Dienstleister:innen in Digitalisierungsprojekten
Dienstleistersteuerung. Teil 1 unserer Artikelreihe.

Dem weiten Feld Struktur geben – Der Dienstleister-Lebenszyklus

Um Stellschrauben oder „Regler“ für die Dienstleister-Steuerung und deren Ausprägung ableiten zu können, sollte die Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer zunächst strukturiert werden. Aus zahlreichen Beratungsprojekten hat Cassini Consulting ein entsprechendes Phasenmodell entwickelt.

Dienstleister-Steuerung als Lifecycle

Wir verstehen Dienstleister-Steuerung als einen Ende-zu-Ende Prozess im Sinne eines Lifecycles. Dieser gliedert sich in fünf prägnante Phasen, welche die wesentlichen Einflussgrößen dieser Geschäftsbeziehung zusammenfassen.

Die Beziehung zwischen beiden Parteien entwickelt sich von der Bedarfsermittlung beim Auftraggeber, über die Beschaffung und das Onboarding des Dienstleisters bis hin zur konkreten Projekt-Umsetzung. Ist ein gemeinsames Projekt abgeschlossen, werden die Ergebnisse in Linienprozesse übergeben, evtl. weitere Bedürfnisse abgefragt und gegebenenfalls entsprechende Folgeprojekte definiert. Diese Phase bezeichnen wir als Transition. In jeder Phase gibt es Steuerungsgrößen („Regler“), um die Dienstleistung in die gewünschte Zielrichtung zu lenken. Im Folgenden betrachten wir zunächst alle Phasen eingehender, bevor wir uns in den folgenden Artikeln den von uns als signifikant identifizierten Reglern widmen.

Dienstleister-Lebenszyklus

1. Bedarfsermittlung

Bevor Beschaffungsprozesse initiiert und Dienstleister oder Lieferanten beauftragt werden, ist zunächst eine detaillierte Bedarfsanalyse erforderlich. Dazu sollten zu Beginn die Fachabteilungen befragt werden, denn hier entsteht meist der Hauptbedarf etwa durch neue Anforderungen von internen oder externen Kunden, neue rechtliche Rahmenbedingungen oder einer Umorganisation.

Nachdem ein Bedarf identifiziert wurde, folgt die Entscheidung, mit welcher Bereitstellungsalternative der Bedarf gedeckt wird. Die übergeordnete Fragestellung lautet hier „Make-or-Buy?“. Um eine fundierte Entscheidung zu dieser Fragestellung zu treffen, gilt es, alle Bereitstellungsalternativen zu betrachten und zu bewerten. Hierzu zählen zum Beispiel neue Ausschreibungen oder das Zurückgreifen auf eigene Ressourcen. Nur wenn alle möglichen Bereitstellungsalternativen bezüglich Kosten, Verfügbarkeit, Qualität und Risiko geprüft wurden, kann eine fundierte Entscheidung darüber getroffen werden, wie sich ein Bedarf effizient decken lässt. Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach WiBe 5.0 kann hier instrumental unterstützen.

2. Beschaffung

Falls, basierend auf der Make-or-Buy Entscheidung, eine Beschaffung als sinnvollste Lösung erscheint, ist zunächst zu prüfen, ob es bestehende Verträge gibt und ein Abruf möglich ist. Falls eine Beschaffung mittels Vergabe erforderlich ist, müssen als nächstes die entsprechende Vergabekonzeption und die Vergabeunterlagen erstellt werden. Hierbei sollte eine Vielzahl von Instrumenten berücksichtigt werden (zum Beispiel Auswahl der Verfahrensart, Aufbau der Leistungsbeschreibung, Bewertungsmethode mit Eignungs- und Leistungskriterien).

Mit Erstellung der Vergabeunterlagen lassen sich durch formulierte Anforderungen wie bspw. Service-Level-Agreements (SLAs) erste Weichen für die spätere Steuerung der Dienstleister stellen. Nach Erstellung der Vergabeunterlagen erfolgt der Ausschreibungsvorgang: Je nach Verfahrensart kann Einfluss auf die darauffolgende Leistungsphase genommen werden. So ist es beispielsweise möglich, mit einem Verhandlungsverfahren Angebote zu schärfen, was sich wiederum auf den Leistungsgegenstand auswirkt. Auf der anderen Seite ist vor allem bei offenen und nicht offenen Verfahren die Beantwortung von Bieterfragen nicht zu unterschätzen, weil dieser Einfluss auf die ausgeschriebene Leistung nehmen, zum Vertragsgegenstand werden und somit ein Steuerungsinstrument darstellen. Ein erfolgreicher Beschaffungsvorgang endet mit der Erteilung des Zuschlags sowie der beidseitigen Zeichnung der entsprechenden Verträge.

3. Onboarding des Dienstleisters

Mit Beauftragung von Dienstleistern und Lieferanten ist ein damit einhergehender Onboarding-Prozess sinnvoll. Je schneller und besser Dienstleister und Lieferanten integriert sind, desto früher sind diese leistungsfähig. Auch wenn die Integration der Dienstleister und Lieferanten überwiegend im Onboarding erfolgt, kann sie in der Umsetzungsphase (siehe nächste Schritte) intensiviert werden. Typische Tätigkeiten des Onboardings sind eine gemeinsame Kick-off-Veranstaltung – gegebenenfalls inklusive einer gemeinsamen Vertragslesung und Klärung der jeweiligen Erwartungshaltung. Hierzu gehört die persönliche Vorstellung aller Projektbeteiligten und wichtiger Ansprechpartner, die Bereitstellung von Räumlichkeiten und die IT-Infrastruktur. Zudem sollten die Projektorganisation, Instrumente der Zusammenarbeit sowie die Eskalationshierarchien gemeinsam festgelegt werden. Beispiele für ein schlechtes Onboarding sind langwierige Prozesse bei der Bereitstellung von Hardware, fehlende Informationsbereitschaft sowie eine unzureichende Einbindung bei wichtigen Terminen. Ziel muss es sein, den Dienstleister schnellstmöglich dazu zu befähigen, seine Aufgaben zu erfüllen.

4. Steuerung des Dienstleisters in der Leistungsphase

Haben die Dienstleister und Lieferanten den Onboarding-Prozess erfolgreich durchlaufen und sind bereits operativ tätig, setzt die eigentliche Dienstleister-Steuerung ein. Hierbei sind vor allem ein Kosten- sowie Vertrags-, Fortschritts- und Qualitätscontrolling essenziell. So lässt sich beispielsweise über Frühwarnsysteme erkennen, wann das Budget eines Vertrages bereits ausgeschöpft ist oder die Laufzeit sich dem Ende zuneigt. Die inhaltliche Steuerung wird sich unter anderem auf das Erreichen von Meilensteinen, die Qualität der Arbeitsergebnisse und die Einhaltung der mit Ausschreibung definierten Anforderungen/SLAs beziehen. Ein regelmäßiges inhaltliches Reporting sowie ein fortlaufendes Monitoring über die Leistungsfähigkeit und Lieferqualität der Dienstleister ist zum Beispiel hilfreich, wenn es um notwendige Neubeauftragungen geht.

5. Transition

Hierzu betrachten wir die unterschiedlichen Dimensionen einer Transition: einerseits die Ergebnistransition in die Auftraggeber-Organisation sowie andererseits das Offboarding des oder der Dienstleister aus dem Projekt. Neigt sich ein Projekt dem Ende, sind im Sinne der Ergebnistransition Vorbereitungen für „die Zeit danach“ zu treffen. Dies kann bedeuten, dass Projektergebnisse (Strategien, Konzepte, Planungen) für die Weiterverwendung in den Fachabteilungen des Auftraggebers oder für Dienstleister in Folgeprojekten aufbereitet werden müssen. In Bezug auf IT-Infrastruktur-Projekte kann dies bspw. auch bedeuten, dass entsprechend projektierte und implementierte Appliances (Software-Hardwarekombinationen) flankiert durch Prozesse und Dokumentation in den Betrieb und die Service und Supportlandschaft überführt werden müssen. Bleibt die Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung unmittelbar erhalten, so wird der Dienstleister nach Projektabschluss in eine neue oder modifizierte Projektorganisation (für Folgeprojekte, Nacharbeiten) überführt. Es kommt jedoch häufig vor, dass Vertrags- und Projektende nicht immer zusammenfallen. Werden keine Folgeaktivitäten beauftragt, die Vertragsbeziehungen laufen aus oder der Beauftragungsrahmen entfällt (gesperrte Haushaltsmittel, Ende des Rahmenvertrages, Ablauf politischer Fristen), schließt sich gemäß unserer obigen Nomenklatur das Offboarding des Dienstleisters an. Idealtypisch wird die Projektorganisation sukzessive zurückgebaut und Infrastruktur sowie Liefergegenstände werden übergeben. Ein gemeinsamer Projektabschluss bildet auch den persönlichen Abschluss.

PRAXISBEISPIEL

Das Onlinezugangsgesetz regelt, dass deutsche Behörden über alle Verwaltungsebenen hinweg den Zugang zu ihren Verwaltungsleistungen digitalisieren müssen. Die entsprechenden Fachabteilungen verzeichnen daher einen Bedarf an entsprechenden Digitalisierungskonzepten und Lösungen sowie ggf. flankierender Beratung zu Software und IT-Infrastrukturen. Das Onlinezugangsgesetz regelt, dass deutsche Behörden über alle Verwaltungsebenen hinweg den Zugang zu ihren Verwaltungsleistungen digitalisieren müssen. Die entsprechenden Fachabteilungen verzeichnen daher einen Bedarf an entsprechenden Digitalisierungskonzepten und Lösungen sowie ggf. flankierender Beratung zu Software und IT-Infrastrukturen.

In Artikel zwei der Artikelreihe stellen wir die Steuerungsgrößen (Regler) dar und zeigen auf, in welcher Phase des Dienstleister-Lebenszyklus diese angewendet werden können. 

Die Artikelreihe im Überblick

Artikel von
Christopher Busche
Christopher Busche
Management Consultant
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