten werden können, muss Standardsoftware geschrieben, getestet und zur Produktreife gebracht werden. Dazu wird eine nichtstaatliche Organisation benötigt, welche einen Teil des OZG-Konjunkturpakets als Risikokapital für die Entwicklung von OZG-Standardsoftware großzügig und maximal unbürokratisch bereitstellt. Mit diesem Risikokapital werden Neugründungen im Bereich Softwareentwicklung gefördert. Das Credo ist agil: Schnell ein benutzbares Pilotprodukt entwickeln, schnell erfolgreich sein oder eben schnell scheitern; aber sich solange jedenfalls nicht um die Liquidität sorgen.

Auf dieses Risikokapital werden sich auch bereits etablierte Unternehmen bewerben. Und selbstverständlich ist es erwünscht, dabei an Strukturen anzuknüpfen, die sich in der Digitalisierung der Verwaltung bereits bewährt haben. Das können beispielsweise die unterschiedlichen Digitalagenturen und Zweckverbände der Länder sein, das können kommunale Spitzenverbände sein, das kann auch der Träger einer Metropolregion sein. Jeder darf mitmachen und alle verfolgen dasselbe Ziel: den Kommunen benutzbare OZG-Lösungen bereitzustellen.

Die Bewilligung des Risikokapitals geschieht niedrigschwellig und der Nachweis der Mittelverwendung wird schlank gehalten. Denn der Hauptzweck des Konjunkturpakets besteht ja darin, die Wirtschaft anzukurbeln. Grundvoraussetzung für die Bewilligung von Risikokapital ist die Selbstverpflichtung der künftigen OZG-Standardsoftwarehersteller, das gemeinsame Architekturkonzept „Einer für Alle“ (EfA) flächendeckend umzusetzen.

Fachlicher Input zur Entwicklung von OZG-Standardsoftware kann aus einer Fülle von Quellen geschöpft werden: Beispielsweise aus dem OZG-Umsetzungskatalog, den Ergebnissen der Digitalisierungslabore oder aus der Top 100 Studie des negz. Dieser fachliche Input kann auf Arbeitsebene mit der Verwaltung, den Bürgern und Unternehmen präzisiert werden. Der methodische Rahmen wird dabei durch die bereits vorhanden Standards und Beschlüsse des IT-Planungsrats vorgegeben, beispielsweise das Programm-Management der OZG-Umsetzung oder das FIM-Methodenset.

Teilerfolg 1: Die Kommunen bekommen benutzbare OZG-Lösungen. Die Fördermittel landen also genau da, wo sie hin sollen, nämlich beim Onlinezugang zur Verwaltung. Es werden Unternehmensgründungen in Zukunftsfeldern gefördert, die Binnennachfrage angekurbelt und der Mittelstand gestärkt.

Und wie kommen diese technischen OZG-Lösungen dann in den Kommunen ans Laufen?

Die Zielsetzung ist Ertüchtigung und vor allem Ermutigung (!) der Mitarbeiter im Handwerk der Digitalisierung.

Falk Lepie, OZG-Experte in der Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt und FIM-Trainer

Inkubator für die OZG-Fortbildungsoffensive

Damit aus diesen OZG-Standardsoftwarepaketen in den Kommunen integrierte Fachverfahrenslandschaften entstehen, wird eine kommunale (Fort-)Bildungsoffensive benötigt. Denn selbst bei der Einführung benutzbarer OZG-Lösungen stehen die Kommunen noch vor allen Herausforderungen, die bei der Einführung von Standardsoftware zur Unterstützung von Geschäftsprozessen arbeitsteiliger Organisationen gemeistert werden müssen. Das stellt selbst innovative Industrieunternehmen vor große Herausforderungen und dafür sind derzeit nur die wenigstens Kommunen gerüstet. Denn leider haben wir es gerade in den Kommunen vielerorts mit einem hohen Durchschnittsalter und geringer IT-Affinität bei den Mitarbeitern zu tun. Darin steckt allerdings auch eine Chance: Die Kommunen können Verwaltungsmitarbeiter mit jahrzehntelanger Erfahrung aus ihrer Fachdomäne in die OZG-Umsetzung einbringen!

Dazu wird eine weitere nichtstaatliche Organisation benötigt, welche einen zweiten Teil des OZG-Konjunkturpakets als Risikokapital für die OZG-Fortbildungsoffensive unbürokratisch und großzügig bereitstellt.

Die Zielsetzung ist Ertüchtigung und vor allem Ermutigung (!) der Mitarbeiter im Handwerk der Digitalisierung. Denn für Verwaltungsmitarbeiter ohne nennenswerte IT-Projekterfahrung ist die OZG-Umsetzung vor allem eine kulturelle Herausforderung. Dabei geht es um ganz elementare Erfahrungen wie beispielsweise Angst. Denn Unwissenheit führt zu Angst, erst recht, wenn es um den eigenen Arbeitsplatz geht. Was bedeutet diese Digitalisierung für mein künftiges berufliches Umfeld? Überwiegen für mich die Chancen oder Risiken? Was bedeutet es, mit Mitte 50 zum ersten Mal Product Owner zu sein, wenn es dabei um einen EfA-Dienst geht? Es braucht also zunächst einmal ein Aufklärungsprogramm, damit den Mitarbeitern in den Kommunen die Angst vor dem digitalen Wandel genommen wird.

Noch viel dringender aber wird ein inhaltliches Fortbildungsprogramm benötigt. Gesucht werden innovative und im Kontext der kommunalen Verwaltung funktionierende Ansätze, wie den Mitarbeitern ein elementares Prozess- und Digitalisierungsverständnis dezentral, spielerisch und vor allem altersgruppengerecht vermittelt werden kann. Dazu die Grundlagen des Projekt- und Veränderungsmanagements und Crashkurse in agilen Arbeitsmethoden. Außerdem werden Wege benötigt, über die den Mitarbeitern die zur Fortbildung nötigen Zeitkontingente zur Verfügung gestellt werden, ohne dass dabei ihre Schreibtische unter der Last der liegengebliebenen Vorgänge zusammenbrechen – siehe oben kommunale Realität.

Durch den Inkubator für die OZG-Fortbildungsoffensive werden vor allem regionale Neugründungen in den Bereichen Fort- und Weiterbildung, Online-Training, Zeitmanagement sowie Soziale Netzwerke für regionale Lerngruppen oder für überregionale Expertengruppen der jeweiligen Fachdomänen ermöglicht. Auch hier sollen sich bereits etablierte Unternehmen bewerben und genau wie beim Inkubator für OZG-Standardsoftware ist es erwünscht, an vorhandene Strukturen anzuknüpfen, die sich in ähnlichen Kontexten bereits bewährt haben. Die Selbstverpflichtung der Trainings- und Lösungsanbieter zur Ausrichtung ihrer Formate und Inhalte an den bereits vorhanden Standards des IT-Planungsrats ist auch hier Grundvoraussetzung für die Bewilligung des Risikokapitals.

Teilerfolg 2: Die Kommunen werden ermutigt und befähigt, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen. Für die von der digitalen Transformation längst abgehängten Mitarbeiter in der kommunalen Verwaltung bietet sich zehn Jahre vor ihrer Pensionierung noch eine zweite Chance. Der Technologie- und Bildungsstandort Deutschland profitiert.

Verwaltungsmitarbeiter – ob Bund, Land oder Kommune – die in ihrer Fachdomäne über die nötige Expertise verfügen, sollten im OZG-Expertenprogramm Gründergeist zeigen.

Christian Kuczera, Management Consultant, Cassini Consulting

Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen: Das OZG-Expertenprogramm

Der dritte Baustein des OZG-Konjunkturpakets hat die Mobilisierung des in der Verwaltung vorhandenen Know-hows zum Ziel. Das OZG-Expertenprogramm besteht aus zwei einfachen Komponenten: aus einer Anpassung des Dienstrechts und dem Auffangen der daraus resultierenden Mehrausgaben der Verwaltung.

Verwaltungsmitarbeiter – ob Bund, Land oder Kommune – die in ihrer Fachdomäne über die nötige Expertise verfügen, dürfen im OZG-Expertenprogramm Gründergeist zeigen. Sie bekommen die Möglichkeit, ihre Verwaltungstätigkeit bei vollen Bezügen für ein Jahr ruhen zu lassen. Während dieser Zeit können sie ihr eigenes Start-up im Kontext OZG-Standardsoftware oder OZG-Fortbildungsoffensive gründen.

Wo langjährige Expertise abgezogen wird, da entstehen Lücken. Das ist unangenehm für das berufliche Umfeld, aber ohne Sarkasmus kann man sagen, dass gerade die Verwaltung damit eine gewisse Übung hat. Freistellungen für ehrenamtliche Tätigkeiten, für die Wahrnehmung von Aufgaben der Interessenvertretungen oder für kirchliche oder soziale Zwecke sind im Dienstrecht vorgesehen.

Um die unangenehmsten Folgen im Kollegium der jeweiligen Behörde zu mildern, wird der dritte Teil des OZG-Konjunkturpakets bereitgestellt. Er kann für befristete Neueinstellungen, für Zeitarbeitskräfte oder für externe Unterstützungsleistungen verwendet werden.

Teilerfolg 3: Dieses Signal zum Aufbruch ist in der gesamten Verwaltung unüberhörbar. Der dringend notwendige Know-how-Transfer einer überalterten Verwaltung nimmt endlich Fahrt auf. Flüchtiges Wissen aus den Köpfen Weniger wird formalisiert für alle verfügbar und so langfristig gesichert. Die Entwicklung von OZG-Standardsoftware und die OZG-Fortbildungsoffensive werden zusätzlich beflügelt.

Wahrscheinlich benötigen wir eher ein Dutzend OZG-Expertenprogramme und -Inkubatoren, weil die Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern doch sehr unterschiedlich sind.

Falk Lepie, OZG-Experte in der Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt und FIM-Trainer

Jetzt nicht drei Tanker zu Wasser lassen, sondern viele kleine Schnellboote

Unser föderales System wird häufig als Begründung für das vergleichsweise schlechte Abschneiden der deutschen Verwaltung in internationalen E-Government Rankings herangezogen. In der Corona-Krise hat sich gerade diese Dezentralität als Vorteil gegenüber zentralen staatlichen Strukturen gezeigt. Daran wollen wir nun auch mit dem OZG-Konjunkturpaket anknüpfen.

Mit zwei OZG-Inkubatoren und einem OZG-Expertenprogramm lässt sich in unserem föderalen System der On-Teil kurzfristig nicht steigern. Wahrscheinlich benötigen wir eher ein Dutzend solcher Programme, weil die Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern doch sehr unterschiedlich sind. Dafür gibt es gute Gründe und die müssen bei den nun anstehenden Überlegungen zur Implementierung des OZG-Konjunkturpakets sorgfältig bedacht werden.

Und wenn sich der Staat, wie hier vorgeschlagen als Marktteilnehmer betätigt, dann muss er sich selbstverständlich an die gesetzlichen Regeln halten. Denn schließlich handelt es sich beim OZG-Konjunkturpaket um Steuergelder; eine Flucht ins Privatrecht darf es dabei also nicht geben. Doch damit unsere OZG-Inkubatoren ihrem Geiste nach nicht durch das Vergaberecht abgewürgt werden, sind einige Regelungen weit auszulegen und andere Regelungen vielleicht anzupassen.

Denkbare Ausprägungen für die Implementierung des hier vorgeschlagenen OZG-Konjunkturpakets könnten etwa sein: Regional; also Metropolregionen und Kommunen. Oder nach Lebenslagen; also beispielsweise Hausbau, Umzug, Eheschließung, Geburt. Vielleicht auch nach Dezernatsstruktur einer Kommunalverwaltung; also Hauptamt, Kämmerei, Einwohnermeldeamt, Sozialamt.

Wahrscheinlich aber noch anders, was uns nur noch nicht eingefallen ist. Mit der Corona-Krise und dem OZG-Konjunkturpaket hat sich ein historisches Fenster geöffnet. Selten war Verwaltungsmodernisierung so spannend wie heute. Klasse, dass wir dabei mitmachen dürfen!

Artikel von:
Christian Kuczera, Management Consultant, Cassini Consulting AG
Christian Kuczera
Senior Management Consultant
Falk Lepie
Falk Lepie
OZG-Experte in der Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt und FIM-Trainer
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