Dienstleister:innen in Digitalisierungsprojekten
Dienstleistersteuerung. Teil 6 unserer Artikelreihe.

Mandatierung – Was darf ein Dienstleister dürfen?

Welchen Auftrag soll der Dienstleister im Interesse seines Auftraggebers ausführen? Welche Kompetenzen werden ihm innerhalb seines Wirkungsfeldes zugestanden? Diese Fragestellungen und die daraus resultierenden Gestaltungs- und Steuerungskompetenzen regelt die Mandatierung des Dienstleisters und bietet neben den vertraglichen Bedingungen den gestalterischen Rahmen, in welcher Intensität und Rolle der Dienstleister zur erfolgreichen Umsetzung seines Mandats in die Organisation des Auftraggebers zu integrieren ist.

Die verschiedenen Ebenen der Mandatierung

Das Mandat (lat. Mandatum: Auftrag) beschreibt im Kontext der Dienstleister-Steuerung eben jenen Auftrag, den der Dienstleister in diesem Kontext erhält.

Wie in Abbildung 2 in Artikel 2: „Der Cassini-Ansatz zur effizienten und nachhaltigen Dienstleistersteuerung“ verdeutlicht, erstreckt sich die Mandatierung des Dienstleisters von der Phase der Beschaffung bis hin zur letzten Phase, der Transition. Sie beinhaltet damit deutlich mehr als die bloße operative Steuerung von Dienstleistern in der Phase der Umsetzung.

Die Mandatierung von Dienstleistern findet demnach auf verschiedenen Ebenen über die jeweiligen Phasen hinweg statt:

Mandatierung qua Beschaffung:

In Bezug auf die Phase der Beschaffung wird das Mandat auf mehreren Ebenen an den bzw. die Dienstleister gerichtet.

Hierbei sind zu nennen:

  • Der in den Ausschreibungs-Unterlagen beschriebene Dienstleistungsauftrag, sowie
  • die (beschreibenden) Inhalte des Mustervertrags des öffentlichen Auftraggebers (bspw. Dienstvertrag gem. EVB-IT).

In den Phasen Onboarding und Umsetzung wird dieses noch abstrakte, vertraglich verbalisierte Mandat durch die handelnden Akteure geschärft und ergänzt. Im Einzelfall kann ein Mandat etwa in Teilen ersetzt werden, weil die Anforderungen, bspw. bedingt durch den zeitlichen Versatz zwischen Ausschreibung und Onboarding, zwischenzeitlich überholt sind oder wesentliche Akteure gewechselt haben.

Das Mandat des Auftraggebers seitens des Bedarfsträgers:

Beim Bedarfsträger selbst gibt es einen offiziellen Auftraggeber (bspw. auf Ebene der Referatsleitung). Hier gilt es zu klären, welche Ziele und Interessen auf dieser Ebene mit der Beauftragung verknüpft sind.

Das Mandat auf operativer Ebene des Bedarfsträgers:

Auf operativer Ebene beim Bedarfsträger gibt es Mitarbeitende, die aufgrund ihrer Erfahrung und Fachexpertise operative Anforderungen an den externen Dienstleister formulieren.

Die gelebte Praxis:

Die gelebte Praxis ist, dass die Dienstleister seitens der Organisation des Auftraggebers dazu angehalten werden, sich an deren Arbeits- und Kommunikationsweise zu adaptieren.

Ausprägungsmerkmale der Steuerungsgrößen: Fachlichkeit oder Steuerung?

Die entgegengesetzten Ausprägungsmerkmale Fachlichkeit bzw. Steuerung beschreiben, wie der jeweilige Dienstleister ins Projekt bzw. in die Organisation des Auftraggebers mittels Mandats eingebunden wird.

Fachlichkeit:

Im Kontext der Fachlichkeit arbeitet der Dienstleister operativ an inhaltlich fachlichen Themen mit. Er bildet die sogenannte „verlängerte Werkbank“ in Bezug auf die internen Ressourcen und ergänzt jenen Teil der operativen Tätigkeiten, welche mangels Ressourcen interner Mitarbeiter an externe Dienstleister verlagert werden. Fachlich versierte Mitarbeitende stecken Art und Umfang der Zulieferungen der externen Dienstleister ab, übergeben diese in Form von Arbeitspaketen und nehmen die Arbeitsergebnisse im Idealfall auch ab.

Der Rahmen, in welchem die externen Dienstleister an einem Auftrag mitwirken, kann präzise abgesteckt- und hinsichtlich der Zuständigkeiten klar und zumeist detailliert geregelt werden. Je nach Umfang und Schnitt der Arbeitspakete lassen sich externe Dienstleister somit schnell in die Umgebung des Auftraggebers einbinden.

Niedrigschwelliges Zuarbeiten ermöglicht bspw. eine rasche Einarbeitung, auch mehrerer externer Ressourcen, in das Arbeitsumfeld bei zeitnaher Lieferung von Arbeitsergebnissen. Steuernde sowie jene Tätigkeiten, welche komplexerer Entscheidungen bedürfen, verbleiben bei den internen Mitarbeitenden der Organisation.

Dies ist insbesondere dann relevant, wenn die Abgabe von Kompetenzen nicht gewollt (bspw. hohe inhaltliche Komplexität der entscheidungsbedingenden Sachverhalte) oder aufgrund von äußeren Rahmenbedingungen nicht möglich ist (bspw. hoheitliche Tätigkeiten, erhöhte Sicherheitsanforderungen, etc.).

Steuerung:

Im Kontext der Steuerung arbeitet der Dienstleister deutlich eigenverantwortlicher in den mandatierten Handlungsfeldern mit. Ist die zuvor beschriebene, fachliche Mitarbeit eher an Prozessen ausgerichtet, so steht hier die Ergebnisorientierung im Vordergrund: Externe Dienstleister werden dahingehend mandatiert, komplexere Tätigkeiten eigenständig(er) auf Ergebnisse hin zu steuern.

Im Umfeld temporärer Organisationen (bspw. Innerhalb einer Projektstruktur) übernehmen sie Tätigkeiten bzw. Rollen, welche mit Weisungskompetenzen und Befugnissen ausgestattet sind. Dies kann auch die Steuerung interner und externer Ressourcen (bspw. eines internen Project Management Office oder weiterer Dienstleister) beinhalten.

Berichtslinien und Kommunikationswege können somit kanalisiert und gestrafft werden. Bspw. dort, wo in einem Multi-Vendor-Kontext ein Dienstleister als Generalunternehmer an seinen Gegenpart in der Organisation des Auftraggebers über weitere Dienstleister der Lieferkette berichtet.

Zielgerichtete Mandatierung über die Beschaffung

In Bezug auf die Mandatierung von Dienstleistungen spielt die Betrachtung der anzustrebenden Beschaffung des Dienstleisters bereits eine entscheidende Rolle: Das Konzept des Mandats erstreckt sich hier auf mehrere Dimensionen:

Im Idealfall ist zum Zeitpunkt der Beschaffung der Leistungen bereits die Ausgestaltung des Mandats hinsichtlich der Kompetenzen, also der Entscheidungs- oder Ermessensspielräume des zu beauftragenden Dienstleisters, aus dem dokumentierten Anforderungsprofil ersichtlich.

Kommt der Dienstleister beim Auftraggeber als „verlängerte Werkbank“ zum Einsatz, so ist die Fokussierung auf die Spezifikation der fachlichen Anforderungen meist ausreichend. Soll der Dienstleister im Laufe der Zusammenarbeit jedoch Steuerungsfunktion und Weisungskompetenz erhalten und somit in Abstimmung und nach Rahmenvorgabe des Auftraggebers komplexere Entscheidungen treffen oder herbeiführen (bspw. in der Steuerung weiterer Dienstleister), so verändert dies das Anforderungsprofil erheblich.

Umfang des Mandats hinsichtlich der zu erbringenden Leistung

Die Spezifikation eines im Rahmen einer Beschaffung definierten, zu erbringenden Leistungsumfangs hat zwangsläufig Einfluss darauf, wer die Leistung erfolgreich erbringen kann. Je spitzer der Leistungsumfang spezifiziert und je klarer abgegrenzt dieser in der Ausschreibung formuliert wird, desto deutlicher fällt die Mandatierung in Richtung einer erforderlichen, fachlichen Expertise des zu mandatierenden Dienstleisters aus. Der Kreis der infrage kommenden Anbieter verkleinert sich folglich mit dem zunehmenden Maß an Spezifizierung.

Einfluss des Vorgehensmodells zum Projektmanagement hinsichtlich der Mandatierung – ein Beispiel

Das -im Regelfall- bei Beschaffung der Dienstleistung seitens des Auftraggebers feststehende Vorgehensmodell hinsichtlich des Projektmanagements (klassisch, agil, hybrides Vorgehen) hat direkten Einfluss auf die Mandatierung im Sinne der Auswahl eines entsprechend geeigneten Dienstleisters.

In den vergangenen Jahren haben sich viele Dienstleister -insbesondere größere Anbieter- darin professionalisiert, ihren Klienten sowohl klassische als auch agile und darüber hinaus auch hybride Vorgehensmodelle anbieten zu können. Die Expertise (nicht die bloße Zertifizierung) des auszuwählenden Dienstleisters zahlt dabei maßgeblich auf die erfolgreiche Mandatierung und damit auf die erfolgreiche Umsetzung der zu beschaffenden Dienstleistung ein. Die Ausschreibung muss die Befähigung des Dienstleisters, der seinerseits einzusetzenden Mitarbeitenden und deren fachliche und praktische Erfahrung bestmöglich abprüfen.

Zur erfolgreichen Erbringung des Auftrags durch den Dienstleister bedarf es der expliziten Mandatierung seitens des Auftraggebers. Diese beinhaltet neben der aktiven Planung und Abgrenzung des Mandats, also der Auftragsklärung, auch die frühzeitige, aktive Kommunikation in das Umfeld, im dem die Dienstleistung erbracht werden soll.

In den meisten Fällen kommt der Dienstleister zunächst als „Fremdkörper“ in das Dienstleistungs- bzw. Organisations-Umfeld des Auftraggebers. Umso wichtiger ist es demnach, dass der Auftraggeber die Position des Dienstleisters sowie dessen Mandat klar und kontinuierlich in die Organisation kommuniziert.

Weiter gehört es zu den Obliegenheiten des Auftraggebers, die „Weichenstellung“ innerhalb seiner Organisation so vorzunehmen, dass die dem Dienstleister zugewiesene Steuerungsfunktion und Weisungskompetenz in den jeweiligen Bereichen als adressiert und gesetzt gilt.

Ist dies nicht der Fall, so ist Kompetenzgerangel unweigerlich die Folge: Der Dienstleister kann sein Mandat, sprich seinen Dienstleistungsauftrag, nicht wie angedacht ausführen und Eskalationsinstanzen des Auftraggebers werden bereits mit niedrigschwelligen Vorgehens- und Entscheidungsklärungen ausgelastet.

Die Mandatierung steuernder Tätigkeiten setzt zwingend eine klare, strukturierte Kommunikation seitens des Auftraggebers, sowohl in Richtung seiner Organisation als auch in Richtung des externen Dienstleisters voraus. Rollen, Weisungskompetenzen und Befugnisse müssen klar abgegrenzt und mit der internen Organisation des Auftraggebers abgestimmt und vereinbart sein.

Weisungen und Befugnisse, welche bspw. die Projekt-Organisation betreffen, gilt es, ebenso klar von der internen, disziplinarischen Weisungsbefugnis der Auftraggeber-Organisation abzugrenzen, um Konfliktpotenzial im Verlauf der Umsetzung zu minimieren.

Praxistipp

Auftraggeber (Bedarfsträger) und Auftragnehmer sollten die Kernfragen rund um die zu erbringende Dienstleistung gemeinsam besprechen und schärfen. Zeitlicher Versatz zwischen Beschaffung und Beauftragung sowie inhaltliche Abweichungen oder Unklarheiten zwischen den einzelnen Mandats-Ebenen führen zwangsläufig zu erneutem Abstimmungsbedarf kurzfristig vor Dienstleistungsbeginn.

Kernfragen

Gesamtergebnis und Abgrenzung (Was?)

Was genau (Gesamtergebnis) soll mit welchen Zielgrößen erreicht werden? Was muss das Gesamtergebnis mindestens leisten, was nicht (Minimum Viable Product / Scope)? Was soll innerhalb des Auftrags unbedingt vermieden werden (Politische Einflüsse, kritische Themen, Governance)? Welche bestehnenden Elemente sollen unbedingt erhalten bleiben?

Übergeordnete Ziele und Strategie (Wozu?)

Zu welchem Zweck soll das zu erzielende Ergebnis verwendet werden?

 Initiative und Ursprung (Warum?)

Was ist der Anlass zur Erzielung dieses Gesamtergebnisses?

Zeitliche Implikationen (Wann?)

Zu welchem Zeitpunkt müssen welche Ergebnisse geliefert werden? Welche zeitlichen Abhängigkeiten sind bereits bekannt?

Adressaten- und Nutzerkreis (Wer?)

Wer ist in die Umsetzung zu involvieren? Wer ist von den Änderungen, welche das (Gesamt-)ergebnis mit sich bringt, betroffen? Wer soll es nutzen?

Praxistipp Weichenstellung für den Dienstleister-Einsatz:

Der Auftraggeber sollte rechtzeitig vor Dienstleistungsbeginn klären, welche Steuerungsebenen mit dem /den einzusetzenden Dienstleister/n agieren werden. Im Dialog mit dem betroffenen Personenkreis bedarf es Klarheit in folgenden Punkten:

  • Wie hoch ist der zu erwartende Steuerungsbedarf des Dienstleisters?
  • Kann die kontinuierliche Steuerung durch interne Ressourcen gewährleistet werden?
  • Soll der Dienstleister die Leistungen in Form einer „verlängerten Werkbank“ erbringen oder selbst steuernd tätig sein?
  • Wenn der Dienstleister selbst steuernd tätig sein soll, wie weitreichend darf er mit Kompetenzen ausgestattet sein (Organisationsvorgaben und Regularien, mögliche Auswirkungen auf interne Mitarbeiter)?
  •  Wie umfassend müssen die Kompetenzen des Dienstleisters ausgeprägt sein, um effektiv und effizient leisten und liefern zu können?
  • Welche Berichts- und Eskalation-Hierarchie hat der externe Dienstleister einzuhalten?
  • Wie wird der Einsatz des externen Dienstleisters an die betroffenen Mitarbeitenden der Umsetzungs-Ebene kommuniziert?

Die Mandatierung hat eine immense Auswirkung darauf, inwieweit die Dienstleister in die Organisation mit zugehörigen Aufgaben und Prozesse integriert werden müssen. Hierzu mehr im folgenden Artikel.

Die Artikelreihe im Überblick

Artikel von
Patrick Malburg
Management Consultant
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