Nachnutzung von OZG-Online-Diensten
Öffentliche Verwaltung

OZG-Umsetzung: Wie Nachnutzung zum Erfolg werden kann

Der Handlungsdruck bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetz ist groß. Das „Einer-für-Alle“-Prinzip sollte die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern beschleunigen, der OZG-Booster zusätzlich für Tempo sorgen. Bei aller Eigenentwicklung gerieten die Perspektiven der Nachnutzung aus dem Blickfeld. Ein Kurswechsel ist gefragt!

Für die Bundesregierung liegt der Schlüssel zum Erfolg der OZG-Umsetzung in der Zusammenarbeit der Bundesländer bei der Entwicklung von Online-Diensten. Damit nicht ein Bundesland den Entwicklungsaufwand für alle Online-Dienste übernehmen muss, wurden die OZG-Themenfelder auf die Bundesländer aufgeteilt und im Rahmen des Konjunkturpakets das „Einer-für-Alle“-Prinzip (EfA) ins Leben gerufen. Die Vorteile des EfA-Prinzips liegen auf der Hand: Durch das arbeitsteilige Vorgehen bei der Entwicklung sollte die OZG-Umsetzung beschleunigt und sowohl der organisatorische als auch der finanzielle Aufwand für die Bundesländer verringert werden. 

Die Bundesregierung hat zur Unterstützung der Nachnutzung verschiedene Plattformen geschaffen, um Transparenz über Entwicklungsstand und Verfügbarkeit der Online-Dienste zu schaffen. Zu diesen Plattformen gehören die OZG-Informationsplattform, die alle Informationen zu den entsprechenden Online-Diensten bereitstellt, sowie der OZG-Marktplatz und der FIT-Store, bei denen Bundesländer die bereits bereitstehenden Online-Dienste bewerben können. Die Erfahrung zeigt, dass nicht alle Bundesländer im Rahmen ihrer Umsetzungsprojekte diese Plattformen regelmäßig pflegen und aktuell halten. Aus diesem Grund spielen sie bei der Organisation der Nachnutzung eine eher untergeordnete Rolle. In den meisten Fällen werden fertiggestellte Online-Dienste direkt den anderen Bundesländern zur Nachnutzung angeboten. Diese Kommunikation wird häufig über die OZG-Koordinierenden der Bundesländer kanalisiert, die im Idealfall die Informationen an die Fachlichkeit weitergeben. 

Warum Nachnutzung bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Die Länder beschäftigen sich intensiv mit ihren EfA-Diensten und erzielen dabei Fortschritte. Von den 156 EfA-Leistungen konnten Anfang September 2022 immerhin 56 Leistungen einen Go-Live verzeichnen. Die Nachnutzung scheint jedoch noch nicht den gewünschten Erfolg zu bringen: Anfang Mai hat der IT-Planungsrat mit dem OZG-Booster 35 OZG-Leistungen priorisiert, die bis Ende des Jahres vorrangig flächendeckend digital verfügbar gemacht werden sollen. Hiervon sind bis Mitte September 2022 jedoch nur zwei Leistungen (Überbrückungshilfen und BAföGdigital) bundesweit verfügbar, nur eine weitere Leistung (Elterngeld Digital) ist in mehr als der Hälfte der Bundesländer in digitaler Anwendung. Es wird deutlich, dass die so wichtige, durch das EfA-Prinzip geförderte Nachnutzung zum Showstopper der OZG-Umsetzung wird. Die Gründe sind vielfältig:

  • Mit der Euphorie durch das Ende 2020 aufgelegte EfA-Konjunkturprogramm haben die Länder den Schwerpunkt auf die eigene Umsetzung gelegt. Durch die generelle gesetzliche Frist des OZG und die spezifische EfA-Umsetzungsverantwortung stehen die Länder bezüglich der Umsetzung der Leistungen im eigenen Themenfeld doppelt in der Pflicht. Zudem können sie die auskömmlichen Fördergelder des Bundes abrufen. Die Nachnutzungsperspektive, Online-Dienste von anderen Bundesländern aus anderen Themenfeldern in Anspruch zu nehmen, ist schnell aus dem Blickfeld geraten.
  • Die Gesamtstruktur der OZG-Umsetzung ist durch die Unterteilung in die Digitalisierungsprogramme Bund und Länder sowie Gliederung in 14 verschiedene Themenfelder, für die immer ein Bundesressort und ein Bundesland die Federführung übernehmen, deutlich. Nicht immer existieren solche klaren, transparenten Zuständigkeiten für die ganzheitliche OZG-Umsetzung und der damit verbundenen Nachnutzungsentscheidung auf Länderebene. Auf dem Papier existieren drei Varianten:
    - Zentrale Zuständigkeit bei der OZG-Gesamtkoordination, z. B. im zentralen Digitalisierungsressort
    - Zentrale Zuständigkeit bei der OZG-Koordination der jeweiligen dezentralen Fachressorts
    - Dezentrale Zuständigkeit bei den Fachreferaten in den dezentralen Fachressorts.
    In der Praxis sind diese Verantwortlichkeiten für die Koordination der Nachnutzung nicht ausreichend dokumentiert. Verschärfend kommt hinzu, dass der Vollzug vieler Verwaltungsleistungen in der Regel nicht direkt in den Landesministerien, sondern in den nachgelagerten Behörden liegt. 
  • Das EfA-Prinzip klingt verlockend einfach, der Teufel steckt jedoch im Detail. Mit den vier Dimensionen – organisatorisch, rechtlich, finanziell und technisch – erweist sich die Nachnutzung in der Praxis komplexer als ursprünglich angenommen. In der arbeitsteiligen, zuständigkeitsorientierten Verwaltung sind für die Entscheidung für oder gegen die Nachnutzung eines Online-Dienstes viele Personen und Gremien zu involvieren. Mitunter sind entsprechende Zuständigkeiten für die vier Dimensionen in den Ländern noch gar nicht definiert. Dennoch ist die Nachnutzung in der Regel mit geringeren personellen und finanziellen Aufwänden verbunden als die Eigenentwicklung.
  • Die OZG-Umsetzung ist nach dem Gesetzeserlass im Jahr 2017 nur schwerfällig angelaufen. Die Nachnutzung hat durch das EfA-Konjunkturprogramm erst im Jahr 2021 spürbare Wirkung entfaltet. Mit Blick auf die gesetzliche Umsetzungsfrist Ende 2022 war dies meist zu spät, um die für die Nachnutzung notwendigen Finanzmittel zur Finanzierung von Wartung, Support und Betrieb in den Haushalten einzustellen.

Wie Nachnutzung in den Fokus rücken kann.

Mit dem Verstreichen der gesetzlichen Pflicht zur OZG-Umsetzung Ende 2022 stellt sich immer mehr die Frage, wie eine flächendeckende Digitalisierung der wichtigsten Online-Dienste zeitnah und trotzdem kosteneffizient umgesetzt werden kann. Für die Bundesländer sollte die Nachnutzung von bestehenden EfA-Online-Diensten zum Mittel der Wahl werden. Dieser Kurswechsel macht eine strategische Planung in den Bundesländern unabdingbar. Für den erfolgreichen Einstieg in die Nachnutzung sehen wir die folgenden Handlungsfelder:

  • Für die Nachnutzungsperspektive ist ein umfassendes, begleitendes Changemanagement aufzusetzen – insbesondere jetzt, wo die umsetzenden Länder die entwickelten Online-Dienste vermarkten müssen. Die Nachnutzung von bestehenden Online-Diensten wird bislang nicht als Chance, sondern zumeist als exogener, mit hohem Druck herangetragener Störfaktor wahrgenommen. Fachabteilungen und -behörden fühlen sich häufig eher betroffen als tatsächlich beteiligt.
  • Die Schaffung klarer Rollen und Verantwortlichkeiten bildet einen wichtigen Baustein hin zu einer erfolgreichen Orchestrierung der Nachnutzung. Als zentraler Hebel für die OZG-Umsetzung im eigenen Land sollten die Bundesländer zentrale Ansprechpersonen benennen, die die Nachnutzung sowohl in das Bundesland hinein als auch als Kontakt für andere Bundesländer betreuen. Das Vorhaben Nachnutzung muss an verantwortlicher Stelle angesiedelt und von der Leitungsebene aktiv unterstützt und gefördert werden.
  • Ein Arbeitsfeld der Einheit, die die Nachnutzung im Bundesland steuert, sollte der intensive Austausch mit den Fachabteilungen und -behörden sein. Die Bedeutung der OZG-Umsetzung sollte in allen Teilen der Verwaltung verstanden und als Vehikel zur Modernisierung genutzt werden. Hierfür ist es essenziell, dass sich die Fachabteilungen und -behörden mit den verfügbaren Online-Diensten auseinandersetzen. 
  • Der Einstieg in die Nachnutzung erfordert, dass sich die Bundesländer intensiv damit beschäftigen, welche Online-Dienste sie brauchen und darüber aktiv in den Austausch mit anderen Bundesländern treten. Auch dafür ist ein Schulterschluss mit der Fachlichkeit der Vollzugsstellen notwendig. Für einen Ãœberblick über verfügbare Online-Dienste und die Kontaktaufnahme zu anderen Bundesländern können bereits existente Kanäle wie der OZG-Marktplatz, der FIT-Store oder der neue anbieteroffene Marktplatz der govdigital genutzt werden.
  • Um die Entscheidung für die Nachnutzung zu erleichtern, ist es notwendig, dass in den Bundesländern konzeptionelle Guidelines erstellt werden, die die relevanten Fragestellungen erfasst und somit eine standardisierte Hilfestellung ermöglicht. Diese Guidelines könnten beispielsweise einen Entscheidungsbaum aufzeichnen, anhand dessen die Entscheidung für die Nachnutzung anhand klar vorgegebener Kategorien vorbereitet werden könnte.

Um die Nachnutzung zum Erfolg zu führen, ist eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema unabdingbar. Investieren Sie jetzt zeitnah und planvoll in die Organisation der Nachnutzung. Es ist einer der vielversprechendsten Wege, um den konkreten Nutzen der OZG-Umsetzung, der in der flächendeckenden Digitalisierung von Verwaltungsleistungen liegt, für die Bürger:innen spürbar zu machen. 

Artikel von:
Raphael Feikus, Cassini Consulting
Raphael Feikus
Senior Consultant
Jessica Przybylski, Cassini Consulting
Jessica Przybylski
Senior Consultant
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